Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Betriebsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Das Finanzamt kann, gestützt auf § 175 in Verbindung mit § 201 AO, vom Steuerpflichtigen als "Drittem" vorbehaltlich der sich aus § 176 AO ergebenden Beschränkung Auskunft darüber verlangen, wer ihm Hilfe in Steuersachen geleistet hat, und kann diese Auskunftserteilung nach § 202 AO auch dann erzwingen, wenn die verlangte Auskunft dazu dienen soll, im Rahmen der Steueraufsicht der verbotenen Steuerhilfe durch Maßnahmen gegen den etwa nicht zugelassenen Helfer in Steuersachen entgegenzutreten.
Normenkette
AO §§ 107a, 175-176, 201-202
Tatbestand
I. -
Streitig ist, ob die an die Bgin. gerichtete Verfügung des Finanzamts X. vom 2. Dezember 1958 rechtlich Bestand haben kann. Die Verfügung hat folgenden Wortlaut:
"Betrifft: Androhung und Festsetzung eines Erzwingungsgeldes.
Bezug: ohne. Mit Beschluß des Finanzgerichts Y. II. Kammer - II 268/58 - wurde die Verfügung über die Androhung des Erzwingungsgeldes vom 10. Juni 1958 ersatzlos aufgehoben. Die Festsetzung eines Erzwingungsgeldes in Höhe von 30 DM und die erneute Androhung eines Erzwingungsgeldes von 50 DM mit Verfügung vom 12. Juli 1958 nehme ich auf Grund des o. a. Beschlusses des Finanzgerichts gem. § 95 Abgabenordnung (AO) zurück.
Sie werden nunmehr erneut gebeten, den Namen der Vertrauensperson, die Ihnen bei Ihren Buchhaltungsarbeiten geholfen hat, mit voller Anschrift dem Finanzamt bis zum 20. Dezember 1958 anzugeben. Die Namensnennung der Vertrauensperson ist erforderlich, da das FA im vorliegenden Fall prüfen muß, ob verbotene Hilfe in Steuersachen vorliegt oder nicht.
Sollten Sie diesem Ersuchen nicht fristgemäß nachkommen, wäre ich zu meinem Bedauern gezwungen, zur Wahrung der öffentlichen Interessen gegen Sie gemäß § 202 AO ein Erzwingungsgeld von 30 DM festzusetzen. Die Festsetzung von Erzwingungsgeldern kann solange wiederholt werden, bis Sie der Aufforderung Folge leisten.
Die Aufforderung beruht auf § 175 und § 201 AO." (Folgt Rechtsmittelbelehrung)
Auf die Beschwerde an das Finanzgericht hob dieses die vorgenannte Verfügung auf. Zur Begründung führt es aus: Das Finanzamt habe zwar in der Verfügung durch die Bezugnahme auf die §§ 175 und 201 AO und den Hinweis auf die Wahrung der öffentlichen Interessen zu erkennen gegeben, daß es sich bei seiner Verfügung um eine Maßnahme der Steueraufsicht handeln sollte; auch habe es vermieden, auf § 107 a AO Bezug zu nehmen. Die Verfügung des Finanzamts enthalte aber im übrigen nur die Begründung, daß das Finanzamt auf Grund der verlangten Auskunft prüfen müsse, "ob verbotene Hilfe in Steuersachen vorliegt oder nicht". Dieser Hinweis reiche aber zur Begründung der angefochtenen Verfügung nicht aus, "weil die vom Finanzamt getroffene Anordnung nicht im Besteuerungsverfahren ergangen sei". Der Beschluß des Bundesfinanzhofs II 169/53 S vom 2. März 1955, in dem der Bundesfinanzhof unter Ablehnung einer gegenteiligen Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil IV C 01.53 vom 13. November 1953, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 1 S. 21 ff.) entschieden habe, daß unter "Besteuerungsverfahren" im Sinne von § 202 AO auch die "Vorbereitung, Sicherung und Nachprüfung der Besteuerung" zu verstehen sei und daß dazu auch Anordnungen gehörten, die ungeeignete, und daher nicht als Helfer in Steuersachen zugelassene Personen von der steuerlichen Beratung der Steuerpflichtigen fernhalten, habe die Frage offengelassen, ob andere Personen nach § 202 AO gezwungen werden können, den Finanzämtern bei der Ermittlung der Fälle