Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: fehlerhafte Rechtsanwendung; qualifizierter Rechtsanwendungsfehler; Beweiserleichterung bei überlanger Verfahrensdauer
Leitsatz (NV)
1. Durch die Rüge unzutreffender Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
2. Der bloße Hinweis auf angebliche erhebliche Rechtsfehler reicht nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen.
3. Es ist höchstrichterlich geklärt, inwieweit sich die Verfahrensdauer auf die objektive Feststellungslast auswirken kann und unter welchen Umständen Beweiserleichterungen das Ausmaß der Überzeugungsbildung im Rahmen der gerichtlichen Beweiswürdigung beeinflussen können, wenn durch eine unangemessene Behandlung des Verfahrens ein Beweismittel verloren geht.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 06.05.2008; Aktenzeichen 14 K 2566/06 E) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offen bleiben, ob --wie der Beklagte und Beschwerdegegner vorgetragen hat-- die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), auf die Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) sowie auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützte Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die im angefochtenen Urteil vertretene Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG), wonach die vom Kläger an seine behinderte Schwester geleisteten Zahlungen nicht als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen werden können. Die in diesem Zusammenhang sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit bei einer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erklärten Vermögensübertragung Anschaffungskosten anzunehmen seien, wenn eine teilentgeltliche Übertragung auf ein Kind vorgenommen und das andere --behinderte-- Kind, das auf Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtet hat, neben der Einräumung eines Wohnrechts auch an den Mieterträgen beteiligt wird, welche in Form einer "Mindest"rente gezahlt werden, ist jedenfalls nicht abstrakt klärungsbedürftig. Denn die Antwort auf diese Rechtsfrage ergibt sich im jeweils zu entscheidenden Einzelfall aus den maßgeblichen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes sowie ggf. der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Soweit sich der Kläger nach dem sachlichen Gehalt seines Beschwerdevorbringens --in der Art einer Revisionsbegründung-- gegen die Tatsachenwürdigung und Rechtsauffassung des FG im entschiedenen Einzelfall wendet, kann er mit solchen --der Revision vorbehaltenen-- Rügen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden. Auch soweit der Kläger die Frage des Vorrangs späterer vertraglicher Vereinbarungen gegenüber früheren Vereinbarungen für klärungsbedürftig hält, wird damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet; eine solche Frage ist stets einzelfallbezogen anhand der getroffenen Abreden zu entscheiden. Die von dem Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Fragen, inwieweit sich die Verfahrensdauer auf die objektive Feststellungslast auswirken kann und unter welchen Umständen Beweiserleichterungen das Ausmaß der Überzeugungsbildung im Rahmen der gerichtlichen Beweiswürdigung beeinflussen können, wenn durch eine unangemessene Behandlung des Verfahrens ein Beweismittel verloren geht, sind bereits höchstrichterlich geklärt (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. August 2007 VIII B 211/06, BFH/NV 2007, 2312).
Eine Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) geboten. Zwar ist die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO auch dann zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte (ständige Rechtsprechung, s. BFH-Beschluss vom 28. August 2007 VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113, m.w.N.). Diese Voraussetzung kann etwa dann vorliegen, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597) oder wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2006 III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116). Unterhalb dieser Schwelle liegende erhebliche Rechtsfehler reichen dagegen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Juli 2005 IX B 13/05, BFH/NV 2005, 2031). Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass ein qualifizierter, zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO führender Rechtsanwendungsfehler vorliege. Der alleinige Hinweis auf die im Urteil vorgeblich unzutreffend ermittelten Bemessungsgrundlagen für die Absetzungen für Abnutzung und auf die angeblich fehlerhafte Nichtberücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten in Höhe des Zinsanteils der geleisteten Rentenzahlungen reicht hierzu nicht aus.
Soweit nach Auffassung des Klägers ein Verfahrensmangel darin liegt, dass das FG die vorgelegte eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau als nicht geeignet ansah, den Versorgungscharakter der Zahlungen an die Schwester des Klägers nachzuweisen, ohne die im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesende Ehefrau sowie ggf. weitere Verwandte als Zeugen zu vernehmen, wird sinngemäß geltend gemacht, das Gericht habe gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zur ordnungsgemäßen Rüge eines dahin gehenden Verfahrensmangels wäre indes die genaue Angabe der Beweismittel --im Streitfall etwa durch Angabe der Namen der zu hörenden Zeugen-- erforderlich gewesen, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm aber als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen; ferner hätte dargelegt werden müssen, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt wurden, da ein Verfahrensmangel nach § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden kann, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Einhaltung die Prozessbeteiligten verzichten können und auch verzichtet haben, indem sie ihre Verletzung nicht gerügt haben (z.B. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall.
Auch eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) ist nicht gegeben. Auf naheliegende tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte braucht das Gericht zumindest dann nicht hinzuweisen, wenn die Beteiligten --wie im Streitfall-- fachkundig sind. Abgesehen davon muss ein Beteiligter bei unklarer Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2006 IX B 50/06, BFH/NV 2007, 1135, m.w.N.).
Fundstellen