Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Errichtung eines Gebäudes als Teil der Gegenleistung
Leitsatz (NV)
Erwirbt eine eigens dazu gegründete KG ein Grundstück, treten anschließend neue Gesellschafter in die KG ein, scheidet dabei der (einzige) Gründungskommanditist aus der KG aus und wird das Grundstück entsprechend der Vorplanung der Gründungsgesellschafter bebaut, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob bei der Besteuerung des Grundstückserwerbs der KG die Aufwendungen für die Errichtung des Gebäudes zur Gegenleistung gehören.
Normenkette
FGO § 69; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) - eine KG - wurde am 8. Februar 1984 gegründet. Gesellschafter waren A als Komplementär und B als Kommanditist mit einer Einlage von 50 000 DM. Am selben Tag erwarb die Antragstellerin durch notariell beurkundeten Kaufvertrag das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück. Veräußerer war X. Der Kaufpreis betrug 680 000 DM. Hierfür setzte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) durch Bescheid vom 4. April 1984 die Grunderwerbsteuer auf 13 600 DM fest. Das Grundstück wurde in der Folge nach Abriß des vorhandenen Gebäudes neu bebaut. In der Zwischenzeit (vom 22. Mai bis 23. August 1984) traten neue Kommanditisten mit einem Kommanditkapital von insgesamt 1 400 000 DM in die Gesellschaft ein. Dabei hat auch B seinen Kommanditanteil auf einen neuen Gesellschafter übertragen. Durch auf § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 2. September 1988 erhöhte das FA die Grunderwerbsteuer auf 49 912 DM. Über den Kaufpreis von 680 000 DM hinaus zog es weitere Beträge in Höhe von insgesamt 1 815 620 DM in die Bemessungsgrundlage mit ein. Auch dieser Bescheid bezog sich als ,,Gegenstand der Steuer" auf den Kaufvertrag vom 8. Februar 1984. Das FA war der Auffassung, daß mit der Errichtung des Neubaus zusammenhängende Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage mit einzubeziehen seien. Es liege insoweit ein einheitlicher Vorgang (vom Erwerb des Grundstücks / Gründung der Gesellschaft bis zur Errichtung des Gebäudes / Austausch von Gesellschaftern) nach vorgefaßtem Plan vor. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und § 1 Abs. 3 GrEStG i. V. m. der Rechtsprechung zum Bauherrenmodell sei für die Besteuerung maßgeblich der Erwerb durch die neuen Gesellschafter. Diese hätten bei dieser Betrachtungsweise das mit dem Neubau bebaute Grundstück erworben.
Gegen diesen Änderungsbescheid erhob die Antragstellerin Sprungklage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.
Nachdem das FA eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, stellte die Antragstellerin diesen Antrag beim FG. Mit Beschluß vom 16. Januar 1989 hat das FG die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 2. September 1988 ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.
Das FG ist nach summarischer Überprüfung der Auffassung, daß für den maßgeblichen Erwerbsvorgang vom 8. Februar 1984 keine über den eigentlichen Kaufpreis hinausgehende Gegenleistung vorliege. Eine dahingehende Umdeutung des Änderungsbescheids, daß er den anschließenden Gesellschafterwechsel betreffe, sei nicht möglich.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt das FA Aufhebung der Entscheidung des FG und Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung, hilfsweise Aussetzung nur gegen Sicherheitsleistung.
Die Antragstellerin wendet sich sachlich gegen das Beschwerdeziel, stellt jedoch keinen bestimmten Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Vollziehung des Bescheids vom 2. September 1988 ausgesetzt, da ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen (§ 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei einer summarischen Überprüfung des Bescheids neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Nach summarischer Überprüfung liegen im Streitfall derartige ernstliche Zweifel vor.
Angefochten ist der Grunderwerbsteuerbescheid vom 2. September 1988, mit dem der Bescheid vom 4. April 1984 geändert wurde. Mit beiden Bescheiden sollte - wie sich aus der Begründung jeweils eindeutig ergibt - der notariell beurkundete Kaufvertrag vom 8. Februar 1984 besteuert werden. Dieser Vertrag ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein der Grunderwerbsteuer unterliegendes Rechtsgeschäft, für das sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung bemißt (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Bei einem Kauf gilt als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Zweifelsfrei zu Recht ist daher der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage herangezogen worden. Die mit dem angefochtenen Änderungsbescheid (erstmals) erfolgte Einbeziehung des darüber hinausgehenden Betrags von 1 815 620 DM in die Bemessungsgrundlage findet dagegen nach summarischer Überprüfung im Gesetz keine Stütze.
