Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei versäumter Begründungsfrist
Leitsatz (NV)
1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist kommt nicht in Betracht.
2. Zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe bei angeblich rechtzeitiger Absendung eines nicht eingegangenen Schriftsatzes.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2, § 116 Abs. 3 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 18.07.2007; Aktenzeichen 4 K 616/07 VTa,Z,EU) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde von Beamten der Polizei als Fahrer eines PKW angehalten, auf dessen Rücksitz und in dessen Kofferraum sich Zigaretten mit ukrainischen Steuerzeichen befanden. Mit Bescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Hauptzollamt --HZA--) wurden die auf die Zigaretten entfallenden Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) gegen den Kläger festgesetzt.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Einfuhrabgaben gemäß --dem für die Tabaksteuer und die Einfuhrumsatzsteuer sinngemäß anzuwendenden-- Art. 202 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex (ZK) entstanden seien und dass der Kläger Abgabenschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 ZK sei. Der Kläger habe die offensichtlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Zigaretten als Fahrer des PKW in Besitz gehabt, obwohl er im Zeitpunkt ihres Erhalts angesichts der ukrainischen Steuerzeichen jedenfalls vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden waren. Die Behauptung des Klägers, von den Zigaretten im PKW nichts gewusst zu haben, sei nicht glaubhaft.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Hinsichtlich der versäumten Frist für die Begründung der Beschwerde trägt der Kläger vor, dass sein Prozessbevollmächtigter rechtzeitig vor Fristablauf einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gestellt habe, der aus nicht bekannten Gründen nicht zur Gerichtsakte gelangt sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist hat der Kläger versäumt.
Die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "bezüglich des (…) Antrags auf Fristverlängerung" kann nicht gewährt werden. Bei der zweimonatigen Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO handelt es sich allein um eine Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Dass dem Beschwerdeführer nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO die Möglichkeit eingeräumt wird, während des Laufs der Begründungsfrist einen Antrag auf Verlängerung dieser Frist zu stellen, ändert nichts daran, dass allein die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und nicht etwa der Fristverlängerungsantrag die Prozesshandlung ist, welche das Gesetz vom Beschwerdeführer innerhalb der zweimonatigen Frist verlangt. Ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 56 FGO, weil der Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO nicht fristgerecht gestellt worden ist, kommt somit nicht in Betracht (Senatsbeschluss vom 10. Oktober 2003 VII B 236/03, BFH/NV 2004, 220, m.w.N.).
Da im Fall der Versäumung der Frist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO allein eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der innerhalb der Begründungsfrist nicht eingereichten Beschwerdebegründung in Betracht kommt, sind innerhalb der einmonatigen Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass der Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert war, die Begründungsfrist einzuhalten, und es ist innerhalb dieser Frist die versäumte Rechtshandlung, d.h. also die Beschwerdebegründung, nachzuholen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 220). Im Streitfall hat der Kläger zwar innerhalb dieser einmonatigen Frist die Beschwerdebegründung nachgereicht; er hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, ohne Verschulden an der Einhaltung der Begründungsfrist verhindert gewesen zu sein.
Wird --wie im Streitfall-- ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf die Behauptung der fristgerechten Absendung eines beim Adressaten nicht eingegangenen Schriftsatzes gestützt, sind zum einen genaue Angaben dazu erforderlich, wann (an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit), in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten oder Abgabe in einer bestimmten Postfiliale) und von welcher Person der Schriftsatz zur Post gegeben wurde. Ferner ist die Organisation der Fristenkontrolle nach Art und Umfang darzulegen. Schließlich sind diese Angaben durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2, § 155 FGO, § 294 der Zivilprozessordnung). Dazu sind sowohl die Abgabe detaillierter eidesstattlicher Versicherungen der mit der Anfertigung und Absendung des Schriftsatzes unmittelbar befassten Personen als auch die Vorlage von Auszügen aus dem Fristenkontrollbuch und dem Postausgangsbuch erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 VII R 8/06, BFH/NV 2007, 1368, m.w.N.).
An solchen detaillierten Angaben fehlt es jedoch. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat lediglich vorgetragen, mit Schreiben vom 18. September 2007, das am selben Tag zur Post aufgegeben worden sei, einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gestellt zu haben, und hat diesen Vortrag anwaltlich versichert, "sofern er der Wahrnehmung des Unterzeichners unterliegt". Dieses Vorbringen wird den vorstehend beschriebenen Anforderungen zur Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht gerecht.
2. Die Beschwerde wäre aber auch als unzulässig zu verwerfen, wenn die Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist gewährt werden könnte, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.
Mit seinem Vorbringen, das FG habe die illegale Einfuhr der vorgefundenen Zigaretten unterstellt, ohne Anhaltspunkte hierfür zu haben, bezeichnet der Kläger keinen Verfahrensmangel, sondern wendet sich gegen die Tatsachenwürdigung durch das FG. Im Übrigen trifft das Beschwerdevorbringen auch nicht zu. Das FG hat seine Überzeugung, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien, auf die vorhandenen ukrainischen Steuerzeichen gestützt, hat also durchaus einen Anhaltspunkt für seine Annahme gehabt, der die gezogene Schlussfolgerung nahe legt.
Die Beschwerde legt auch nicht schlüssig dar, sondern behauptet lediglich, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei, und zwar "bezüglich der Anforderungen, die an das Merkmal der Einfuhr (…) bei nicht nachgewiesenem Transportweg der zollpflichtigen Waren" zu stellen seien. Was die Beschwerde hiermit meint, wird nicht deutlich. Insoweit sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.
Fundstellen