Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründungstatsachen zum Wiedereinsetzungsantrag; berichtigter Tagesvermerk auf der Sendung
Leitsatz (NV)
1. Alle Tatsachen, aus denen sich eine schuldlose Verhinderung an der Fristeinhaltung (hier: infolge Büroversehens) ergeben soll, sind innerhalb der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung darzulegen.
2. Eine Korrektur des auf der Sendung versehentlich mit dem Vortagsdatum bezeichneten Zustellungstages macht die Zustellung mit Postzustellungsurkunde nicht unwirksam.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2; VwZG § 3 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Das FG hatte ein Richterablehnungsgesuch des Klägers als unbegründet abgelehnt; der Beschluß des FG ist dem Proz.-Bev. des Klägers am Freitag, dem 13. Oktober 1983, mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Am Montag, den 31. Oktober 1985, legte der Kläger mittels Fernkopie, die an diesem Tage um 17.55 Uhr abgesandt worden war, in Eilzustellung beim FG Beschwerde ein. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Verspätung der Beschwerde beantragte der Proz.-Bev. innerhalb zweier Wochen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er entschuldigte sich mit einem Versehen einer Büroangestellten und legte dar, daß er die Beschwerdeschrift am Freitag, dem 28. Oktober 1983, vor Mittag unterschrieben und seiner Büroangestellten B. mit dem Auftrag übergeben habe, die Schrift durch Fernkopie bis 18.00 Uhr beim Postamt K. . . aufzugeben. Dabei habe er die Angestellte auf den Fristablauf an diesem Tage aufmerksam gemacht.
Hierzu legte er eine schriftliche Erklärung der Angestellten B. vor. Diese bestätigte die Darlegung und erläuterte selbst die verspätete Absendung am 31. Oktober 1983 damit, daß sie die Beschwerdeschrift in ihre Tasche gelegt habe, mit der sie an diesem Freitag gegen 16.00 Uhr einkaufen gegangen sei. Sie habe die fristgerechte Aufgabe am Freitag vergessen. Erst am Montag bei ihrem nächsten Einkauf habe sie den Brief in der Tasche festgestellt und daraufhin sofort aufgegeben. - Der Kläger bestritt im übrigen, daß wegen eines vom Postzusteller berichtend überschriebenen Tagesvermerks auf dem Umschlag des FG-Beschlusses die Frist in Lauf gesetzt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Das Rechtsmittel ist beim FG nicht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung des FG eingelegt worden (§ 129 Abs. 1 FGO; vgl. Zwischenurteil des BFH vom 10. März 1982 I R 91/81, BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573). Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet.
Die zweiwöchige Frist für die Einlegung der vorliegenden Beschwerde lief am Freitag, dem 28. Oktober 1983, ab (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO, §§ 128, 129 Abs. 1, § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Einlegungsfrist begann mit der Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses, der mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen ist (vgl. § 55 FGO), an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers (§ 54 Abs. 1 FGO). Diese Bekanntgabe wurde durch Zustellung des Beschlusses am Freitag, dem 14. Oktober 1983, bewirkt.
Der Beschluß des FG ist ordnungsgemäß nach den Vorschriften des VwZG zugestellt worden (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. §§ 2 und 3 VwZG und § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die gegenteilige Auffassung des Klägers, daß wegen fehlerhafter Zustellung die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt worden sei, steht mit dem urkundlich bewiesenen tatsächlichen Ablauf in Widerspruch. Die Zustellung durch die Post ist einwandfrei für den angegebenen Tag an die Ehefrau des Prozeßbevollmächtigten beurkundet worden, wie die am 14. Oktober 1983 darüber aufgenommene und im Original vorgelegte PZU beweist. Der Empfänger hat die Zustellung an diesem Tag auch nicht bestritten, sondern selbst seiner Berechnung der Einlegungsfrist zugrunde gelegt.
Der Postbedienstete hatte sich zwar offensichtlich zunächst versehen und daher zuerst auf der Sendung selbst das Vortagsdatum vermerkt. Er bemerkte dies aber offenbar auf der Stelle, da er die Tageszahl vor Übergabe der Sendung berichtigt vermerkte. Wenn die Berichtigung anstatt durch Übermalen besser mittels lesbar lassendes Durchstreichen und Danebensetzen der Tageszahl hätte geschehen können, so verursachte dieses Vorgehen nach dem Schrifteindruck - selbst nach dem Vortrag des Klägers - keine Zweifel über den Zustellungstag. Der auf der Sendung eindeutig lesbare Vermerk belegt wie die unbestritten vollständige und richtige PZU selbst eindeutig als Zustellungstag zutreffend den 14. Oktober 1983.
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert an unzureichender Darlegung und Glaubhaftmachung von Begründungstatsachen. Nach § 56 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag die Wiedereinsetzung zu gewähren, wobei in der Antragsfrist alle begründenden Tatsachen mitzuteilen sind, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll.
Der Kläger hätte darzulegen gehabt, daß der Prozeßbevollmächtigte die Frist bei Bearbeitung wie bei Versendung überwiegend wahrscheinlich nicht infolge eines von ihm verschuldeten Organisationsmangels versäumt hat. Ein solches Verschulden, das sich der Kläger zurechnen lassen muß (§ 155 FGO, § 85 Abs. 2 ZPO), kann darin bestehen, daß sowohl der Ablauf von Fristen wie auch der Ausgang von Schriftstücken nicht ordnungsgemäß überwacht wurden (Organisationsmangel; Beschlüsse des BFH vom 7. Dezember 1982 VIII R 77/79, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229, und vom 18. Januar 1984 I R 196/83, BFHE 140, 146, BStBl II 1984, 441). Ein Prozeßbevollmächtigter ist verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, daß Fristversäumnisse ausgeschlossen sind.
Über derartige organisatorische Maßnahmen enthält die Antragsbegründung keine Darlegungen und auch solche nicht, aus denen auf die sorgfältige Einhaltung aller üblichen Vorkehrungen auch im Streitfall geschlossen werden könnte. Der Vortrag läßt insbesondere offen, ob die ausgewählte Angestellte B. für diesen Auftrag hinreichend ausgebildet und zuverlässig war. Ihr nach der Begründung fahrlässig pflichtwidriges Verhalten hat der Prozeßbevollmächtigte nicht infolge eigener Kontrollvorkehrungen selbst, sondern erst nach Wochen auf die gerichtliche Mitteilung hin aufgedeckt.
Fundstellen
Haufe-Index 414164 |
BFH/NV 1986, 224 |