Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschaler Streitwert für Umqualifizierung von Arbeitslohn in Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Leitsatz (NV)
1. Der Streitwert eines Rechtsstreits über die Umqualifizierung von Arbeitslohn in Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist pauschal mit 500 € anzusetzen.
2. Mit der Kostenerinnerung kann nicht erfolgreich geltend gemacht werden, die Kostenquote sei wegen der Zugrundelegung unzutreffender Streitwerte falsch ermittelt worden.
Normenkette
GKG § 5 Abs. 1, § 14 Abs. 1 S. 1; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Erinnerungsführerin (Erinnerungsführerin) war Revisionsklägerin in dem Verfahren VIII R 40/03. Mit der Revision wurde geltend gemacht, der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1990 sei dahin zu ändern, dass die Einkünfte um eine zu Unrecht erfasste Sondervergütung von 764 820 DM und um eine zu Unrecht rückgängig gemachte Zuführung zu einer Pensionsrückstellung von 244 706 DM zu mindern seien. Während des Revisionsverfahrens erging am 15. Januar 2004 ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid, mit dem ein Teil der Zuführung zur Pensionsrückstellung von 188 110 DM anerkannt wurde. Der Bescheid wurde zum Gegenstand des Verfahrens.
Der seinerzeit zuständige VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) erließ zunächst einen Gerichtsbescheid. Nachdem ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden war, hob der VIII. Senat durch Urteil vom 14. Februar 2006 VIII R 40/03 (BFHE 212, 270) das angefochtene Urteil des Finanzgerichts --FG-- (aus verfahrensrechtlichen Gründen) auf und wies die Klage ab. Die Kosten des gesamten Verfahrens bis zum Erlass des Änderungsbescheids haben danach die Erinnerungsführerin zu 81 % und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu 19 % zu tragen. Die weiter bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens angefallenen Kosten wurden der Erinnerungsführerin allein auferlegt.
Mit Kostenrechnung vom 19. April 2006 KostL 504/06 setzte die Kostenstelle des BFH Kosten in Höhe von 7 662,70 € fest. Dem lag der Ansatz von 81 % der Verfahrensgebühr nach einem Streitwert von 258 803 € (= 2 844,72 €) und jeweils einer Gebühr gemäß Nr. 3133 und 3134 des Kostenverzeichnisses nach Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in dessen Fassung vor Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 --GKG a.F.-- (BGBl I 2004, 718) nach einem Streitwert von 209 991 € (jeweils 2 409 €) zugrunde.
Mit der Erinnerung machte die Erinnerungsführerin geltend, der Streitwert für die Umqualifizierung von Arbeitslohn in gewerbliche Einkünfte sei nur mit 1 % der Einkünfte anzusetzen.
Daraufhin erließ die Kostenstelle am 19. Juli 2006 eine geänderte Kostenrechnung über 1 626,70 €. Diese beruhte auf dem Ansatz eines Streitwerts von (jeweils) 500 € für die Sondervergütung sowie 62 558,09 € für die Zuführung zur Pensionsrückstellung bis zum Erlass des Änderungsbescheids und 14 468,53 € für die Zeit danach. Diese Streitwerte hatte die Kostenstelle durch Ansatz von 50 % des jeweils streitigen Gewinns ermittelt. Somit ergab sich eine Verfahrensgebühr nach einem Streitwert von 63 058,09 € in Höhe von 1 112 €, von der der Erinnerungsführerin 81 % zugerechnet wurden (= 900,72 €). Die Gebühren nach Kostenverzeichnis Nr. 3133 und 3134 wurden nach einem Streitwert von 14 968,53 € mit jeweils 363 € bemessen.
Hiergegen erhob die Erinnerungsführerin erneut Erinnerung. Sie begehrte, die Verfahrensgebühr nur mit 363 € zu bemessen, weil sie zu mehr als 19 % obsiegt habe, und die Gebühr nach Kostenverzeichnis Nr. 3133 für den Gerichtsbescheid entfallen zu lassen, weil sie keinen Gerichtsbescheid beantragt habe und der Gerichtsbescheid durch das Urteil ersetzt worden sei.
Daraufhin hob die Kostenstelle die geänderte Kostenrechnung vom 19. Juli 2006 wieder auf, um dem Senat die Erinnerung zur Entscheidung vorzulegen.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß, die Kostenrechnung vom 19. April 2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass Kosten in Höhe von 726 € angesetzt werden.
Die Vertreterin der Staatskasse (Erinnerungsgegnerin) beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung ist begründet. Sie führt zur Herabsetzung der Kosten auf 1 626,70 €.
1. a) Für die Erinnerung sind die Vorschriften des GKG a.F. maßgebend. Die Neuregelung gilt erstmals für Rechtsmittel, die nach dem 30. Juni 2004 anhängig geworden sind (§ 72 Nr. 1 GKG n.F.). Die Revision ist im Jahr 2003 eingelegt worden.
b) Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ist die Kostenrechnung vom 19. April 2006, da die im Lauf des Erinnerungsverfahrens geänderte Kostenrechnung vom 19. Juli 2006 wieder aufgehoben wurde.
