Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegung einer Rechtsprechungsdivergenz genügt es nicht, sinngemäß lediglich geltend zu machen, das FG habe bestimmte, vom BFH aufgestellte Rechtsgrundsätze im Ergebnis falsch auf den konkreten Streitfall anwendet.
2. Das FG darf die Rechtsfrage, ob in einem Bearbeitungsfehler des FA eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO liegt, nicht aufgrund von abstrakten Erwägungen beantworten. Zunächst muss das FG die tatsächlichen Vorgänge ermitteln, die zu der Unrichtigkeit geführt haben. Dieser Vorgabe entspricht das FG, wenn es im Rahmen der Einzelfallprüfung die unterschiedlichen in Betracht kommenden Ursachen für den Fehler erörtert und im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit ihres Vorliegens gegeneinander abwägt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; AO § 129 S. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 19.09.2006; Aktenzeichen 17 K 5466/04 E) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Anforderungen, die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung der geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision zu stellen sind.
1. Beruft sich der Beschwerdeführer --wie hier-- darauf, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung seines Rechtsstreits durch den Bundesfinanzhof (BFH) erfordere (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung substantiiert darlegen, inwieweit über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen vergleichbaren Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 40). Wird eine Abweichung des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts (FG) von einer Entscheidung des BFH gerügt, muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Juli 2002 XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; vom 24. März 2003 II B 41/02, BFH/NV 2003, 1067; vom 30. Mai 2005 X B 149/04, BFH/NV 2005, 1618). Dafür genügt es nicht, sinngemäß lediglich geltend zu machen, das FG habe bestimmte, vom BFH aufgestellte Rechtsgrundsätze im Ergebnis falsch auf den konkreten Streitfall angewendet. Denn auf diese Weise wird keine Divergenz der gerichtlichen Entscheidungen im Grundsätzlichen bezeichnet, sondern bloß ein im Zulassungsverfahren unbeachtlicher Subsumtionsfehler behauptet (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Dezember 2002 XI B 145/99, BFH/NV 2003, 497; vom 20. Januar 2003 IX B 94/02, BFH/NV 2003, 617; vom 25. Oktober 2004 III B 131/03, BFH/NV 2005, 339; vom 4. August 2005 I B 24/05, BFH/NV 2006, 74; vom 16. Dezember 2005 IX B 38/05, BFH/NV 2006, 772; vom 21. August 2006 X B 154/05, BFH/NV 2006, 2285).
Nach diesen Maßstäben reicht der Vortrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), der dem Bediensteten des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) bei der Veranlagung unterlaufene Bearbeitungsfehler sei durchschaubar, eindeutig und augenfällig eine bloße Unachtsamkeit, bei der die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen sei, zur Darlegung einer Rechtsprechungsdivergenz nicht aus.
Auch der Umstand, dass das FG im Rahmen der Einzelfallprüfung die unterschiedlichen in Betracht kommenden Ursachen für die fehlerhaft vorgenommene Kürzung des Vorwegabzugs (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der bis 2004 geltenden Fassung) erörtert und im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit ihres Vorliegens gegeneinander abgewogen hat, begründet die von der Klägerin geltend gemachte Abweichung von dem Urteil des erkennenden Senats vom 17. Februar 1993 X R 47/91 (BFH/NV 1993, 638) nicht. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr gerade der in jener Entscheidung (unter 2.a der Gründe) aufgestellten Vorgabe, wonach das FG die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob in dem Fehler eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) liegt, nicht aufgrund von abstrakten Erwägungen beantworten darf, sondern zunächst die tatsächlichen Vorgänge ermitteln muss, die zu der Unrichtigkeit geführt haben.
2. Aus welchen Gründen eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) erforderlich wäre, erschließt sich aus den Ausführungen der Klägerin nicht. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Rechtsstreit eine noch ungeklärte, klärungsbedürftige, entscheidungserhebliche und in einem künftigen Revisionsverfahren voraussichtlich auch klärbare Rechtsfrage aufwerfen würde (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698; vom 9. Februar 2006 X B 107/05, BFH/NV 2006, 938; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41). Dort könnten die tatsächlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Berichtigungsbescheids nach § 129 Satz 1 AO im Übrigen ohnehin nicht festgestellt werden (BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 638, sowie vom 27. Juli 1988 I R 130/84, BFHE 154, 227, BStBl II 1989, 101). Der Klägerin geht es im Kern nicht um die Auflösung eines abstrakten, im allgemeinen Interesse liegenden Rechtsproblems, sondern um die Überprüfung der vom FG vorgenommenen Gesamtwürdigung im konkreten Einzelfall. Dieses Anliegen vermag die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts indessen nicht zu rechtfertigen (vgl. Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 115 Rz 114).
Fundstellen