Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei Nichtvorlage der Mittellosigkeitserklärung
Leitsatz (NV)
Einer PKH-Antragstellerin ist zuzumuten, daß sie sich rechtzeitig vor Fristablauf um die Besorgung der einschlägigen Erklärungsvordrucke bemüht. Die Behauptung, eine "eidesstattliche Versicherung" (über Vermögenslosigkeit) vor dem Amtsgericht abgegeben zu haben, ersetzt nicht die formblattgemäße Erklärung über die Vermögensverhältnisse.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 4
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) teilweise abgewiesen. Das Urteil ist ihr am 11. November 1997 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 1997, der am 10. Dezember 1997 beim FG einging, beantragt die Antragstellerin die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) zur formgerechten Einlegung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil durch einen Rechtsanwalt. Sie bitte um Anerkennung ihres formlosen Antrags, da es ihr nicht möglich gewesen sei, die vorgeschriebenen Antragsvordrucke zu erhalten; das nächste Amtsgericht sei ca. 25 km entfernt. Sie versichere an Eides Statt, daß sie über keinerlei eigenes Einkommen verfüge und im Januar 1996 die eidesstattliche Versicherung vor dem Amtsgericht abgegeben habe. Hilfsweise beantrage sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur form- und fristgerechten Einlegung der Rechtsmittel durch einen Rechtsanwalt.
Die Erklärung der Antragstellerin über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging am 26. Februar 1998 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.
Nach §142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem beim Prozeßgericht zu stellenden Antrag (§117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§117 Abs. 2 ZPO).
Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Verfügt ein Beteiligter nicht über ausreichende Mittel für die nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEnltG) erforderliche Beiziehung eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers für die Einlegung des Rechtsmittels, so besteht zwar, nachdem ihm PKH bewilligt ist, die Möglichkeit zu einer wirksamen und formgerechten Einlegung des Rechtsmittels durch einen postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist. Voraussetzung hierfür ist aber, daß dem Rechtsmittelführer wegen seiner Mittellosigkeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Wiedereinsetzung kommt in bezug auf die versäumte Frist für das einzulegende Rechtsmittel allerdings nur dann in Betracht, wenn der Antragsteller innerhalb der Frist alles in seinen Kräften Stehende getan hat, um das der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels entgegenstehende Hindernis zu beheben. Dazu gehört, daß er innerhalb der Rechtsmittelfrist unaufgefordert auch die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach §117 Abs. 2 und 4 ZPO vorlegt. Geschieht dies nicht, so kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht gewährt werden (ständige Rechtsprechung, z. B. Beschlüsse des BFH vom 25. März 1986 III R 134/80, BFH/NV 1986, 631; vom 28. September 1994 II S 4/94, BFH/NV 1995, 258, und vom 22. April 1997 VII S 1/97, BFH/NV 1997, 704).
Die Antragstellerin hat zwar innerhalb der Rechtsmittelfrist, die am 11. Dezember 1997 endete, die Bewilligung von PKH beantragt; daß sie den Antrag beim FG gestellt hat, ist unschädlich (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Januar 1996 V S 11/95, V B 122/95, BFH/NV 1996, 633). Eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Antragstellerin aber innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingereicht. Zwar kommt auch hinsichtlich der Vorlage dieser Erklärung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §56 FGO in Betracht, wenn ein Antragsteller ohne Verschulden daran gehindert war, diesem Erfordernis fristgerecht nachzukommen (vgl. Senatsbeschluß vom 22. August 1995 XI S 19/95, BFH/NV 1996, 168, m. w. N.). Die von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe vermögen die Fristversäumnis aber nicht zu entschuldigen. Insbesondere im Hinblick darauf, daß ihr die Notwendigkeit der fristgerechten Vorlage der Erklärung bewußt war, verletzt ihr Verhalten die ihr obliegende und zumutbare Sorgfaltspflicht. Denn sie hat nichts unternommen, um sich die Vordrucke rechtzeitig zu besorgen; sie hätte beim FG oder Amtsgericht um deren Übersendung nachsuchen können. Die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin hinsichtlich ihres Einkommens vermag die erforderliche Erklärung gemäß §117 Abs. 2 ZPO schon deshalb nicht zu ersetzen, weil die Benutzung des Vordrucks gemäß §117 Abs. 4 ZPO zwingend vorgeschrieben ist.
Fundstellen
Haufe-Index 67550 |
BFH/NV 1998, 1371 |
JurBüro 1999, 392 |