Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmereigenschaft bei Eheleuten; Aussetzung des Verfahrens wegen Musterprozesses
Leitsatz (NV)
1. Ob leistender Unternehmer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 UStG 1980) und damit Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 UStG 1980) der Ehemann, die Ehefrau oder eine aus den Eheleuten bestehende Gemeinschaft ist, beurteilt sich grundsätzlich danach, wer als Unternehmer nach außen auftritt.
2. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine von beiden Eheleuten unterschriebene Umsatzsteuererklärung als solche des Ehemannes angesehen werden kann.
3. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels, das FG hätte gemäß § 74 FGO die Verhandlung bis zur Erledigung eines beim BVerfG anhängigen Musterverfahrens aussetzen müssen.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2; FGO §§ 74, 115 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Am 29. Dezember 1980 reichten der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und seine Ehefrau beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) eine von beiden Eheleuten unterschriebene Umsatzsteuererklärung 1979 ein, in der als Unternehmer "A u. B C" bezeichnet waren. Erklärt wurden Umsätze aus der Vermietung eines Einfamilienhauses an einen Zwischenvermieter und Vorsteuern, die mit der Errichtung des Hauses in Zusammenhang standen; daraus ergab sich ein Überschuß.
Das FA setzte demgegenüber die Umsatzsteuer -- gegen die Grundstücksgemeinschaft A und B C -- auf 0 DM fest. Dagegen erhoben die Eheleute C nach erfolglosem Einspruch Klage. Während des Klageverfahrens stellte das FA die Nichtigkeit des Umsatzsteuerbescheides 1979 fest, nachdem (erstmals 1988) geltend gemacht worden war, Unternehmer sei nicht eine aus den Eheleuten C bestehende Grundstücksgemeinschaft, sondern allein A C.
Daraufhin beantragte der Kläger am 16. November 1990 beim FA, nunmehr ihn zur Umsatzsteuer 1979 zu veranlagen und dabei die seinerzeit eingereichte Steuererklärung zugrundezulegen. Das FA lehnte dies ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, der Kläger könne nicht zur Umsatzsteuer 1979 veranlagt werden, weil die Fest setzungsfrist am 31. Dezember 1986 ab gelaufen sei; die am 29. Dezember 1980 eingereichte Steuererklärung sei nicht als Erklärung des Klägers, sondern als solche einer nicht existierenden Grundstücksgemeinschaft (Eheleute C) anzusehen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er macht Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger gerügte Divergenz liegt nicht vor.
a) Nach dem vom Kläger angeführten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Juli 1987 I R 297/83 (BFH/NV 1988, 673) kommt es für die Frage, ob der Ehemann, die Ehefrau oder eine aus den Eheleuten bestehende Gemeinschaft Unternehmer ist, darauf an, wer als Unternehmer nach außen auftritt (vgl. unter 3. der Urteilsgründe mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 25. Juli 1968 V 150/65, BFHE 93, 194, BStBl II 1968, 731). Von diesem Rechtssatz weicht die Vorentscheidung nicht ab. Er hat Bedeutung dafür, wer der leistende Unternehmer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG --) und damit Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 UStG) ist, nicht aber für die vom FG -- durch Auslegung -- entschiedene Frage, ob die Umsatzsteuererklärung 1979 als solche des Klägers angesehen werden kann.
b) Das ferner vom Kläger genannte BFH- Urteil vom 28. März 1973 I R 100/71 (BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544) betrifft einen Einkommensteuerbescheid, den das FA als "einheitlichen Steuer bescheid" nach § 210 Abs. 2 der Reichs abgabenordnung (AO) -- jetzt § 155 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) -- gegen zwei Miterben als Gesamtschuldner richten wollte. Da der Bescheid gegenüber dem einen Miterben keine Wirkung erlangt hatte, beurteilte der BFH den deshalb nicht mehr als "einheitlich" aufzufassenden Steuerbescheid als an den anderen Miterben gerichteten Einzelbescheid nach § 210 Abs. 1 AO, weil ein einheitlicher Bescheid als eine "in einem Bescheid verkörperte Mehrheit inhaltsgleicher Steuerfestsetzungen" anzusehen sei.
Davon weicht die Vorentscheidung nicht ab, weil im vorliegenden Streitfall kein (ursprünglich) gegen Gesamtschuldner gerichteter einheitlicher Einkommensteuerbescheid i. S. des § 210 Abs. 2 AO -- jetzt § 155 Abs. 3 AO 1977 -- zu beurteilen war, sondern eine Umsatzsteuererklärung.
2. Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache ebenfalls nicht. Der Kläger trägt hierzu vor, der BFH sei in der zuvor genannten Entscheidung vom 28. März 1973 "-- dort zugunsten des FA -- von einer wirksamkeitserhaltenden Reduktion eines Steuerbescheides ausgegangen", so daß mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) Gleiches auch dann zu gelten habe, wenn irrtümlich auch die Ehefrau eines Unternehmers eine Umsatzsteuer erklärung unterschrieben habe, obwohl sie umsatzsteuerlich nicht Unternehmer gewesen sei. Insoweit liegt grundsätzliche Be deutung jedenfalls deshalb nicht vor, weil die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage sich im Streitfall nicht stellt und deshalb in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar wäre. Wie dargelegt, besteht zwischen den in dem bezeichneten BFH-Urteil in BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544 und in der Entscheidung des FG behandelten Rechtsfragen keine Identität.
3. Ob der Kläger mit dem Hinweis auf die Nichtstattgabe seines Aussetzungsantrages gemäß § 74 FGO durch das FG auch einen Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend machen will, kann der Senat offenlassen.
Entgegen der Vorschrift des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO wäre nämlich ein derartiger Verfahrensfehler in der Beschwerdeschrift nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels in einer Nichtzulassungsbeschwerde erfordert die genaue Angabe der Tatsachen, aus denen sich nach Auffassung des Beschwerdeführers ein Verfahrensverstoß ergibt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 65). Bei der Anhängigkeit eines zur Verfahrensaussetzung zwingenden Musterprozesses vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht es um eine Tatsache (vgl. BFH-Beschluß vom 9. August 1991 III R 48/90, BFHE 165, 162, BStBl II 1991, 868, und Urteil vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219). Die Kläger hätten daher, um ordnungsgemäß eine Verletzung der Pflicht zur Verfahrensaussetzung zu rügen, u. a. das angeblich vor dem BVerfG anhängige Verfahren genau bezeichnen und substantiiert darlegen müssen, daß dieses Musterverfahren die von der Rechtsprechung aufgestellten tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung (s. u. a. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408, und vom 25. August 1993 X B 32/93, BFHE 171, 412, BStBl II 1993, 797) erfüllt. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift des Klägers nicht gerecht.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 420048 |
BFH/NV 1995, 654 |