Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Terminsverlegung wenige Tage vor dem Termin und Erreichbarkeit für die hierüber ergehende Ablehnungsentscheidung
Leitsatz (NV)
1. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Beisein des Antragstellers stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, wenn sich der Antragsteller selbst zurechnen lassen muss, dass ihm die Ablehnung seines Antrags auf Terminsverlegung nicht bekannt geworden ist. Bei einem wenige Tage vor dem Termin gestellten Antrag muss er sicherstellen, für eine Entscheidung erreichbar zu sein.
2. Der Antragsteller muss sich auch zurechnen lassen, dass er trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer fachärztlichen Klärung und Behandlung seines Zustandes keine Vorsorge für die Wahrnehmung eines Termins getroffen hat (ständige Rechtsprechung des BFH).
Normenkette
GG Art. 3, 20, 103; FGO §§ 56, 62a, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 142; ZPO § 78 Abs. 5, §§ 114, 118 Abs. 1, §§ 227, 322 Abs. 1, §§ 756a, 867 Abs. 1
Tatbestand
I. Mit seiner Klage vor dem Finanzgericht (FG) wandte sich der Antragsteller gegen die Ersuchen des Beklagten (Finanzamt --FA--) auf Eintragung einer Sicherungshypothek und auf Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens. Nachdem das FG mit Beschluss vom 17. Dezember 2005 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) mit eingehender Begründung wegen fehlender Erfolgsaussicht der Klage abgewiesen hatte, wurde dem Antragsteller die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2006 am 22. November 2006 zugestellt. Einen Antrag auf Verlegung des Termins aus gesundheitlichen Gründen und weil der Antragsteller von der Finanzbehörde massiv dem Steuermobbing ausgesetzt und Strafanzeigen gegen Beamte des FA anhängig seien, wies das FG zunächst mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 zurück, weil das Vorliegen erheblicher Gründe für die Verlegung des anberaumten Termins nicht glaubhaft gemacht sei. Daraufhin legte der Antragsteller am 7. Dezember 2006 ein amtsärztliches Gutachten vom 4. August 2006 vor, welches er in einem anderen Verfahren mit dem Ergebnis der Terminsverlegung (zur fachpsychiatrischen Klärung einer möglichen schweren Depression mit akuter Selbstmordgefährdung) beigebracht hatte, und machte geltend, eine Terminsverlegung sei zwingend erforderlich, um persönlich Gelegenheit zu haben, die noch zu ermittelnden neuesten Erkenntnisse vortragen zu können.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2006 erging in Abwesenheit des Antragstellers das Urteil, mit dem die Klage abgewiesen wurde. Zur Ablehnung der Terminsverlegung führte das FG aus, das Erheben von Strafanzeigen gegen Angehörige der Finanzbehörden stelle keinen erheblichen Grund für die Aufhebung eines finanzgerichtlichen Termins dar, der Antragsteller habe ausreichend Zeit gehabt, aus seiner Sicht Entscheidungserhebliches vorzutragen, zumal es bei der Überprüfung der angefochtenen Ermessensentscheidung auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung, nicht aber auf den der mündlichen Verhandlung ankomme. Eine schwere Erkrankung, die ihn gegenwärtig verhandlungsunfähig mache, habe der Antragsteller auch mit dem vorgelegten Attest nicht nachgewiesen. Im Übrigen begründete das FG eingehend die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ersuchen auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek und auf Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens.
Für eine noch einzulegende Revision bzw. --falls eine solche entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils doch unzulässig sein sollte-- Nichtzulassungsbeschwerde beantragte der Antragsteller beim Bundesfinanzhof (BFH) die Bewilligung von PKH mit der Bitte, ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt als Verfahrensfehler sinngemäß die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das FG trotz seines Antrags vom 7. Dezember 2006 und ohne sein Wissen öffentlich verhandelt habe und ihm deshalb die Möglichkeit genommen sei, das Unrecht persönlich glaubhaft zu machen und Nachweise, Dokumente und Ermittlungserkenntnisse der Staatsanwaltschaft vorzuzeigen.
Entscheidungsgründe
II. Der zulässige Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Aus diesem Grund kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (§ 78 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschluss vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10).
2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist nicht bereits deshalb erfolglos, weil die Beschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft i.S. des § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden.
3. Eine Wiedereinsetzung scheitert vorliegend daran, dass weder die durch Einlegen einer Revision noch durch Erheben einer Nichtzulassungsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung --auch bei einer im Hinblick auf die in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verbürgte Rechtsschutzgleichheit für Bemittelte und Unbemittelte möglicherweise gebotenen Prüfung von Amts wegen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2003 X S 9/03 (PKH), BFH/NV 2004, 221)-- Aussicht auf Erfolg bietet.
