Leitsatz (amtlich)
Beteiligte, die sich im finanzgerichtlichen Verfahren nicht durch einen Bevollmächtigten i. S. des § 139 Abs. 3 FGO vertreten lassen, haben, sofern sie selbst nicht zu diesem Personenkreis gehören, keinen Anspruch darauf, daß ihnen in entsprechender Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO Gebühren nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte als notwendige Aufwendungen erstattet werden.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 1, 3, § 155; ZPO § 91 Abs. 2 S. 4
Tatbestand
In einem zwischen den Beteiligten anhängigen Rechtsstreit wegen Grunderwerbsteuer hatte der BFH, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten und Beschwerdegegner (FA) auferlegt. Der Kläger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) war im Rechtsstreit nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Mit seinem Kostenfestsetzungsgesuch machte der Beschwerdeführer als erstattungsfähige Kosten u. a. die gesetzlichen Gebühren geltend, die entstanden wären, wenn er sich durch einen zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Bevollmächtigten hätte vertreten lassen. Er verlangte weiter die Erstattung eines Tagessatzes gemäß Tabelle für den Arbeitszeitausfall. Der Rechtspfleger setzte durch Kostenfestsetzungsbeschluß weitere vom Beschwerdeführer geltend gemachte Kosten als erstattungsfähig fest. Die beanspruchten Gebühren eines Bevollmächtigten sah er nicht als erstattungsfähig an.
Das FG gab der vom Beschwerdeführer eingelegten Erinnerung nur insoweit statt, als es entschied, daß die nach dem Kostenfestsetzungsbeschluß zu erstattenden Kosten mit 4 % zu verzinsen sind. Den weitergehenden Antrag des Beschwerdeführers wies es zurück; die Beschwerde ließ es zu.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 19. September 1975, die sich dagegen wendet, daß er im Wege der Kostenerstattung keine Entschädigung für seine eigene Arbeitsleistung erhalten habe. Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im Kostenfestsetzungsgesuch sowie im Erinnerungsschreiben trägt er vor, daß es sich bei den für den Einspruch, die Klage und die Revision beanspruchten Gebühren um die gesetzlich vorgesehenen Gebühren eines Bevollmächtigten handle, auf dessen Zuziehung er wegen Eigenerwerbs der nötigen Kenntnisse verzichtet habe. Diese durch eigene Leistung eingesparten Kosten eines Bevollmächtigten seien keine fingierten, sondern vermiedene Kosten. Die eigene Leistung müsse in mindestens der Höhe erstattet werden, wie ein Bevollmächtigter nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte zu entschädigen wäre, wenn er sich in eigener Sache selbst vertreten hätte. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, wenn nur der Bevollmächtigte und nicht auch eine Privatperson für die gleiche erbrachte Eigenleistung durch Zuerkennung von Gebühren eine Entschädigung erhielt. § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO sei, soweit er so ausgelegt werde, daß nur einem in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, verfassungswidrig.
Der Beschwerdeführer führt weiter aus, daß sein durch Arbeit und Zeit eingetretener Vermögensverlust eine ihm durch das FA aufgezwungene Aufwendung darstelle, die ohne das Fehlverhalten des FA nicht hätte erbracht werden müssen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat es zu Recht abgelehnt, den Beschwerdeführer hinsichtlich der geltend gemachten Gebühren so zu behandeln, als ob er im Klageverfahren bzw. im Revisionsverfahren durch einen der in § 139 Abs. 3 FGO aufgeführten Bevollmächtigten vertreten worden wäre. Gemäß § 139 Abs. 1 FGO gehören zu den Kosten (neben den hier nicht in Betracht kommenden Gerichtskosten) auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Unter Anwendung dieser Vorschrift hat der Rechtspfleger in seinem Kostenfestsetzungsbeschluß diejenigen Aufwendungen als erstattungsfähig anerkannt, die der Beschwerdeführer tatsächlich erbracht hat (Anschaffung von Fachliteratur, Reisekosten, Tage- und Übernachtungsgelder, Unkostenpauschale für Porto etc.). § 139 Abs. 1 Satz 1 FGO gestattet es aber nicht, auch nicht entstandene und deshalb vom Beschwerdeführer nicht bezahlte Gebühren nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte als notwendige Aufwendungen anzusehen. Dem steht schon der Wortlaut dieser Vorschrift, die sich mit Kosten und Aufwendungen befaßt, entgegen. Wenn gemäß § 139 Abs. 3 FGO gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten stets erstattungsfähig sind, setzt dies begriffsnotwendig voraus, daß sie dem Erstattungsberechtigten als Aufwendungen tatsächlich entstanden sind. Ersparte und damit rein fiktive Gebühren, die der Beschwerdeführer, wie er selbst vorträgt, wegen des vorauszusehenden Kostenrisikos gerade nicht hat zur Entstehung kommen lassen, sind keine Aufwendungen i. S. des § 139 Abs. 1 FGO.
Fehl geht auch die Auffassung des Beschwerdeführers, er müsse, was die von ihm erbrachte eigene Leistung betreffe, eine Vergütung mindestens in der Höhe erhalten, wie sie einem Steuerberater oder Rechtsanwalt zu zahlen wäre, wenn diese in eigener Sache tätig werden. § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist zwar, wie der Senat mit Beschluß vom 2. November 1971 VII B 161/69 (BFHE 103, 314, BStBl II 1972, 94) entschieden hat, gemäß § 155 i. V. m. § 139 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß anwendbar. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, bedeutet diese sinngemäße Anwendbarkeit aber nicht, daß auch andere Personen als in eigener Sache tätige Rechtsanwälte und Angehörige der steuerberatenden Berufe gemäß § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO die Erstattung von Gebühren nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte verlangen können. Die letztere Vorschrift wäre dann überflüssig.
Die Auffassung des Beschwerdeführers läßt sich auch mit Sinn und Zweck, der mit § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO verfolgt wird, nicht vereinbaren. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, daß der Rechtsanwalt für die bei der Erledigung eigener Angelegenheiten in seinem Beruf geleistete Arbeit die gesetzlich vorgesehenen Gebühren erhält und die Gegenpartei nicht deshalb besser gestellt werden soll, daß der Rechtsanwalt von der Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts abgesehen hat (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1968 VII B 10/67, BFHE 94, 113, BStBl II 1969, 81). Auf den Beschwerdeführer als in einem anderen Beruf tätigen Kaufmann treffen diese Überlegungen nicht zu.
Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG in dieser unterschiedlichen Behandlung von Rechtsanwälten bzw. Bevollmächtigten i. S. des § 139 Abs. 3 FGO und anderen Beteiligten, sofern beide Personengruppen in eigener Sache tätig werden, keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG gesehen hat. Der Senat tritt den sich mit dieser Frage befassenden Ausführungen des FG, bei denen es sich in nicht zu beanstandender Weise auf mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts gestützt hat (BVerfGE 1, 14; 14, 221; 17, 210), bei.
Fundstellen
Haufe-Index 72078 |
BStBl II 1977, 615 |
BFHE 1978, 24 |