unerlaubter Hilfe in Steuersachen behilflich zu sein. Der Ansicht von Stieler (Finanz- Rundschau 1955 S. 520), daß solches zulässig sei, vermöge das Finanzgericht nicht zu folgen. Wie die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Bundesfinanzhof und dem Bundesverwaltungsgericht zeige, könne es schon zweifelhaft sein, ob Maßnahmen gegen den nichtzugelassenen Helfer in Steuersachen Maßnahmen im Besteuerungsverfahren (im Sinne von § 202 AO) darstellten. Maßnahmen gegen Steuerpflichtige, die sich in ihren Steuersachen von dazu nicht befugten Personen helfen lassen, könnten jedenfalls solange nicht als im Besteuerungsverfahren erlassen angesehen werden, als für diese Steuerpflichtigen nicht ersichtlich sei, daß das Finanzamt mit seinen Maßnahmen unmittelbar darauf abziele, einen Steuerpflichtigen, nämlich den Helfer in Steuersachen zur Besteuerung zu erfassen. Solle dagegen der Helfer nur ermittelt werden, um gegen ihn mit Zwangsmitteln oder Strafen vorgehen zu können, so würde dies darauf hinauslaufen, daß das Finanzamt sich zur Begründung seiner Anordnung letztlich doch wieder nur auf die Bestimmung des § 107 a AO berufe. Dies reiche aber dem Steuerpflichtigen gegenüber, wie der Bundesfinanzhof in den Entscheidungen II 27/54 S vom 27. April 1955 und II 232/56 U vom 18. September 1957 dargelegt habe, nicht aus.
Mit der Rb. des Vorstehers des Finanzamts wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Das Finanzgericht habe aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, auf die es sich stützen zu können glaube, zu weitgehende Folgerungen gezogen. Gerade der Rechtssatz des Beschlusses des Bundesfinanzhofs II 232/56 U vom 18. September 1957 spreche für die Ansicht des Finanzamts und gegen die vom Finanzgericht vertretene. Das Finanzamt stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß eine Maßnahme zur Sicherung der Besteuerung bereits dann vorliege, wenn verhindert werden sollte, daß ein nichtzugelassener Helfer in Steuersachen, dem offensichtlich die nötige Sachkenntnis fehle, Steuereinnahmen bei dem von ihm beratenden Steuerpflichtigen verkürze, unabhängig davon, ob zugleich der Helfer in Steuersachen selbst zur Besteuerung erfaßt werden solle oder nicht.
II. -
Entscheidungsgründe
Mit zutreffenden Gründen hat das Finanzgericht in seiner Entscheidung zunächst den Einwand der Bgin. gegen die äußere Form der angegriffenen Verfügung zurückgewiesen (es fehlte auf der unterschriebenen Ausfertigung ein Abdruck des Dienstsiegels). Auch gegenüber der Rüge der Bgin., das Finanzamt habe, nachdem es im ersten Teil der Verfügung seine frühere Anordnung entsprechend der ersten Entscheidung des Finanzgerichts vom 14. Oktober 1958 aufgehoben habe, im zweiten Teil die gleiche Anordnung nicht erneut treffen dürfen, weil der Tatbestand, der das Finanzamt zu seiner ersten Verfügung veranlaßt habe, durch deren rechtskräftige Aufhebung verbraucht gewesen sei, hat das Finanzgericht in rechtlich einwandfreier Weise darauf hingewiesen, daß durch seine erste Entscheidung nur rechtskräftig festgestellt worden sei, die Bezugnahme auf § 175 AO sei keine ausreichende Begründung für das Auskunftsersuchen des Finanzamts gewesen. Diese Feststellung des Finanzgerichts schließe nicht aus, denselben Sachverhalt noch einmal zum Gegenstand eines in rechtlich einwandfreier Weise begründeten Auskunftsersuchens zu machen. Das Finanzgericht habe nicht festgestellt, daß die Bgin. zu einer Auskunftserteilung nicht verpflichtet sei, sondern nur, daß das Ersuchen des Finanzamts vom 10. Juni 1958 gesetzlich nicht so begründet gewesen sei, daß es hätte bestätigt werden können.
