Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Zulassung der Beschwerde im Aussetzungsverfahren ist nicht möglich
Leitsatz (NV)
Die Beschwerde gegen den Beschluß durch den das FG über die Aussetzung der Vollziehung entschieden hat, ist nur zulässig, wenn sie das FG im Beschluß selbst zugelassen hat. Der nachträgliche Zulassungsbeschluß des FG unter Hinweis auf § 107 Abs. 1 FGO ist ohne Wirkung.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; FGO § 107 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Festsetzung einer Referenzmenge. Das FG lehnte den Antrag im Beschluß vom 12. Dezember 1984 mit der Begründung ab, der Antrag des Antragstellers könne nicht im Finanzrechtsweg verfolgt werden. Über eine etwaige Zulassung der Beschwerde (vgl. Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG) ist aus dem Text des Beschlusses nichts ersichtlich. Dem Beschluß ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, in der es heißt, daß gegen den Beschluß den Beteiligten die Beschwerde zustehe. Mit Beschluß vom 15. Februar 1985 ergänzte das FG den Tenor seines Beschlusses vom 12. Dezember 1984 wie folgt: ,,Die Beschwerde wird zugelassen." Zur Begründung führte das FG aus: Der Tenor des Beschlusses vom 12. Dezember 1984 enthalte nicht den Satz, dieser Beschluß sei unanfechtbar. Dem Beschluß sei aber eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt worden. Danach sei offensichtlich, daß der Senat die Beschwerde zugelassen habe, ohne daß dies im Tenor des Beschlusses selbst zum Ausdruck gekommen sei. Da dies auf einem offenbaren Versehen beruhe, sei der Tenor nach § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berichtigen gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.
Nach Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG steht den Beteiligten gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie ,,in dem Beschluß" zugelassen worden ist. Der Antragsteller hat im vorliegenden Fall vor dem FG die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO beantragt. Die Vorentscheidung ist daher als ,,Beschluß des Finanzgerichts nach § 69 Abs. 3 FGO" i.S. von Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG anzusehen. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß das FG auf mit § 69 Abs. 3 FGO zusammenhängende Rechtsfragen nicht näher eingegangen ist, sondern nur die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den FG entschieden hat. Die Beschwerde des Antragstellers ist daher nur zulässig, wenn sie ,,in dem Beschluß" zugelassen worden ist. Das ist aber nicht der Fall.
Weder der Tenor des Beschlusses noch dessen Gründe enthalten Ausführungen zur Zulassung der Beschwerde. Auch die Rechtsmittelbelehrung sagt nichts über deren Zulassung, sondern enthält lediglich die Standardformulierung für Fälle, in denen eine Beschwerde grundsätzlich statthaft ist. Überdies ist die Rechtsmittelbelehrung nicht Teil des Beschlusses selbst. Selbst wenn also in ihr eine Zulassung der Beschwerde zu sehen sein sollte, ist diese jedenfalls nicht im Beschluß selbst enthalten gewesen.
Der Beschluß des FG vom 15. Februar 1985 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Dieser Beschluß entbehrt nämlich der Rechtsgrundlage. Nach § 107 Abs. 1 FGO kann das Gericht nur Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil berichtigen. Eine solche Unrichtigkeit liegt hier nicht vor. Aus der Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung nach dem Formblatt ,,Rechtsmittelbelehrung für allgemeinen Beschluß" ist nicht zwangsläufig darauf zu schließen, daß das FG den Willen hatte, die Beschwerde zuzulassen. Falls der Beschluß überhaupt insoweit eine Unrichtigkeit aufweist, ist diese jedenfalls nicht offenbar i.S. des § 107 Abs. 1 FGO.
Wie der erkennende Senat im Beschluß vom 20. Juni 1978 VII B 45/77 (BFHE 125, 150, BStBl II 1978, 434) entschieden hat, kann gegen einen Beschluß nach § 69 Abs. 3 FGO das FG die Beschwerde nicht nachträglich zulassen, wenn es in dem Beschluß erklärt hat, daß dieser unanfechtbar sei. Das gleiche muß, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG ergibt, auch für den Fall gelten, daß es an einer ausdrücklichen Erklärung der Unanfechtbarkeit fehlt. Um Unklarheit über den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der anzufechtenden Entscheidung zu vermeiden, schreibt Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG ausdrücklich vor, daß die Zulassung im Beschluß selbst zu erfolgen hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschluß des FG vom 15. Februar 1985 dahin gewertet werden kann, daß das FG damit die Beschwerde nachträglich zugelassen hat. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH ist das Revisionsgericht an eine gesetzeswidrige Zulassung der Beschwerde nicht gebunden, wenn sie offensichtlich gegen das Gesetz verstößt (vgl. BFHE 125, 150, BStBl II 1978, 434). Ist der genannte Beschluß als nachträgliche Zulassung der Beschwerde zu werten, so ist diese jedenfalls offensichtlich gesetzeswidrig.
Auch aus der dem angefochtenen Beschluß beigefügten (fehlerhaften) Rechtsmittelbelehrung ergibt sich nicht die Zulässigkeit der Beschwerde. Eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung hat nur Einfluß auf den Lauf der Rechtsmittelfrist (vgl. § 55 Abs. 1 FGO; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 55 FGO Anm. 3).
Die Beschwerde ist unzulässig, ohne daß die Prüfung der Frage möglich ist, ob das FG den Finanzrechtsweg zu Recht nicht für gegeben erachtet hat (vgl. dazu den Beschluß des Senats von heute VII R 12/85, zur Veröffentlichung bestimmt - für die Beteiligten dieses Verfahrens ist je ein neutralisierter Abdruck beigefügt -, in dem der Senat entschieden hat, daß für Streitigkeiten über die Festsetzung von Milch-Referenzmengen i.S. von § 4 der Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 25. Mai 1984 der Finanzrechtsweg eröffnet ist). Die vorliegende Entscheidung hindert den Antragsteller nicht, erneut einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 413889 |
BFH/NV 1986, 106 |