Leitsatz (amtlich)
Werden Eingangsabgaben, die bereits durch die Weiterveräußerung der zum freien Verkehr abgefertigten Ware auf die Abnehmer abgewälzt, später aber erstattet worden sind, ganz oder zum Teil wieder angefordert, so kann ein berechtigtes Interesse an einem vorläufigen Rechtsschutz nicht anerkannt werden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3
Tatbestand
Die Antragstellerin ließ am 13. August 1968 Stangenspargelkonserven verschiedener Qualitäten aus Formosa zum freien Verkehr abfertigen. Unter Vorlage von Gutachten des Sachverständigen X. beantragte die von ihr mit der Abfertigung beauftragte Transportgesellschaft mit Schreiben vom 9. September 1968, die danach festgestellten Minderwerte bei der Abgabenberechnung zu berücksichtigen. Nachdem das Zollamt (ZA) die Zollwerte dementsprechend berichtigt und die Abgaben insoweit erstattet hatte, forderte es aufgrund der Ermittlungen der Zollfahndungsstelle einen Teil des erstatteten Zolls zurück, wobei es anstelle der ursprünglichen Wertminderung von 25 v. H. nur eine solche von 10 v. H. des Rechnungspreises (Erlösschmälerung) berücksichtigte. Über den von der Antragstellerin eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden. Das ZA lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab. Im gleichen Sinne entschied das Finanzgericht (FG) auf den bei ihm gestellten Aussetzungsantrag.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Ob die Bedenken des FG gegen die Richtigkeit der Gutachten des Sachverständigen berechtigt sind und ob ernstliche Zweifel an der vom ZA vorgenommenen Schätzung der Wertminderung bestehen, kann dahinstehen. Denn der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Sollvorschrift des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO dahin ausgelegt, daß bei der Anforderung von Eingangsabgaben eine Aussetzung der Vollziehung in der Regel nicht geboten sei, weil diese Abgaben in der auf die einzelne Warenart entfallenden Höhe in den Preis eingehen, der Abgabenschuldner also die zu ihrer Entrichtung notwendigen Mittel dadurch erlangt, daß er sie durch Weiterveräußerung der Ware von seinen Abnehmern hereinholt (s. Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 6. Februar 1967 VII B 46/66, BFHE 87, 414 BStBl III 1967, 123; vom 28. Juni 1967 VII B 12/66, BFHE 89, 82 BStBl III 1967, 513). Zwar hat er diese Auslegung im allgemeinen dann nicht für möglich gehalten, wenn diese Abgaben nach der Weiterveräußerung der Ware nachgefordert werden. Denn in diesen Fällen würde es dem Importeuer nur bei entsprechender vertraglicher Absicherung gelingen, die nachgeforderten Abgaben von seinen Abnehmern nachträglich hereinzuholen. Anders liegt es jedoch, wenn Eingangsabgaben nachgefordert werden, die bereits auf die Abnehmer überwälzt und dann erstattet worden waren. In diesen Fällen hat der Einführer als Abgabenschuldner bereits die zur Entrichtung der Abgaben notwendigen Mittel durch die Weiterveräußerung von seinen Abnehmern hereingeholt (vgl. BFH-Entscheidung VII B 46/66). Ihm können daher für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens durch die Vollziehung des Nachforderungsbescheids keine nicht mehr behebbaren Nachteile in der Weise entstehen, daß der durch Art. 19 Abs. 4 (GG) garantierte Rechtsschutz im Hauptverfahren zu spät käme. Daher kann, wenn Eingangsabgaben, die bereits durch die Weiterveräußerung der zum freien Verkehr abgefertigten Ware auf die Abnehmer abgewälzt, später aber erstattet worden sind, ganz oder zum Teil wieder nachgefordert werden, ein berechtigtes Interesse an einem vorläufigen Rechtsschutz nicht anerkannt werden.
Im Streitfall trägt die Antragstellerin selbst vor, daß sie die Waren trotz der von der Zollfahndungsstelle nachträglich festgestellten Minderwerte ohne Verlust weiterverkauft habe bzw. daß die Waren fast immer als einwandfrei weiterveräußert worden seien, auch wenn sie Mängel aufwiesen. Auch nach den Feststellungen der Zollfahndungsstelle hat die Antragstellerin die Eingangsabgaben im Preis ohne Rücksicht auf die Wertminderung auf ihre Abnehmer abwälzen können. Lediglich bei den festgestellten Erlösminderungen konnte sie geringere Preise erzielen, was wiederum durch entsprechend niedrigere Nachforderungen berücksichtigt wurde. Da die Antragstellerin außerdem vom ZA die Eingangsabgaben erstattet erhalten hat, die der von ihr geltend gemachten Wertminderung entsprachen, ist es nicht mehr wie recht und billig, sie hinsichtlich der Aussetzung der Vollziehung der wieder angeforderten Eingangsabgaben, die der nach Ansicht der Verwaltung nicht gerechtfertigten Wertminderung entsprechen, so zu stellen, als ob keine Nachforderung erfolgt wäre. Daher war nicht mehr zu prüfen, ob an der Rechtmäßigkeit der Wiedererhebung des Zolls, der jedenfalls nicht höher, sondern in den meisten Fällen niedriger als der erstattete Zoll war, ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen. Da demnach das FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat, war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514634 |
BFHE 1973, 412 |