Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Verfahrensmangel, mangelnde gesetzliche Vertretung wegen fehlerhafter Ladung
Leitsatz (NV)
Die Postzustellungsurkunde erbringt den vollen Beweis für darin bezeugte Tatsachen, d.h. auch darüber, dass der Empfänger in der vorgeschriebenen Weise unter der genannten Adresse benachrichtigt worden ist.
Normenkette
FGO § 91 Abs. 2, § 119 Nr. 4, § 116 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3; ZPO § 418 Abs. 1
Gründe
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Auch unter Berücksichtigung der im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsätze, entspricht die Begründung nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat ihre Rüge, sie sei gemäß § 119 Nr. 4 FGO im Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen, nicht schlüssig erhoben. Ihr Vorbringen ―als wahr unterstellt― ergibt keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
1. Ein Beteiligter ist dann in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten (§ 119 Nr. 4 FGO), wenn das Gericht bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch die Teilnahme unmöglich gemacht hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Oktober 2000 VIII R 22/00, BFH/NV 2001, 466, m.w.N.). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Beteiligter nicht ordnungsgemäß geladen worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juni 1994 VIII R 79/93, BFH/NV 1995, 225, m.w.N.).
2. Die Klägerin hat innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist lediglich vorgetragen, die Ladung für den Termin hätten weder sie noch ihre Eltern erhalten. Damit ist der Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 4 FGO nicht schlüssig dargelegt. Ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. Bestätigt wird dies durch die Postzustellungsurkunden, nach denen der Postbedienstet beide Ladungen für die Prozessbevollmächtigten am 18. Juni 2002 im verschlossenen Umschlag beim Postamt X niedergelegt und die Benachrichtigungen über die Niederlegung ―wie bei gewöhnlichen Briefen üblich― in den Hausbriefkasten eingelegt hat. Demnach sind die Eltern der Klägerin ordnungsgemäß und fristgerecht zur mündlichen Verhandlung geladen worden.
Der Beweis für den Zustellungsvorgang durch die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde i.S. von § 418 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann durch die bloße Behauptung der Klägerin, bis zur Urteilszustellung hätten weder sie noch ihre Eltern Kenntnis von der Zustellung der Ladung erlangt, nicht entkräftet werden (BFH-Beschluss vom 21. August 2002 VIII B 58/02, BFH/NV 2003, 176). Hierzu wäre es erforderlich gewesen, einen anderen Geschehensablauf substantiiert darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin hat jedoch keine Umstände dargestellt, die ein Fehlverhalten des Postbediensteten bei der Zustellung und damit eine falsche Beurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1996 IX R 5/96, BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638).
Die nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgetragenen Tatsachen können nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen könnten auch diese den Verfahrensmangel nicht begründen. Da nach den Angaben in der Postzustellungsurkunde die Benachrichtigungen über die Niederlegung in den Hausbriefkasten in X eingelegt und nicht nach Y nachgesandt wurden, ist die von der Klägerin erörterte Möglichkeit, dass Hausgenossen in Y die Benachrichtigung fortgeworfen haben könnten, nicht gegeben. Gegen diesen Geschehensablauf spricht auch, dass ausweislich des eingereichten Schriftsatzes der Vater der Klägerin nur für dienstags und freitags um die Übersendung der Post nach Y gebeten hat.
Das Finanzgericht (FG) durfte somit davon ausgehen, dass die Ladungen, die den nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Hinweis auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben der Beteiligten enthielten, den Eltern der Klägerin unter Einhaltung der Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 FGO ordnungsgemäß durch Niederlegung zugestellt worden waren. Für das FG bestand keine Veranlassung, vor der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits nachzuforschen, ob die Eltern die Ladungen erhalten und rechtzeitig zur Kenntnis genommen hatten (BFH-Beschluss in BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638, m.w.N.). Im Streitfall lagen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die möglicherweise eine Nachfrage bei der Post zur Abholung der Ladungen oder bei den Prozessbevollmächtigten persönlich geboten hätten. Das persönliche Erscheinen der Klägerin war auch nicht angeordnet worden.
Fundstellen
Haufe-Index 958720 |
BFH/NV 2003, 1207 |