Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid für die Kindergeldfestsetzung
Leitsatz (NV)
1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt der für das Kind ergangene Einkommensteuerbescheid keinen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO dar.
2. Die Familienkasse und nachfolgend das FG haben die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes selbständig und ohne Bindung an den Inhalt eines für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheids zu ermitteln.
3. Eine pauschale Übernahme der im Einkommensteuerbescheid des Kindes als Werbungskosten zusammengefassten Beträge genügt daher nicht.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 10; EStG § 68 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 11.11.2004; Aktenzeichen VI 80/2003) |
Tatbestand
I. Der Sohn des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) befand sich während des gesamten Kalenderjahres 2001 in Ausbildung (Referendariat als Lehramtsanwärter), war aber wegen Erreichens der maßgebenden Altersgrenze nur bis Juli 2001 als Kind zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragte im Jahr 2002 für den Zeitraum Januar bis Juli 2001 Kindergeld und fügte den Einkommensteuerbescheid 2001 des Sohnes bei. Danach hatten der Bruttoarbeitslohn 25 329 DM und die Werbungskosten 10 357 DM betragen.
Der Kläger ermittelte unterhalb des anteiligen Jahresgrenzbetrags liegende Einkünfte, indem er von den Bruttobezügen Januar bis Juli 2001 Werbungskosten in Höhe von 6 042 DM (7/12 von 10 357 DM) abzog.
Nachdem der Kläger die angeforderten Nachweise über die Werbungskosten nicht vorgelegt hatte, lehnte die Familienkasse den Antrag auf Kindergeld ab. Sie berücksichtigte als Werbungskosten nur den anteiligen Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 1 166,67 DM. Dadurch überstiegen die Einkünfte den maßgebenden Grenzbetrag. Einspruch und Klage waren erfolglos.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Der behauptete Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegt nicht vor. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist nur dann zur Fortbildung des Rechts erforderlich, wenn über bisher noch ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtige Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 41). Die Rechtsfrage, ob der Einkommensteuerbescheid des Kindes als Nachweis seiner Einkünfte anzuerkennen ist, ist indes geklärt.
Nach ständiger Rechtsprechung stellt der für das Kind ergangene Einkommensteuerbescheid keinen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977) dar. Die Familienkasse und nachfolgend das Finanzgericht (FG) haben die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes selbständig und ohne Bindung an den Inhalt eines für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheids zu ermitteln (BFH-Urteil vom 23. November 2001 VI R 125/00, BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296, mit Anmerkung Pust, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2002, 425, und Greite, Kommentierte Finanzrechtsprechung, Fach 3, § 70 EStG, 3/02 S. 117; ebenso Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG-- 63.4.1.2 Abs. 1 Satz 4, BStBl I 2004, 774, sowie Mengele, Finanz-Rundschau --FR-- 1999, 1160, 1165). Kindergeldberechtigte und ihre volljährigen Kinder haben insoweit gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Einkommensteuergesetzes besondere Mitwirkungspflichten, u.a. im Hinblick auf die Substantiierung und den Nachweis der Einnahmen, Bezüge, Werbungskosten und der ausbildungsbedingten Aufwendungen (s. im Einzelnen zutreffend: Dienstanweisung zur Überprüfung von Kindergeldfestsetzungen --DA-Ü-- n.F., BStBl I 2005, 615).
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Festsetzung der Einkommensteuer des Kindes und die Kindergeldfestsetzung zugunsten der Eltern grundsätzlich unterschiedliche Verfahren. Die Begriffe der Einkünfte und Bezüge (vgl. § 2 Abs. 2 und § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) können im Rahmen der Steuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung unterschiedlich auszulegen sein (s. zuletzt Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260). Die Begriffe der Werbungskosten und der ausbildungsbedingten Aufwendungen (s. § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG) unterscheiden sich. Besteht lediglich für einen Teil des Kalenderjahres Anspruch auf Kindergeld, können Sonderzuwendungen und Werbungskosten nur diesem Zeitraum oder nur dem übrigen Zeitraum des Kalenderjahres zuzuordnen sein. In einem solchen Fall würde eine anteilige Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid angesetzten Beträge zu unzutreffenden Ergebnissen führen.
Beruft sich der Kindergeldberechtigte auf gegenüber dem --anteiligen-- Arbeitnehmer-Pauschbetrag erhöhte Werbungskosten, so muss er diese im Kindergeldfestsetzungsverfahren substantiiert vortragen und entsprechende Belege zum Nachweis beifügen. Eine pauschale Übernahme der im Einkommensteuerbescheid des Kindes als Werbungskosten zusammengefassten Beträge genügt nicht, vielmehr muss die Familienkasse die einzelnen Aufwendungen selbständig prüfen (vgl. auch BFH in BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296, unter 4. b).
Ein Vertrauenstatbestand ist dem Kläger durch den Hinweis im Einkommensteuerbescheid des Sohnes, "den Bescheid aufzubewahren, weil er auch als Einkommensnachweis zur Vorlage bei Behörden" diene, nicht erwachsen. Dieser allgemeine und unverbindliche Hinweis im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung des Sohnes betrifft nicht das Kindergeldfestsetzungsverfahren und weist den Sohn lediglich auf Obliegenheiten in möglichen anderen Verfahren bei Behörden hin.
Fundstellen
Haufe-Index 1498429 |
BFH/NV 2006, 1055 |