Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Divergenz und grundsätzlichen Bedeutung bezüglich der Abgrenzung eines Einfamilienhauses vom gemischtgenutzten Grundstück
Leitsatz (NV)
1. Geht das FG bei der Abgrenzung der Grundstücksarten Einfamilienhaus/gemischtgenutztes Grundstück davon aus, daß sich bei einem Überwiegen der Nutzung zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken die Grundstücksart vom Einfamilienhaus in ein gemischtgenutztes Grundstück ändert und es nicht mehr darauf ankommt, ob die Eigenart als Einfamilienhaus beeinträchtigt wird, liegt keine Abweichung von der BFH-Rechtsprechung vor.
2. Allein der Hinweis auf eine dem FG-Urteil entgegenstehende Regelung der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens reicht für eine schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht aus.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2-3; BewG § 75 Abs. 4-5
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Divergenz
a) Soweit der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) geltend macht, das Finanzgericht (FG) habe bei der Abgrenzung der Grundstücksarten Einfamilienhaus/gemischtgenutztes Grundstück allein auf das Verhältnis der Wohnzwecken sowie der freiberuflichen Zwecken dienenden Flächen abgestellt und sei damit von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Juli 1979 II R 77/77 (BFHE 128, 397, BStBl II 1979, 726) sowie vom 9. Oktober 1985 II R 189/80 (BFHE 145, 422, BStBl II 1986, 171), und II R 249/81 (BFHE 145, 232, BStBl II 1986, 172) abgewichen, wonach das Flächenverhältnis nur ein Merkmal, nicht aber das allein entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Grundstücksart sei, liegt keine Abweichung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.
Denn nach der für die Beurteilung einer Divergenz maßgebenden neuesten Rechtsprechung des BFH (vgl. Senatsbeschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211) kann eine die Grundstücksart Einfamilienhaus möglicherweise beeinträchtigende "Mitbenutzung" i. S. des § 75 Abs. 5 Satz 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) nur dann vorliegen, wenn die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken nicht den Umfang der Nutzung zu Wohnzwecken erreicht bzw. übersteigt. Überwiegt die Nutzung zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Eigenart als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird (siehe Senatsurteile vom 6. Juli 1994 II R 10/91, BFH/NV 1995, 94; vom 6. November 1991 II R 91/87, BFH/NV 1992, 644, und vom 9. November 1988 II R 61/87, BFHE 155, 128, 130, BStBl II 1989, 135, 136). Erreicht also die Nutzung eines Einfamilienhauses zu anderen als Wohnzwecken 50 v. H. oder mehr der gesamten Nutzfläche, so ändert sich die Grundstücksart in ein gemischtgenutztes Grundstück. Von diesen Grundsätzen ist auch die Vorinstanz ausgegangen, wenn sie das Grundstück der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) allein deshalb als gemischtgenutztes Grundstück beurteilt hat, weil der größere Teil des Hauses den Zwecken der Arztpraxis dient.
b) Soweit das FA bezüglich der Flächenberechnung eine Abweichung der Vorinstanz von der BFH-Rechtsprechung geltend macht, ist die Rüge der Divergenz bereits unzulässig, da es insoweit an der nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung eines das angegriffene Urteil tragenden Rechtssatzes fehlt, dem ein abweichender Rechtssatz aus einer genau bezeichneten Entscheidung des BFH gegenübergestellt wird (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Juni 1995 II B 106/94, BFH/NV 1995, 1005, m. w. N.).
Im übrigen ist eine Divergenz insoweit nicht ersichtlich. Denn die Vorinstanz hat bei der Berechnung des Flächenverhältnisses ausdrücklich die hierzu ergangenen Senatsurteile vom 10. April 1991 II R 163/87 (BFH/NV 1992, 445), und vom 24. Oktober 1990 II R 101/87 (BFH/NV 1995, 801) zugrunde gelegt. Soweit das FA in seiner Beschwerdebegründung darauf abstellt, daß das FG die von der BFH-Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze unrichtig angewandt und die Nutzflächen unzutreffend berechnet habe, vermag dies keine Abweichung zu begründen (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1995, 1005).
2. Grundsätzliche Bedeutung
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Dazu ist erforderlich, daß der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 25. April 1995 VII B 19/95, BFH/NV 1995, 1001, m. w. N.).
Die Beschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen nicht. Der Hinweis des FA darauf, daß das Urteil der Vorinstanz der Fassung des Abschn. 15 Abs. 3 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens eindeutig entgegenstehe, reicht für eine schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht aus. Im Hinblick auf die neuere, vom FG in seiner Entscheidung zitierte BFH-Rechtsprechung zur Berechnung der Nutzflächen (vgl. Senatsurteile in BFHE 155, 128, BStBl II 1989, 135; in BFH/NV 1992, 644, und in BFH/NV 1995, 94) wäre es erforderlich gewesen, in einer Auseinandersetzung mit diesen Urteilen sowie dem Schrifttum darzulegen, warum bezüglich der Einbeziehung der Zubehörräume -- insbesondere des Hobbyraumes -- im allgemeinen Interesse aus Gründen der Rechtssicherheit ein (zusätzlicher) Klärungsbedarf besteht.
Soweit sich das FA in diesem Zusammenhang in der Art einer Revision gegen die fehlende Einbeziehung bestimmter Zubehörflächen wendet, ist dem Senat eine Überprüfung dieser Einwendungen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht möglich.
Fundstellen
Haufe-Index 421394 |
BFH/NV 1996, 631 |