Eine Revision wäre gemäß § 115 Abs. 1 FGO unzulässig, da weder das FG noch bislang der BFH sie zugelassen hat. Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für eine Zulassung der Revision vorliegt.
a) Die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Beisein des Antragstellers stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs i.S. des § 96 Abs. 2 FGO i.V.m. Art. 103 GG und damit keinen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar. Das FG hat den Vertagungsantrag zu Recht deshalb abgelehnt, weil der Antragsteller keinen erheblichen Grund für die Verlegung des Termins i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO glaubhaft gemacht hat. Die vom FG dazu im Urteil gemachten Ausführungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist dem FG darin zuzustimmen, dass weder mit dem vom August 2006 stammenden amtsärztlichen Attest noch auf sonstige Weise nachgewiesen worden ist, dass der Antragsteller durch eine Erkrankung an der Wahrnehmung des Termins am 12. Dezember 2006 gehindert war (zu den Anforderungen an den Nachweis der krankheitsbedingten Verhinderung vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 10. April 2006 X B 162/05, BFH/NV 2006, 1332, m.w.N.).
Unschädlich ist auch, dass dem Antragsteller die Ablehnung seines Antrags vom 7. Dezember 2006 offenbar nicht bekannt geworden ist, denn dies muss er sich selbst zurechnen lassen. Nach Aktenlage konnte er schon aus zeitlichen Gründen nicht mit einer Bescheidung vor dem Tag vor der anberaumten Verhandlung am 12. Dezember 2006 rechnen. Der Antrag ging mit Fax am Donnerstag, 7. Dezember 2006, um 19.14 Uhr beim FG ein. Der Antragsteller hätte deshalb zumindest am Montag, den 11. Dezember 2006, erreichbar sein müssen. Versuche des Berichterstatters, den Antragsteller am Montag, den 11. Dezember 2006, per Fax bzw. per Telefon darüber zu unterrichten, dass der Termin stattfinden werde, blieben aber erfolglos, obwohl die Ehefrau des Antragstellers auf telefonische Nachfrage erklärt hatte, der Antragsteller sei ab 19.00 Uhr zu erreichen und sie werde den PC zur Entgegennahme des Faxes einschalten.
Abgesehen davon muss sich der Antragsteller nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch zurechnen lassen, dass er trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung und obwohl ihm der Amtsarzt ausdrücklich die fachärztliche Klärung und Behandlung seines Zustandes aufgegeben hatte, keine Vorsorge für die Wahrnehmung eines Termins getroffen hat (BFH-Beschlüsse vom 20. Juni 1974 IV B 55-56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637; vom 10. Oktober 2001 IX B 157/00, BFH/NV 2002, 365; vom 16. Dezember 1994 III B 43/94, BFH/NV 1995, 890; vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777; BFH-Urteil vom 7. Februar 1995 VIII R 48/92, BFH/NV 1996, 43).
b) Auch die Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Anträge des FA auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek und auf Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens lassen Rechtsfehler und einen Grund, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Zulassung der Revision geboten erscheinen ließe, nicht erkennen. Das FG hat diese Verwaltungsakte zutreffend daraufhin überprüft, ob die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) vorliegen. Es hat weiter für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Voraussetzungen für die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken nach § 322 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Streitfall nicht erfüllt seien, sich weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch aus den Vollstreckungsakten des FA ergäben, und eingehend geprüft, ob das FA den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere die Vermeidung aussichtsloser Vollstreckungsmaßnahmen, und das Subsidiaritätsprinzip des § 322 Abs. 4 AO, nämlich den Nachrang der Zwangsversteigerung nach der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen, beachtet hat. Schließlich hat es bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung hinsichtlich des Antrags auf Durchführung der Zwangsversteigerung zutreffend auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung abgestellt. Da das FA zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen des FG die gesundheitliche Situation des Antragstellers und seiner Ehefrau nicht kannte, die zur vorübergehenden Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 765a ZPO durch das Amtsgericht geführt hat, konnte sich die Nichtberücksichtigung dieses Zustandes auf die Rechtmäßigkeit des Zwangsversteigerungsantrags nicht auswirken.
Bietet nach alledem die Rechtsverfolgung des Antragstellers keine hinreichende Erfolgsaussicht, kann ihm PKH dafür nicht gewährt werden.
4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; BFH-Beschluss vom 17. September 2002 X S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 73).
Fundstellen
Haufe-Index 1839031 |
BFH/NV 2008, 224 |