Nicht zu folgen vermag der Senat jedoch der unter I. wiedergegebenen Rechtsauffassung des Finanzgerichts in der eigentlichen Kernfrage dieses Rechtsstreits.
Für die Entscheidung dieser Frage ist auszugehen von der grundsätzlichen Entscheidung des Bundesfinanzhofs in dem Beschluß II 169/53 S vom 2. März 1955 (BStBl 1955 III S. 121, Slg. Bd. 60 S. 317). Der früher für derartige Reichsabgabenordnungssachen zuständige II. Senat hat dort entschieden, daß unter "Besteuerungsverfahren" im Sinne des § 202 AO auch die "Vorbereitung, Sicherung und Nachprüfung der Besteuerung" zu verstehen ist, und daß dazu auch Anordnungen gehören, die solche Personen von der steuerlichen Beratung der Steuerpflichtigen fernhalten, denen es an der erforderlichen Sachkunde fehlt und die deshalb nicht als Helfer in Steuersachen zugelassen sind. Daran hält der jetzt für Zwangsmittel des § 202 AO zuständige erkennende Senat fest.
Der Sicherung der Besteuerung dient die "Steueraufsicht". Sie umfaßt die Verpflichtung der Finanzämter, darüber zu wachen, "ob ... oder in sonstiger Weise zu Unrecht Steuereinnahmen verkürzt werden" (§ 201 AO). Nichtzugelassenen Helfern in Steuersachen gegenüber beinhaltet die Steueraufsicht nicht nur Maßnahmen, um zu verhindern, daß diese Helfer in Steuersachen eigene Steuern verkürzen, sondern auch Maßnahmen zur Fernhaltung solcher Helfer in Steuersachen von der geschäftsmäßigen Beratung der Steuerpflichtigen, damit nicht als Folge unerlaubter Steuerhilfe durch das Tätigwerden ungeeigneter oder unzuverlässiger Personen Steuern bei den beratenen Steuerpflichtigen verkürzt werden. Zur Durchführung dieser Steueraufsicht ist vordringlichstes Erfordernis, daß die Finanzämter davon Kenntnis erhalten, wer dem Steuerpflichtigen bei der Erledigung seiner steuerlichen Verpflichtungen Hilfe geleistet hat. Der Bundesfinanzhof hat daher auch seinem Beschluß II 232/56 U vom 18. September 1957 (BStBl 1957 III S. 426, Slg. Bd. 65 S. 505) den Rechtssatz vorangestellt:
"Das Finanzamt ist bei Verdacht unerlaubter Steuerhilfe grundsätzlich befugt, von den Steuerpflichtigen Auskunft darüber zu verlangen, wer ihnen bei Abfassung von bei den Finanzbehörden eingereichten Schriftsätzen behilflich gewesen ist."
