Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Geht der Streit bei der einheitlichen Gewinnfeststellung darum, zu welcher Einkunftsart der Gesamtgewinn oder die Vergütung eines Gesellschafters gehören, ist als Streitwert der Regelsatz von 25 v. H. oder gegebenenfalls ein höherer Satz von dem Betrag festzusetzen, um den eine Minderung der Einkommen der Gesellschafter erstrebt wird.
Normenkette
AO § 320 Abs. 4; FGO § 140 Abs. 3; AO § 286 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1960, ob das Autorenhonorar, das der Komplementär (K.) von der Revisionsklägerin (KG) erhielt, nach § 15 Ziff. 2 EStG zu den gewerblichen oder zu seinen freiberuflichen Einkünften als Schriftsteller gehört.
Die KG befaßte sich mit der Herstellung von Büchern und Lehrmitteln. Komplementär war neben X. der Schriftsteller K. Im Streitjahr erhielt er von der KG vorweg ein Autorenhonorar von rund 20.000 DM, das die KG als Betriebsausgabe behandelte, weil sie es zu den Einkünften ihres Gesellschafters K. aus freiberuflicher Tätigkeit rechnete. Der Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -) erhöhte den Gewinn der KG u. a. um das an K. gezahlte Honorar.
Einspruch und Berufung der KG blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 114 veröffentlichten Entscheidungen aus, für die einkommensteuerrechtliche Behandlung komme es nicht darauf an, ob die von der KG gezahlte Vergütung das Entgelt für eine an sich freiberufliche Tätigkeit des K. sei. Auf Grund der Gesellschaftereigenschaft des K. überwiege der Charakter der gewerblichen Einkünfte derartig, daß auch eine für ihrer Natur nach freiberufliche Leistung gezahlte Vergütung in den Einkünften aus Gewerbebetrieb aufgehe. Eine Aufteilung der Einkünfte, die K. von der KG bezogen habe, sei nicht möglich.
Hiergegen legte die KG Rechtsbeschwerde ein, die als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 115 FGO). Der Vorsitzende des Senats wies die KG darauf hin, daß Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision bestünden, weil der Streitwert möglicherweise 1.000 DM nicht übersteige. Die KG vertrat demgegenüber die Auffassung, daß es bei der einheitlichen Gewinnfeststellung um den Abzug von rund 20.000 DM als Betriebsausgaben gehe und die Revisionssumme daher erreicht sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der KG ist unzulässig. Das FG errechnete den Streitwert in der Weise, daß es 25 v. H. des Betrages von 20.096 DM ansetzte, dessen Abzug als Betriebsausgaben die KG begehrte. Der Streitwert ist nach dem steuerrechtlichen Interesse zu bemessen, das an einer bestimmten Entscheidung besteht, wobei es nur auf die einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen ankommt, während die Auswirkungen auf die Gewerbesteuer außer Betracht bleiben, da die Feststellungen im Feststellungsverfahren keine Bindung für die Gewerbesteuer erzeugen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - I 147/59 vom 29. März 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 320, Rechtsspruch 21; IV 372/62 vom 16. Juli 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 67).
Nach § 320 Abs. 4 AO a. F. (= § 140 Abs. 3 FGO) ist der Streitwert nach freiem Ermessen (nach § 140 Abs. 3 FGO "unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten") festzustellen. Die Ermittlung der einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen einer änderung des Gewinns im Feststellungsverfahren ist oft schwierig und nicht ohne Verletzung des Steuergeheimnisses durchzuführen. Diese Schwierigkeiten sind im einzelnen in dem BFH-Urteil I 268/60 U vom 17. Oktober 1961 (BStBl 1962 III S. 41, Slg. Bd. 74 S. 108) dargestellt. Es ist daher gerechtfertigt, weitgehend zu einer Schätzung überzugehen, die nur zu angenäherten Ergebnissen führen kann. Anhaltspunkte für eine Schätzung hat die Rechtsprechung des BFH in zwei Faktoren gefunden, nämlich einmal in dem streitigen Gewinnbetrag, an den die einkommensteuerrechtlichen Folgerungen geknüpft werden, und zweitens in diesen einkommensteuerrechtlichen Folgerungen selbst, wobei die eigentlichen Schwierigkeiten einer Schätzung nur in diesem letzteren Punkt liegen. Insoweit hat die Rechtsprechung angenommen, daß die Einkommensteuer