2. Die Kostenstelle des BFH ist bei der ursprünglichen Kostenrechnung von einem zu hohen Streitwert ausgegangen. Die korrigierte Streitwertberechnung, die dem nun wieder aufgehobenen Änderungsbescheid zugrunde lag, war hingegen zutreffend.
a) Der Streitwert richtet sich im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 14 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.).
Im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung bemisst sich der Streitwert nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Gesellschafter. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist diese grundsätzlich mit 25 % des streitigen Gewinns oder Verlustes zu bemessen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2006 VIII B 177/05, BStBl II 2007, 54, m.w.N.). Ergibt sich bei überschlägiger Berechnung infolge der Höhe des Gewinns ein deutlich höherer Durchschnittssteuersatz als 25 %, ist ein höherer Satz für die Bemessung des Streitwerts heranzuziehen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 23. Februar 1978 IV E 1/78, BFHE 125, 7, BStBl II 1978, 409; auch Senatsurteil vom 11. März 1982 IV R 46/79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 135 Rz 35 "Einheitliche Gewinnfeststellung"). Bei der Höhe der Gewinnanteile der beiden Gesellschafter der Erinnerungsführerin von 400 000 DM und über 500 000 DM ist anzunehmen, dass sich der Durchschnittssteuersatz dem Spitzensteuersatz von seinerzeit 53 % nähert. Dementsprechend erscheint der Höchstsatz von 50 % angemessen.
b) Nicht angemessen erscheint eine derartige Bemessung allerdings, soweit sich der Rechtsstreit auf die Umqualifizierung von Sondervergütungen in Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beschränkt. In diesem Fall haben die Einkünfte --wenn auch unter anderer Qualifikation-- bereits der Besteuerung unterlegen. Der Streitwert ergibt sich dann nur aus dem Betrag, um den sich die Einkommensteuer wegen der unterschiedlichen Einkunftsermittlung oder der Berücksichtigung von Freibeträgen mindern würde. Für die Umqualifizierung von Arbeitslohn in Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist der Streitwert danach allein aus den Freibeträgen für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu errechnen. Der BFH hat sich in der Vergangenheit für eine pauschale Ermittlung des Betrags entschieden; der beschließende Senat hält daran fest (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1972 I R 174/68, BFHE 104, 499, BStBl II 1972, 428, und vom 31. Juli 1985 VIII R 294/82, BFH/NV 1986, 347). Dem Senat erscheint der von Gräber/Ruban (a.a.O., Vor § 135 Rz 35 "Einheitliche Gewinnfeststellung") vorgeschlagene Pauschalbetrag von 500 € angemessen.
c) Danach war der Streitwert für die umqualifizierte Sondervergütung pauschal mit 500 € anzusetzen.
Diese Pauschale betrifft aber nicht die Zuführung zur Pensionsrückstellung. Denn der betreffende Betrag ist anders als die Sondervergütung noch nicht der Einkommensteuer unterworfen worden. Demzufolge ist insoweit die allgemeine Pauschalierungsregel anzuwenden und der Streitwert mit 50 % der Gewinnminderung zu bemessen. Der Streitwert beträgt danach vor Erlass des Abhilfebescheids insgesamt 63 058,09 € und danach 14 968,53 €.
3. Die Erinnerungsführerin beanstandet zu Unrecht die Berechnung der Gebühr nach Kostenverzeichnis Nr. 3133. Erlässt der BFH einen Gerichtsbescheid, fällt nach Kostenverzeichnis Nr. 3133 eine 1,5fache Gebühr an. Wird der Gerichtsbescheid angefochten und ergeht anschließend ein Urteil, wird nach Nr. 3134 des Kostenverzeichnisses eine weitere 1,5fache Gebühr erhoben. Hätte der BFH indessen unmittelbar durch Urteil entschieden, wäre nach Nr. 3135 des Kostenverzeichnisses eine 3,0fache Gebühr zu erheben. In der Summe ergibt sich danach kein Unterschied der Gebühren für ein sofortiges Urteil und ein Urteil nach Gerichtsbescheid.
4. Mit dem Vorbringen, die Kostenquote sei fehlerhaft ermittelt worden, kann ein Kostenschuldner im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. Februar 2000 II E 3/99, II E 4/99, BFH/NV 2000, 964; Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 135 Rz 17). Denn die Quote für die Kostenteilung bei teilweisem Obsiegen ergibt sich aus der Kostengrundentscheidung im Urteil. Dieses ist rechtskräftig und kann nicht geändert werden, selbst wenn bei der Ermittlung der Kostenquote von unzutreffenden Streitwerten ausgegangen worden sein sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 1722471 |
BFH/NV 2007, 1166 |