Auch daran hält der erkennende Senat fest. Die Schlußfolgerung, die das Finanzgericht aus dem drittletzten Absatz dieser Entscheidung und dem dort genannten Urteil des Bundesfinanzhofs II 27/54 S vom 27. April 1955 (BStBl 1955 III S. 178, Slg. Bd. 60 S. 468) gezogen hat, daß nämlich dem offenbar von einem nichtzugelassenen Helfer in Steuersachen beratenen Steuerpflichtigen gegenüber Auskunft über die ihn beratende Person nur verlangt werden könne, um zu prüfen, ob diese ihre eigenen Steuern ordnungsmäßig bezahlt habe, geht jedoch, wie mit der Rb. zutreffend ausgeführt wird, zu weit. Schon die oben angeführte Fassung des Rechtssatzes zum Beschluß vom 18. September 1957 spricht gegen diese Auffassung. Aber auch die Ausführungen in den beiden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, die sich darauf beziehen, daß Zwangsmaßnahmen gegen den Steuerpflichtigen nicht auf § 107 a AO gestützt werden können, und denen der erkennende Senat ebenfalls beitritt, sind nicht im Sinne der Vorentscheidung aufzufassen. Sie stellen nur fest, daß dem Steuerpflichtigen gegenüber zu ergreifende Zwangsmaßnahmen wegen der Auskunftserteilung über ihn beratende Personen nicht auf § 107 a AO als verpflichtende Rechtsgrundlage gestützt werden können. Denn § 107 a betrifft nur die Rechtsverhältnisse zwischen den Helfern in Steuersachen und der Finanzverwaltung, während die Auskunftspflicht des Steuerpflichtigen, um die es auch im Streitfall geht, ihre Rechtsgrundlage in § 175 in Verbindung mit § 201 AO hat, wobei der von einem nichtzugelassenen Helfer in Steuersachen beratene Steuerpflichtige als "Dritter" über Tatsachen Auskunft zu erteilen hat, die für die Ausübung der Steueraufsicht ... von Bedeutung sind". Den nichtzugelassenen Helfern in Steuersachen gegenüber bezieht sich - wie oben ausgeführt - die Steueraufsicht aber nicht nur darauf, ob sie selbst ihre eigenen Steuern nicht verkürzt haben, sondern auch darauf, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß durch die Tätigkeit solcher Steuerhelfer nicht Steuern der von ihnen beratenen Steuerpflichtigen verkürzt werden, also auf die Verhinderung unerlaubter Steuerhilfe.
Auch die Ausführungen von Fließbach in Steuer und Wirtschaft 1958 Spalten 198 ff. stehen nach Ansicht des Senats der vorstehend von ihm vertretenen Auffassung nicht entgegen. Das geht insbesondere aus den Ausführungen in Spalte 200 Nr. 4 und Spalte 202 Nr. 6 hervor.
Aus alledem ergibt sich, daß das Finanzamt, gestützt auf § 175 in Verbindung mit § 201 AO, vom Steuerpflichtigen als "Drittem" vorbehaltlich der sich aus § 176 AO ergebenden Beschränkung Auskunft darüber verlangen kann, wer ihm Hilfe in Steuersachen geleistet hat, und daß es diese Auskunftserteilung nach § 202 AO vom Steuerpflichtigen auch dann erzwingen kann, wenn die verlangte Auskunft dazu dienen soll, im Rahmen der Steueraufsicht durch Maßnahmen gegen den etwa nichtzugelassenen Helfer in Steuersachen der verbotenen Steuerhilfe entgegenzutreten.
Da die Vorinstanz die Rechtslage insoweit verkannt hat, war ihre Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
Die angegriffene Verfügung des Finanzamts vom 2. Dezember 1958, mit der es unter Androhung eines Zwangsmittels von der Bgin. Auskunft über die Person verlangt hat, die ihr bei der Erledigung ihrer steuerlichen Angelegenheiten behilflich war, stützt sich zutreffend auf die in Betracht kommenden gesetzlichen Grundlagen (§§ 175 und 201 AO) und gibt als Grund an, es sei notwendig, zu prüfen, ob verbotene Hilfe in Steuersachen vorliege. Damit begründet das Finanzamt seine Maßnahme, auch der Bgin. hinreichend erkennbar, mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung der Steueraufsicht und der Verpflichtung der Bgin., über Tatsachen Auskunft zu erteilen, die für die Ausübung der Steueraufsicht von Bedeutung sind. Da die von der Bgin. verlangte Auskunft durch ihre eigenen Angaben veranlaßt worden war - ihre späteren einschränkenden Erklärungen sind als offensichtliche Schutzbehauptung unbeachtlich - und da das Auskunftsverlangen für die Bgin. auch zumutbar war und das einzige Mittel darstellte, die im Interesse der Steueraufsicht erforderliche Feststellung zu treffen, erweist sich die Verfügung des Finanzamts als rechtlich zulässig und auch nicht ermessensmißbräuchlich. Die Beschwerde gegen diese Verfügung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410040 |
BStBl III 1961, 265 |
BFHE 1961, 729 |
BFHE 72, 729 |