Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung als Steuerbevollmächtigter wegen Vermögensverfalls
Leitsatz (NV)
1. Die im Insolvenzverfahren getroffene Entscheidung der Gläubigerversammlung bzw. des Insolvenzverwalters, die Tätigkeit des insolventen Steuerberaters/Steuerbevollmächtigten freizugeben, rechtfertigt nicht die Annahme einer nunmehr bereinigten wirtschaftlichen Situation des Steuerberaters/Steuerbevollmächtigten.
2. Eine infolge des Vermögensverfalls des Steuerberaters/Steuerbevollmächtigten bestehende konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen lässt sich nicht verneinen, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater/Steuerbevollmächtigte in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist, indem er z.B. die den Mandanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer oder die vom Entgelt seiner Mitarbeiter einbehaltene Lohnsteuer nicht abführt.
Normenkette
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 05.12.2007; Aktenzeichen 7 K 3205/06 StB) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen den Widerruf ihrer Bestellung als Steuerbevollmächtigte wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerbevollmächtigte als gegeben angesehen, da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden sei und die Klägerin die daraus folgende gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Insoweit sei es unerheblich, dass die Praxis der Klägerin aus der Insolvenzbeschlagnahme freigegeben worden sei, denn ihre wirtschaftliche Situation sei nach wie vor nicht bereinigt und der Ausgang des Insolvenzverfahrens sei ungewiss. Es habe sich auch nicht feststellen lassen, dass eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall der Klägerin ausgeschlossen sei. Vielmehr sei von einer solchen Gefährdung auszugehen, da die Klägerin in der Vergangenheit Steuerrückstände habe auflaufen lassen und einbehaltene Lohnsteuer sowie die Umsatzsteuer nicht abgeführt habe.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Mängel in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision liegt der von der Beschwerde geltend gemachte Zulassungsgrund jedenfalls nicht vor.
Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ist in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen; insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. höchstrichterlich entwickelten Anforderungen fort (BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 III B 103/01, BFH/NV 2002, 652). Auch zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO sind somit substantiierte und konkrete Angaben dazu erforderlich, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu einer bestimmten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt (BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2002 I B 147/01, BFH/NV 2003, 197).
Es ist bereits zweifelhaft, ob das Beschwerdevorbringen, dass "im Hinblick auf eine Freigabe einer Praxis eines Steuerberaters aus dem Insolvenzbeschlag (…) bislang keine Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit" vorliege, den genannten Darlegungsanforderungen genügt. Jedenfalls sind aber die für den Streitfall maßgebenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt.
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wird ein Vermögensverfall des Steuerberaters bzw. des Steuerbevollmächtigten u.a. dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Es liegt daher auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach der Insolvenzordnung (InsO) eintretenden Rechtsfolgen, wie z.B. das seitens der Beschwerde hervorgehobene Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO, nicht geeignet sein können, die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, noch nicht zur Folge hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr als geordnet zu betrachten wären (vgl. Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90). Vielmehr muss die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch tatsächlich eingetreten sein. Ob dies in einer Weise geschehen ist, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht mehr zu besorgen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.
Darüber hinaus hat der Senat auch bereits entschieden, dass der Grund für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigter in der nach dem Gesetz zu vermutenden potenziellen Gefährdung der Auftraggeberinteressen durch den eingetretenen Vermögensverfall liegt und dass es insoweit nicht darauf ankommt, ob der Insolvenzverwalter --bzw. im Streitfall die Gläubigerversammlung-- die weitere berufliche Tätigkeit des Steuerberaters bzw. Steuerbevollmächtigten während des Insolvenzverfahrens freigegeben hat. Diese Entscheidung der Gläubigerversammlung oder des Insolvenzverwalters erfolgt nicht nach berufsrechtlichen Gesichtspunkten und führt auch nicht zur Bereinigung der wirtschaftlichen Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters/Steuerbevollmächtigten (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2006 VII B 141/05, BFH/NV 2006, 983).
Anders als die Beschwerde meint, kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Freigabe der Praxis der Klägerin aus dem Insolvenzbeschlag eine Gefährdung der Mandanteninteressen ausgeschlossen ist. Hinsichtlich dieses sog. Entlastungsbeweises hat vielmehr das FG zu Lasten der Klägerin zu Recht auf ihre Steuerrückstände sowie darauf abgestellt, dass sie in der Vergangenheit die einbehaltene Lohnsteuer sowie die Umsatzsteuer nicht abgeführt hat. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats, wonach eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht verneint werden kann, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater/Steuerbevollmächtigte in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält; denn in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass er unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist (Senatsurteil vom 4. Dezember 2007 VII R 64/06, BStBl II 2008, 401, BFH/NV 2008, 701, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2059336 |
BFH/NV 2008, 2064 |