Der Vertrag vom 8. Februar 1984 wurde abgeschlossen zwischen X als Veräußerer und der Klägerin als Erwerber. Über den Kaufpreis hinaus wurde - soweit ersichtlich - keine weitere Gegenleistung vereinbart. Auch für das Vorliegen von Leistungen i. S. von § 9 Abs. 2 GrEStG gibt der Sachverhalt keinen Anhalt. Die Aufwendungen für die Errichtung des Neubaus können daher bei summarischer Prüfung nicht in die Bemessungsgrundlage für diesen steuerbaren Vorgang einbezogen werden.
Auch die Grundsätze der vom erkennenden Senat entwickelten Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898, und vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, jeweils m. w. N.) führen zu keinem anderen Ergebnis, da sie sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwenden lassen. Nach dieser Rechtsprechung sind ein Kaufvertrag über ein unbebautes Grundstück und Vereinbarungen über die Errichtung eines Gebäudes grunderwerbsteuerlich dann als einheitliches Vertragswerk mit einem einheitlichen Vertragsgegenstand (bebautes Grundstück) anzusehen, wenn die Verträge rechtlich und tatsächlich miteinander verknüpft sind. Im Ergebnis wird damit grunderwerbsteuerlich die erfolgte Bebauung des Grundstücks der Veräußererseite zugerechnet. Zwischen dem veräußernden Grundeigentümer und den die Bebauung Durchführenden (z. B. Initiatoren oder Projektanbietern) besteht dabei ein einigendes Band, das den veräußernden Grundstückseigentümer in die Vertragskonzeption mit einbezieht (vgl. z. B. Entscheidung in BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898). Im vorliegenden Fall ist eine solche Einbeziehung des Veräußerers jedoch gerade nicht erkennbar. Das Grundstück wird von diesem unbebaut veräußert und es kommt ebenso unbebaut beim Erwerber - der Klägerin - an. Die Aktivitäten zur Bebauung wurden hier - das ist der maßgebliche Unterschied zu den der genannten Rechtsprechung zugrundeliegenden Sachverhalten - nicht von der Veräußererseite, sondern allein von der Erwerberseite entfaltet. Damit fehlt es an der entscheidenden sachverhaltsmäßigen Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung. Der Hinweis auf diese Grundsätze geht daher beim vorliegenden Sachverhalt ins Leere.
Die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Entscheidung vom 24. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429) dann nicht anwendbar, wenn der ein Grundstück in eine Gesamthand einbringende Gesamthänder entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstückseinbringung seine Gesellschafterstellung überträgt. Der Einbringende wird dabei so behandelt, als sei er zum Zeitpunkt der Einbringung bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden. Schlußfolgerungen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergeben sich daraus entgegen der Auffassung des FA jedoch nicht. Zu beurteilen ist zunächst der Kaufvertrag vom 8. Februar 1984. Für dessen grunderwerbsteuerliche Behandlung ist es ohne Belang, wer Gesellschafter der erwerbenden KG war. Auf die Frage, welcher Zeitpunkt für einen Gesellschafterwechsel grunderwerbsteuerlich maßgeblich ist, kommt es daher nicht an. Schon aus diesem Grund führt auch der Hinweis auf die Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 GrEStG für den vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.
Die der Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk und der zu § 5 Abs. 2 GrEStG zugrundeliegenden Gedankengänge können auch nicht dahingehend ,,zusammengefaßt" werden, daß im vorliegenden Fall das (möglicherweise) von Anfang an geplante Endergebnis (Beteiligung der später eingetretenen Gesellschafter an einem neubebauten Grundstück) für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung maßgeblich wird. Eine derartige Betrachtungsweise wäre - ungeachtet der zivilrechtlichen Gestaltung - durch den wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs nicht gedeckt. Grunderwerbsteuerrechtlich zu beurteilen ist der Kaufvertrag zwischen X und der Klägerin als Kommanditgesellschaft. Der wirtschaftliche Gehalt dieses Vorgangs erschöpft sich in der Übertragung des unbebauten (noch nicht neu bebauten) Grundstücks.
Die Frage, ob der nach dem Kaufvertrag erfolgte Gesellschafterwechsel seinerseits zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang geführt hat und ggf. mit welcher Bemessungsgrundlage, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Es erscheint allerdings zumindest denkbar, den Steuerbescheid dahingehend umzudeuten, daß mit ihm besteuert werden soll, die Übertragung des Grundstücks in bebautem Zustand von einer KG (alt) auf eine KG (neu). Ob damit im Ergebnis der angefochtene Verwaltungsakt seine Rechtfertigung finden kann, muß der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die auf Grund der summarischen Überprüfung bestehenden ernstlichen Zweifel um dessen Rechtmäßigkeit werden dadurch nicht ausgeräumt.
Nach all dem bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Diese erscheinen so schwerwiegend, daß auch die Entscheidung des FG, ohne Sicherheitsleistung die Vollziehung auszusetzen, gerechtfertigt erscheint.
Fundstellen
Haufe-Index 416508 |
BFH/NV 1990, 190 |