Entscheidungsstichwort (Thema)
Stuttgarter Verfahren: Bewertung der Anteile an einer geschäftsleitenden Holding-Gesellschaft
Leitsatz (NV)
- Anteile an reinen Holding-Gesellschaften, die neben der Verwaltung ihrer Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften keinen selbständigen operativen Bereich haben, sind nur mit ihrem ungekürzten Vermögenswert zu bewerten; eine Korrektur aufgrund der Ertragsaussichten entfällt, es sei denn, die Holding-Gesellschaft macht Aufwendungen im Interesse ihrer Untergesellschaft(-en), die sich ‐ wären diese Aufwendung von der Untergesellschaft selbst getragen worden ‐ über den Anteilswert der Beteiligungsgesellschaft auf den Anteilswert der Holding-Gesellschaft ausgewirkt hätten.
- Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtsfrage, ob bei einer geschäftsleitenden Holding-Gesellschaft grundsätzlich sämtliche Aufwendungen zu berücksichtigen sind.
- Eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung stellt keinen Verfahrensmangel, sondern eine fehlerhafte Rechtsanwendung dar, die als solche nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
Normenkette
BewG § 11 Abs. 2 S. 2; FGO § 116 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft und die geschäftsleitend tätige Holding-Gesellschaft der A-Gruppe. Als solche ist sie an verschiedenen Beteiligungsfirmen zu 100 v.H., in einem Fall zu 66 v.H. beteiligt. Einen eigenen operativen Bereich unterhält die Klägerin nicht. Den ihr durch die geschäftsleitende Tätigkeit entstandenen Aufwand für Buchhaltung, Controlling, Einkauf, Kosten des Vorstandes und des Sekretariats ließ sich die Klägerin von den Beteilungsfirmen erstatten. Die übrigen, in Zusammenhang mit Plänen zur Geschäftserweiterung und Prüfung von Standortvoraussetzungen entstandenen Kosten für Zukunftsplanung, strategische Überlegungen und Wirtschaftlichkeitsstudien, die nicht einzelnen Beteilungsgesellschaften zugeordnet werden konnten, hat die Klägerin selbst getragen.
In ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts der Anteile auf den 31. Dezember 1991 errechnete die Klägerin unter Berücksichtigung des ihr entstandenen, auf die Beteiligungsgesellschaft nicht abwälzbaren Aufwandes (negativer Ertragshundertsatz) den gemeinen Wert der Anteile für 100 DM Nennkapital mit 207 DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) folgte dem nicht, sondern stellte den gemeinen Wert der Anteile auf der Grundlage von Abschn. 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1989 ohne Berücksichtigung der negativen Ertragsaussichten je 100 DM Nennkapital auf 413 DM fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin den Einsatz eines negativen Ertragshundertsatzes begehrte, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt in seiner klageabweisenden Entscheidung aus, dass die Anteile an einer Holding-Gesellschaft, deren Geschäftsbetrieb durch die Verwaltung beherrschender Anteile an anderen Kapitalgesellschaften gekennzeichnet sei, für die Anteilsbewertung als wirtschaftlich identisch mit den von der Holding-Gesellschaft gehaltenen Anteilen anzusetzen seien. Die Anteile an einer solchen Holding-Gesellschaft seien ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten nur mit dem Vermögenswert anzusetzen. Dies gelte auch für die sog. Management-Holding, die für ihre Beteilungsgesellschaften geschäftsleitend tätig sei. Entscheidend sei, dass auch solche Gesellschaften kein eigenes operatives Geschäft betrieben. Es bestehe auch kein Anlass, den mit der geschäftsleitenden Tätigkeit verbundenen Aufwand bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile der Klägerin zu berücksichtigen. Soweit der mit dieser Tätigkeit verbundene Aufwand den Beteiligungsfirmen weiterbelastet worden sei, ginge dieser bereits in die Anteilsbewertung bei den Beteiligungsfirmen ein. Der danach verbleibende Aufwand, den die Klägerin durch Abzug der weiterbelasteten Kosten von ihrem Gesamtaufwand ermittelt habe, decke zunächst den typischen Kostenbereich einer Holding ohne eigenes operatives Geschäft ab. Dieser durch das Halten, Verwalten und Koordinieren der Beteiligungen geprägte Aufwand habe nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei der Bewertung nicht notierter Anteile einer Holding ohne eigenes operatives Geschäft unberücksichtigt zu bleiben. Es handle sich insoweit um Kosten, die auch dann entstünden, wenn die Beteiligungen ohne Zwischenschaltung einer Holding direkt gehalten würden.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Diese macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz geltend. Klärungsbedürftig sei die Bewertung von Anteilen an geschäftsleitenden Holding-Gesellschaften. Ferner rügt die Klägerin als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an Holding-Gesellschaften ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Weiterer Klärungsbedarf ergibt sich ―jedenfalls für den Streitfall― auch nicht aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Literaturbeiträgen.
