Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine offenbare Unrichtigkeit bei Übernahme von ungeprüften Verlusten durch das FG
Leitsatz (NV)
Ein FG handelt nicht offenbar unrichtig, wenn es in seinem der Klage stattgebenden Urteil dem Antrag des Klägers auch der Höhe nach folgt, ohne im einzelnen zu prüfen, ob die geltend gemachten Beteiligungsverluste zutreffend sein könnten.
Normenkette
FGO § 107 Abs. 1; AO 1977 § 129
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist eine KG. Sie war in den Streitjahren (1971 bis 1976) an verschiedenen Verlustzuweisungsgesellschaften, u.a. an der . . . Reederei KG beteiligt. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte, Antragsteller und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) die Zugehörigkeit der Beteiligungen an den Verlustzuweisungsgesellschaften in den berichtigten Gewinnfeststellungsbescheiden für 1971 bis 1976 vom 14. Dezember 1978 und in der Einspruchsentscheidung nicht an. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Zugehörigkeit der vorbezeichneten Beteiligungen zum Betriebsvermögen der Klägerin mit Urteil vom 24. August 1983 anerkannt und die Gewinne antragsgemäß festgestellt.
Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 1983 beantragte das FA die Berichtigung des Tenors der FG-Entscheidung. Zur Begründung trug das FA vor, der Urteilstenor enthalte insofern eine offenbare Unrichtigkeit, als in den festgestellten Gewinnen Verluste aus der Beteiligung an der Fa. . . . Reederei KG berücksichtigt worden seien. Für diese Beteiligung ,,sei eine Mitteilung des FA S über negative Feststellungsbescheide bereits am 24. 8. 1973" ergangen. Das FA habe diese Mitteilung ausgewertet, ,,indem im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheide der von der Betriebsprüfung . . . angenommenen GbR Beteiligungsgesellschaft der Gewinn aus der Fa. . . . Reederei KG mit 0,00 DM angesetzt wurde". Das FG-Urteil enthalte keine Ausführungen über die Höhe aus den Beteiligungen an den Verlustzuweisungsgesellschaften. Das FG habe nicht begründet, weshalb es dem Klageantrag auch der Höhe nach gefolgt sei, obgleich schon in der Klageschrift vom 8. Oktober 1979 von der Klägerin erwähnt worden sei, daß die Mitunternehmerschaft der Klägerin an der . . . Reederei KG nicht anerkannt werde. Dies lasse den Schluß zu, daß das FG übersehen habe, daß hinsichtlich der . . . Reederei KG eine Mitteilung über 0,- DM vorgelegen habe.
Das FG hat den Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des FA.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Es liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor.
Nach § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen.
Daß im Streitfall weder ein Schreibfehler noch ein Rechenfehler vorliegt, steht außer Zweifel.
Eine ,,offenbare Unrichtigkeit" i. S. des § 107 Abs. 1 FGO - der Begriff ist mit dem in § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) verwendeten Begriff der ,,offenbaren Unrichtigkeit" identisch - wäre im Streitfall nur gegeben, wenn dem FG ein ,,mechanisches Versehen" ähnlich einem Schreibfehler oder Rechenfehler unterlaufen wäre, wie z. B. Fehler beim Ablesen der Steuertabelle und Übertragungsfehler (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62). Es kann dahingestellt bleiben, ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegen würde, wenn dem FG die Mitteilung des FA S vom 24. August 1973 vorgelegen hätte und das FG diese Mitteilung übersehen hätte; denn im Streitfall hat diese Mitteilung dem FG nicht vorgelegen. Selbst das FA hat ein solches nicht behauptet.
Bei den Akten des FG befindet sich zwar eine Mitteilung des FA S, aus der sich ergibt, daß die Fa. . . . Reederei KG nach einer rechtskräftigen Entscheidung des FG München für 1971 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehabt habe und daß über die Einsprüche gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1972 bis 1978 im gleichen Sinne entschieden worden sei. Bei dieser Mitteilung kann es sich aber nicht um die vom 24. August 1973 handeln; denn in ihr wird auf die Entscheidung des FG München vom 11. Juni 1980 Bezug genommen. Außerdem ist diese Mitteilung ausweislich der Akten des FG diesem erst am 9. Dezember 1983 als Anlage zu dem Antrag des FA vom 6. Dezember 1983 auf Berichtigung des Urteilstenors zugegangen. Der Umstand, daß die Klägerin in ihrer Klageschrift die Möglichkeit der Nichtanerkennung der . . . Reederei KG als Mitunternehmerschaft erwähnt hat, kann die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit ebensowenig rechtfertigen wie die Ausführungen des FA zur Mitunternehmerstellung der . . . Reederei KG in seinem Schriftsatz vom 6. Februar 1980.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das FG aufgrund dieser vorgetragenen Umstände verpflichtet gewesen wäre, Nachforschungen über die Existenz eines negativen Feststellungsbescheids anzustellen; denn falls das FG seine Aufklärungspflicht insoweit verletzt haben sollte, hätte dies nur in einem Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG vom 24. August 1983 als Verfahrensrüge geltend gemacht werden können. Eine Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit hingegen kann auf die Nichtberücksichtigung dieser Umstände nicht gestützt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 413732 |
BFH/NV 1985, 86 |