Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensverfall ist auch unter Insolvenzordnung Widerrufsgrund für Bestellung als Steuerberater
Leitsatz (NV)
- Vermögensverfall ist bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder Eintragung in das Verzeichnis nach § 26 Abs. 2 InsO oder nach § 915 ZPO zu vermuten und führt grundsätzlich zum Widerruf der Bestellung als Steuerberater.
- Es unterliegt in erster Linie dem Urteil des Tatrichters, ob unter umfassender Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls davon ausgegangen werden kann, dass die gesetzliche Vermutung, dass bei Vermögensverfall Auftraggeberinteressen gefährdet sind, widerlegt ist.
Normenkette
GG Art. 12; StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4; InsO § 26 Abs. 2; KO § 107 Abs. 2
Tatbestand
Das seinerzeit zuständige Finanzministerium hat 1998 die Bestellung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) als Steuerberater widerrufen, weil der Kläger in Vermögensverfall geraten sei. Der Kläger hatte 1997 vor dem Amtsgericht die eidesstattliche Versicherung abgegeben und auf Anfrage eingeräumt, er sei aufgrund einer Bürgschaft in Anspruch genommen worden und habe außerdem Schulden aus dem Bau eines Hauses. Er kümmere sich jedoch um die Abwicklung der Gesellschaft, für deren Schulden er gebürgt habe, wenn auch der Erlös der Veräußerung von deren Grundstücken die Schulden voraussichtlich nicht decken werde. Seine bisherige Steuerberatungspraxis habe er aufgegeben und sei nur noch als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft tätig. Mandanteninteressen seien nicht gefährdet.
Die gegen die Widerrufsverfügung erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Vermögensverfall werde aufgrund der Eintragung des Klägers in das Verzeichnis nach § 107 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) vermutet. Diese Vermutung habe der Kläger nicht widerlegt. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass trotz des Vermögensverfalls Mandanteninteressen nicht gefährdet seien.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird. Aufgrund der Insolvenzordnung (InsO) ergäben sich in der bisherigen, zur KO ergangenen Rechtsprechung nicht berücksichtigte völlig neue Gesichtspunkte, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, durch ein Verbraucherinsolvenzverfahren geordnete wirtschaftliche Verhältnisse herbeizuführen. Angesichts der von der InsO geschaffenen Möglichkeit, die wirtschaftlichen Verhältnisse kurzfristig zu ordnen, sei die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht mehr haltbar. Es sei ―auch im Hinblick auf Art. 12 des Grundgesetzes (GG)― nicht mehr darauf abzustellen, ob die gesetzliche Vermutung widerlegt werde; vielmehr müsse im Einzelnen dargelegt werden, dass die Interessen der Auftraggeber gefährdet sind.
Weiter sei klärungsbedürftig, wann Interessen der Auftraggeber gefährdet sind. Das Gericht habe sich insoweit nur auf die für den Kläger als Geschäftsführer noch bestehende Bankvollmacht bezogen. Hieraus könne eine konkrete Gefahr jedoch nicht abgeleitet werden. Die Gefahr, dass der Kläger, nachdem er bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, auf Mandantengelder Zugriff nehme, sei geringer als bei jedem anderen Berufsträger. Auch daraus, dass Gegenstand des Unternehmens der Steuerberatungsgesellschaft treuhänderische Tätigkeit sei, ergebe sich eine Gefährdung nicht, zumal der Kläger auf diesem Gebiet aufgrund der Vereinbarung über den Umfang der Geschäftsführung nicht tätig sei. Auch aus den vom FG angeführten Vorgängen beim Kauf von Aktien der Peter Mack Design AG ergebe sich keine Gefährdung, selbst wenn die Vorwürfe Bestand hätten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das In-Kraft-Treten der InsO hat an der gesetzlichen Grundentscheidung nichts geändert, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung als Steuerberater sind in § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), der gerade anlässlich der Ablösung der KO durch die InsO geändert, der neuen (insolvenzrechtlichen) Lage also angepasst worden ist (vgl. Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994, BGBl I 1994, 2911), klar dahin geregelt, dass Vermögensverfall bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder Eintragung in das Verzeichnis nach § 26 Abs. 2 InsO oder nach § 915 der Zivilprozessordnung zu vermuten ist. Das lässt für die von der Beschwerde vorgetragene Ansicht, die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls bei Eintragung in eines dieser Verzeichnisse sei "nicht mehr haltbar", ebenso wenig Raum wie für deren Ansicht, die vorgenannte Vermutung müsse nicht mehr widerlegt, sondern vielmehr dem Steuerberater im Einzelnen nachgewiesen werden, dass der Fortbestand seiner Bestellung die Interessen von Auftraggebern gefährde. Diese Auffassung der Beschwerde steht schon zum Wortlaut des StBerG in einem unvereinbaren Widerspruch und bedarf nicht der Widerlegung in einem Revisionsverfahren. Art. 12 GG, den die Beschwerde ferner in diesem Zusammenhang anführt, wird durch die Anforderungen an die persönliche Eignung eines Steuerberaters und den Widerruf seiner Bestellung bei Vermögensverfall nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht verletzt (Senatsurteil vom 13. November 2001 VII R 14/01, BFHE 198, 266, BStBl II 2002, 62); die InsO ist anders als die Beschwerde möglicherweise meint nicht geeignet, die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die im StBerG getroffenen berufsrechtlichen Regelungen zu verschärfen.
Soweit die Beschwerde schließlich vorträgt, es sei klärungsbedürftig, wann i.S. des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG Auftraggeberinteressen gefährdet sind, fehlt es für die Zulassung der Revision schon an der Formulierung einer konkreten, klärungsbedürftigen und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähigen Rechtsfrage. Das Vorbringen der Beschwerde richtet sich insoweit in Wahrheit vielmehr gegen die Richtigkeit der Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls durch den Tatrichter, dem nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 741) in erster Linie das Urteil obliegt, ob unter umfassender Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls davon ausgegangen werden kann, dass die gesetzliche Vermutung, dass bei Vermögensverfall Auftraggeberinteressen gefährdet sind, widerlegt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1067351 |
BFH/NV 2004, 91 |