Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung, Urteilsgründe als Befangenheitsgrund
Leitsatz (NV)
Ausführungen eines Gerichts in einem Urteil können nachträglich regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Ist die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs offensichtlich unbegründet, darf der BFH über die Beschwerde auch dann in der Sache entscheiden, wenn die abgelehnten Richter zu Unrecht an der Zurückweisung mitgewirkt haben.
Normenkette
FGO § 51; ZPO §§ 42, 45 Abs. 1, § 46
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Urteil vom 21. August 1996 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht A. sowie der Richter am Finanzgericht B. und C. abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 22. November 1996 zugestellt. Nach Zustellung des Urteils beantragte die Klägerin die Berichtigung des Tatbestands des Urteils und der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (Antrag vom 4. Dezember 1996). Außerdem lehnte sie mit einem am 20. Dezember 1996 beim FG eingegangenen Schriftsatz die drei Berufsrichter, die an dem Urteil vom 21. August 1996 mitgewirkt hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründete ihr Ablehnungsgesuch im wesentlichen damit, es bestehe der Verdacht auf Rechtsbeugung, weil die abgelehnten Richter in dem Urteil offensichtlich unzutreffende Rechtsansichten vertreten hätten. Das FG lehnte die Anträge auf Berichtigung des Protokolls und des Urteilstatbestands sowie den Befangenheitsantrag mit zwei Beschlüssen -- die unter Mitwirkung der abgelehnten Richter gefaßt wurden -- ab. Die Ablehnung sämtlicher Berufsrichter eines Senats ohne Darlegung der Gründe, die gegen die Unparteilichkeit des einzelnen Richters oder aller Berufsrichter des Senats sprächen, sei unzulässig. Mit Beschluß vom 24. Februar 1997 entschied das FG, der Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision nicht abzuhelfen. Dieser Beschluß wurde wiederum unter Mitwirkung der drei abgelehnten Berufsrichter gefaßt.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Befangenheitsantrags. Die abgelehnten Richter hätten in der Vorentscheidung vom 21. August 1996 in verschiedener Hinsicht offensichtlich unzutreffende Rechtsansichten vertreten.
Die Klägerin beantragt, den Beschluß vom 20. Januar 1997 aufzuheben und dem Ablehnungsgesuch zu entsprechen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat das Gesuch auf Ablehnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Nach §51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §42 der Zivilprozeßordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlaß hat, die Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zu befürchten (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. September 1994 VIII B 64-- 76/94, BFH/NV 1995, 526, m. w. N.). Eine Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ist nur in Ausnahmefällen statthaft, nämlich nur dann, wenn das Gesuch offensichtlich unzulässig ist (vgl. BFH-Beschluß vom 2. Juli 1976 III R 24/74, BFHE 119, 227, BStBl II 1976, 627; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §51 Rz. 55, m. w. N.). Die Richter A., B. und C. hätten danach an der Ablehnung des Gesuchs nicht mitwirken dürfen, weil das Gesuch nicht offensichtlich unzulässig war. Zwar ist eine pauschale Ablehnung sämtlicher Richter eines Senats rechtsmißbräuchlich und deshalb unzulässig. Eine pauschale Ablehnung in diesem Sinne liegt jedoch nicht vor, wenn der Beteiligte die Richter eines Senats im Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte für die Befangenheit in der Kollegialentscheidung ablehnt (BFH-Beschlüsse vom 17. April 1996 I B 134/95 BFH/NV 1996, 826, und vom 12. September 1996 IV B 8/96, BFH/NV 1997, 243). Im Streitfall hat die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch mit Ausführungen der Richter im Urteil vom 21. August 1996 begründet, mithin Anhaltspunkte vorgetragen, die aus ihrer Sicht die Besorgnis der Befangenheit der an dem Urteil mitwirkenden Berufsrichter begründeten. Das Ablehnungsgesuch war auch nicht deshalb unzulässig, weil es erst nach Erlaß des Urteils eingegangen ist. Denn bei seinem Eingang bei Gericht stand jedenfalls noch die Entscheidung über Abhilfe oder Nichtabhilfe bezüglich der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision aus (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1993 XI B 95/92, BFH/NV 1994, 565).
Der Beschwerde der Klägerin ist dennoch der Erfolg zu versagen, weil die Ablehnung offensichtlich unbegründet war. Als Beschwerdegericht ist der BFH -- trotz Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters in der Vorinstanz -- nicht daran gehindert, hinsichtlich des Ablehnungsgesuchs in der Sache selbst zu entscheiden (BFH-Beschluß vom 15. Oktober 1996 VII B 272/95, BFH/NV 1997, 357; Gräber/Koch, a. a. O., §51 Rz. 67, m. w. N.). Die Klägerin hat keine Gründe vorgetragen, die die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter begründen. Sie stützt ihr Ablehnungsgesuch ausschließlich auf ihrer Ansicht nach in dem Urteil der Vorinstanz enthaltene fehlerhafte Sachverhaltswiedergaben, Rechtsansichten und Verfahrensfehler. Verfahrensfehler oder sonstige Rechtsfehler in einem Urteil sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Durch das Institut der Richterablehnung soll eine unparteiische Rechtspflege gesichert, nicht aber die Möglichkeit einer Überprüfung einzelner Verfahrenshandlungen oder gar der materiellen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet werden. Mängel in einem Urteil können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise nur dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, daß die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muß ohne weiteres feststellbar und gravierend sein und auf unsachliche Erwägungen schließen lassen (BFH-Beschlüsse vom 24. November 1994 X B 146--149/94, BFH/NV 1995, 692, und vom 23. Juli 1996 VIII B 22/96, BFH/NV 1997, 126, jeweils m. w. N.). Die Ausführungen des FG enthalten keine Mängel, die auf eine unsachliche Einstellung der Richter schließen lassen. Die Urteilsgründe sind ausschließlich sachbezogen.
Soweit die Klägerin mit ihrer Beschwerde weitere Rechtsfehler der Vorentscheidung rügt, ist ihr Vortrag schon deshalb unbeachtlich, weil mit der Beschwerde keine neuen Ablehnungsgründe geltend gemacht werden können (BFH-Beschluß vom 24. Juli 1990 X B 115/89, BFH/NV 1991, 253).
Fundstellen
Haufe-Index 66590 |
BFH/NV 1998, 61 |