Der gemeine Wert nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften, deren Wert sich nicht aus Verkäufen ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) unter Berücksichtigung der Vermögens- und Ertragsaussichten zu schätzen. Die Schätzung erfolgt nach dem in Abschn. 76 ff. VStR 1989 (vgl. jetzt R 96 ff. Erbschaftsteuer-Richtlinien vom 21. Dezember 1998 ―ErbStR―) geregelten sog. Stuttgarter Verfahren, das der BFH in ständiger Rechtsprechung als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt hat (Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558, m.w.N.). Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist von diesem Verfahren nur abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d.h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (BFH-Urteile vom 17. Mai 1974 III R 156/72, BFHE 112, 510, BStBl II 1974, 626, sowie vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Anteile an reinen Holding-Gesellschaften, die neben der Verwaltung ihrer Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften keinen selbstständigen operativen Bereich haben, nur mit ihrem ungekürzten Vermögenswert zu bewerten; eine Korrektur aufgrund der Ertragsaussichten entfällt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 II R 15/97, BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251, 253; Abschn. 81 Abs. 1 VStR 1989; R 103 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStR). Denn wirtschaftlich sind die Anteile an der Holding-Gesellschaft identisch mit den von der Holding-Gesellschaft gehaltenen Beteiligungen. Das Zwischenschalten der Holding-Gesellschaft bewirkt lediglich eine Effektensubstitution (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1976 III R 98/74, BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235). Kosten der Verwaltung der Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften dürfen demnach nicht zu einer Korrektur des Vermögenswertes führen, da es sich bei solchen Aufwendungen um Kosten für die Vermögensverwaltung auf der Ebene des Anteilseigners handelt. Solche Aufwendungen dürfen bei einer am Substanzwert orientierten Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht in die Wertermittlung einfließen (vgl. Christoffel, GmbH-Rundschau 1986, 392, 395).
Etwas anderes kann sich möglicherweise in den Fällen ergeben, in denen die Holding-Gesellschaft Aufwendungen im Interesse ihrer Untergesellschaft(en) macht, die sich ―wären diese Aufwendungen von der Untergesellschaft selbst getragen worden― über den Anteilswert der Beteiligungsgesellschaft auf den Anteilswert der Holding-Gesellschaft ausgewirkt hätten. Von dieser Überlegung ist auch das FG ausgegangen. Die von der Klägerin zum Beleg für einen Klärungsbedarf herangezogene Literatur liegt auf derselben Linie. Für die weiter gehende Auffassung der Klägerin, bei einer geschäftsleitenden Holding-Gesellschaft seien grundsätzlich sämtliche Aufwendungen zu berücksichtigen, gibt es weder einen sachlichen Grund, noch besteht darüber in der Fachliteratur Streit. Auch nach den von der Klägerin in Bezug genommenen Literaturstellen können nur "Aufwendungen im Interesse der Untergesellschaft" (Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand Februar 2002, § 11 Rn. 102; Christoffel, a.a.O.; Diers, Der Betrieb 1986, 1256) bzw. nur das, was den Ertrag der Untergesellschaft auf dem Weg zum Gesellschafter mindert (so Müller-Dott, Steuerberaterjahrbuch 1985/86, 311, 317) Berücksichtigung finden.
2. Das FG-Urteil weicht ―entgegen der Auffassung der Klägerin― auch nicht vom Urteil des BFH in BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235 ab. Das FG hat vielmehr die Rechtsprechungsgrundsätze, die auch dem BFH-Urteil in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251 ff. zugrunde liegen, konsequent angewendet und den Aufwand der Klägerin für die Verwaltung ihrer Beteiligungen und die Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften nicht als Korrekturposten berücksichtigt. Aus denselben Gründen ist ein schwerwiegender offensichtlicher Fehler des FG nicht gegeben.
3. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde ferner auf Verfahrensmängel stützt, ist diese unzulässig, da die Klägerin solche Mängel nicht schlüssig dargelegt hat.
Soweit die Klägerin rügt, das FG habe den Inhalt ihrer Tätigkeiten für "strategische Überlegungen, Zukunftsplanungen und Wirtschaftlichkeitsstudien" nicht genügend aufgeklärt, insbesondere nicht geprüft, wie weit diese Tätigkeiten inhaltlich dem Halten, Verwalten und Koordinieren von Beteiligungsgesellschaften entsprächen, wird im Ergebnis keine unvollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, sondern lediglich eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung, nämlich die nach Auffassung der Klägerin fehlerhafte Gleichsetzung dieser Tätigkeiten mit dem "Halten, Verwalten und Koordinieren von Beteiligungsgesellschaften" gerügt. Eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung stellt jedoch keinen Verfahrensmangel, sondern eine fehlerhafte Rechtsanwendung dar, die als solche keinen Zulassungsgrund darstellt.
Soweit die Klägerin darüber hinaus rügt, das FG habe den Anteil der Kosten, der nicht auf das Halten, Verwalten und Koordinieren von Beteiligungsgesellschaften entfiele, verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt, genügen die Ausführungen ebenfalls nicht den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Klägerin hätte insoweit u.a. darlegen müssen, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Das ist nicht geschehen. Vielmehr trägt die Klägerin selbst vor, bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht wäre das FG zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei der Konzerngeschäftsleitung um eine einheitliche, nicht aufteilbare Tätigkeit handelt. Gerade hiervon geht aber auch das FG aus, soweit es ausführt, ein neben dem steuerlich unbeachtlichen Bereich des Haltens, Verwaltens und Koordinierens "nicht erfasster Rest" lasse sich nicht abgrenzen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis hätte die ―von der Klägerin als verfahrensfehlerhaft unterlassen gerügte― weitere Aufklärung des Sachverhalts durch das FG zu keiner anderen Entscheidung führen können.
Fundstellen
Haufe-Index 938351 |
BFH/NV 2003, 888 |