Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung von Beschwerdeverfahren
Leitsatz (NV)
Nachdem das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen in Zwischenvermietungssachen nicht zur Entscheidung angenommen hat, besteht kein Grund mehr, die Entscheidung über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in vergleichbaren Streitfällen auszusetzen.
Normenkette
FGO § 74
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb im Rahmen eines Bauherrenmodells eine Eigentumswohnung mit Tiefgarage und vermietete sie an einen gewerblichen Zwischenmieter. Dieser vermietete die bezeichnete Wohnung an den Wohnungsmieter. Mit den angefochtenen, gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1983 bis 1985 verweigerte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) den ursprünglich gewährten Abzug der für die Herstellung der Wohnung berechneten Vorsteuerbeträge. Das FA wies die dagegen eingelegten Einsprüche mit der Einspruchsentscheidung vom 18. November 1991 unter Hinweis auf Abschn. 2 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 27. Juni 1981 (BStBl I 1983, 347) zurück, weil das Mietausfallrisiko wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Zwischenvermieters, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden war, nicht auf die Klägerin übergegangen sei.
Die Klage gegen die bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheide 1983 bis 1985 hatte keinen Erfolg. Das Zwischenmietverhältnis, so führte das Finanzgericht (FG) zur Begründung u. a. aus, erfülle den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs gemäß § 42 AO 1977 und könne für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs nicht beachtet werden. Die zur Rechtfertigung für die Zwischenvermietung von der Klägerin angegebenen Gründe (Vermietung für einen über der Marktmiete liegenden Mietzins, Zeitersparnis bei der Verwaltungsarbeit, Unkenntnis von der Vermögenslage des Zwischenvermieters) reichten nach der jeweils näher bezeichneten Rechtsprechung des Bundes finanzhofs (BFH) nicht aus, um die Gestaltung anzuerkennen.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Vorentscheidung beruhe auf einem Verfahrensmangel, weil das FG das Schreiben des BMF vom 8. August 1988 (BStBl I 1988, 322) übersehen habe. Danach -- so führt die Klägerin weiter aus -- sei die zur umsatzsteuerrechtlichen Anerkennung von Zwischenmietverhältnissen seit Ende 1986 ergangene Rechtsprechung des BFH, soweit sie zu einer Verschärfung der Besteuerung gegenüber den getroffenen Verwaltungsregelungen und der darauf beruhenden Verwaltungspraxis führen würde, erst auf Zwischenmietverhältnisse anzuwenden, die nach dem 31. August 1987 begründet worden seien.
Die Klägerin beantragt Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die unter dem Aktenzeichen 2 BvR 1156/91 gegen den Beschluß des BFH vom 27. Juni 1991 V B 117/90 (BFH/NV 1992, 278) anhängige Verfassungsbeschwerde und Zulassung der Revision.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Der Senat braucht das Verfahren nicht nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen der bezeichneten Verfassungsbeschwerde beim BVerfG auszusetzen. Nach § 74 FGO kann das Gericht das Verfahren u. a. aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die Bestimmung ist im Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Ein anhängiges Musterverfahren vor dem BVerfG ist ein berechtigter Grund für die Aussetzung eines Verfahrens nur dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit einer entscheidungserheblichen gesetzlichen Regelung (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641) angegriffen wird und das BVerfG darüber nach § 31 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) mit Bindungswirkung entscheidet. Dagegen ist § 74 FGO auch nicht entsprechend anwendbar, wenn -- wie im vorliegenden Verfahren -- der Vorwurf der verfassungswidrigen Anwendung einer an sich verfassungsgemäßen Norm durch die Gerichte erhoben wird (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408). Mit dieser Begründung hat der Senat in einem vergleichbaren Verfahren durch Beschluß vom 25. November 1993 V B 120/93, BFH/NV 1995, 361, einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1156/91 abgelehnt. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung (V B 120/93) durch Beschluß vom 5. August 1994 1 BvR 351/94 nicht zur Entscheidung angenommen. Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Senats in Zwischenvermietungssachen hat das BVerfG durch Beschlüsse vom 13. Juli 1994 2 BvR 1802/93 gegen den Beschluß des Senats vom 3. Mai 1993 V B 164/92 (BFH/NV 1994, 551) und vom 13. Juli 1994 2 BvR 1643/90 gegen das Urteil des Senats vom 20. September 1990 V R 113/85 (BFH/NV 1992, 848) nicht zur Entscheidung angenommen.
3. Die Beschwerde ist nicht zulässig. Die Klägerin hat keinen Verfahrensmangel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in der dafür geforderten Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) bezeichnet, der die Zulassung der Revision gegen die Vorentscheidung rechtfertigt.
a) Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels setzt voraus, daß in der Beschwerdebegründung schlüssig ein Verstoß des FG gegen die rechtmäßige Anwendung von Prozeßrecht bezeichnet wird. Einer Zulassungsrüge sind nur diejenigen Fehler zugänglich, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, daß es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Entscheidung fehlt (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschluß vom 10. November 1987 V B 19/85, BFH/NV 1988, 448).
Die Klägerin legt jedoch nur dar, das FG habe eine Verwaltungsvorschrift (BMF- Schreiben vom 8. August 1988, BStBl I 1988, 322) übersehen. Ob das FG verpflichtet war, bei seiner Sachentscheidung die bezeichnete Verwaltungsvorschrift heranzuziehen, braucht nicht entschieden zu werden. Selbst wenn sie für die Entscheidung erheblich wäre, stellt das Nichtbeachten einer entscheidungserheblichen Vorschrift keinen Verfahrensfehler, sondern einen sach lichen Mangel der Entscheidung dar. Ein solcher Irrtum betrifft den Inhalt der Entscheidung und nicht den Gang des Verfahrens.
b) Andere Zulassungsgründe hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
4. Die Entscheidung ergeht im übrigen ohne Bekanntgabe einer weiteren Begründung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.
Fundstellen