im Regelfall 25 v. H. des Gewinnbetrages ausmachen werde, daß aber dieser Prozentsatz durch die Höhe der Gewinnanteile der Gesellschafter und des dadurch bedingten progressiven Steuersatzes beeinflußt werde, so daß bei Gewinnanteilen über 15.000 DM der Prozentsatz angemessen erhöht werden müsse (vgl. die BFH-Urteile I 268/60 U, a. a. O.; IV 372/62, a. a. O.; IV 284/64 vom 11. Februar 1965, HFR 1965 S. 364). Eine solche an einem streitigen Gewinnbetrag orientierte Schätzung des Streitwerts ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn ein Gewinnbetrag streitig ist, der auf die bezeichneten Prozentsätze reduziert werden kann. Das ist nicht in jedem Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Fall. Dieser überlegung trug der erkennende Senat bereits im Urteil IV 372/62 Rechnung. Damals ging der Streit nicht um die Höhe oder die Verteilung eines Gewinnbetrages, sondern um die Frage, ob Einkünfte als gewerbliche oder als freiberufliche zu betrachten seien. Es handelte sich also um die an sich ins Veranlagungsverfahren gehörende Frage der Ermittlung des Charakters der zu versteuernden Einkünfte, die nur, weil über diese Frage allen Gesellschaftern gegenüber einheitlich entschieden werden muß, schon im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung zu prüfen ist (vgl. das Urteil IV 372/62). Es besteht in diesem Fall keine Schwierigkeit, den Betrag zu ermitteln, um den sich das Einkommen verändert. Der Senat nahm daher an, daß bei der Ermittlung des einkommensteuerrechtlichen Interesses nur von dem Betrag ausgegangen werden darf, der sich einkommensteuerrechtlich auswirkt, d. h. dem bei freiberuflicher Tätigkeit zu gewährenden Freibetrag von 1.200 DM (§ 18 Abs. 4 EStG). Der Senat betrachtete diesen Betrag von 1.200 DM als "streitigen Gewinnbetrag", vervielfältigte ihn mit der Zahl der Gesellschafter und setzte davon 25 v. H. als Streitwert an. Er hält an dieser Entscheidung fest.
Dieselben Grundsätze müssen gelten, wenn der Streit darum geht, ob Gehälter, die Gesellschafter von ihrer Personengesellschaft erhalten, bei den Gesellschaftern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus nichtselbständiger Arbeit anzusehen sind. Es soll zwar im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung ein Gewinn der Gesellschaft gemindert werden. Es ist also, wenn man das Feststellungsverfahren isoliert betrachtet, ein Gewinnanteil streitig. Dieser Teil kennzeichnet aber nicht (auch nicht zu einem Bruchteil) die Beschwer. Unterscheidet man zwischen dem Betrag, um den es geht, und der steuerrechtlichen Auswirkung, die den Streitwert ergibt, so ist hier der Ausgangsbetrag derjenige, um den sich bei anderer Behandlung das Einkommen vermindert, d. h. bei jedem betroffenen Gesellschafter die Werbungskostenpauschale von 564 DM und der höhere Sonderausgabenpauschbetrag nach § 10 c Ziff. 1 EStG.
In dem zu beurteilenden Fall liegt es ähnlich wie in dem vom Senat durch das Urteil IV 372/62 entschiedenen. Ein Unterschied besteht lediglich insofern, als es hier darum geht, ob Einkünfte eines einzelnen Gesellschafters, nämlich das Autorenhonorar des Gesellschafters K., gewerblicher oder freiberuflicher Natur sind. Die einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen, soweit es um den das Einkommen mindernden Betrag geht, liegen nur darin, daß dem Gesellschafter K. im letzten Falle der Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG zusteht, der höchstens 1.200 DM beträgt. Das festzustellen ist nicht schwierig. Insoweit ist eine Schätzung nicht vertretbar. Hinsichtlich der weiteren steuerrechtlichen Auswirkung sind dagegen die allgemeinen Schwierigkeiten gegeben, so daß von dem streitigen Betrag von 1.200 DM ein Vomhundertsatz als Streitwert festzusetzen ist. Im Hinblick darauf, daß der Gewinnanteil des Gesellschafters K., der einkommensteuerrechtlich allein betroffen ist, 15.000 DM übersteigt, ist der Streitwert auf 30 v. H. von 1.200 DM = 400 DM festzusetzen. Damit ist der für die zulassungsfreie Revision notwendige Wert des Streitgegenstands von mehr als 1.000 DM (§ 286 Abs. 1 AO a. F.; § 115 Abs. 1 FGO) nicht erreicht.
Fundstellen
Haufe-Index 412260 |
BStBl III 1966, 611 |
BFHE 1966, 569 |
BFHE 86, 569 |