Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung von Verfahrensmängeln und Divergenz
Leitsatz (NV)
- Ein Verfahrensmangel wird nur dann in statthafter Weise gerügt, wenn vorgetragen wird, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Mangel beruhen kann. Hierzu reicht nicht der Vortrag aus, dass der Verfahrensmangel sich in einer fehlerhaften Begründung des FG-Urteils niedergeschlagen habe.
- Die Darlegung einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. erfordert die Gegenüberstellung widerstreitender abstrakter Rechtssätze (ständige Rechtsprechung).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zu Recht als unzulässig abgewiesen hat und ob sein Urteil in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen ist.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) erließ gegenüber der Klägerin für das Streitjahr (1996) einen Körperschaftsteuerbescheid, einen Bescheid zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer. Dabei hatte er jeweils die Besteuerungsgrundlagen geschätzt, nachdem zuvor Steuererklärungen nicht abgegeben worden waren. Die Klägerin erhob nach erfolglosen Einspruchsverfahren gegen diese Bescheide Klage.
Während des Klageverfahrens gab die Klägerin die ausstehenden Steuererklärungen ab. Das FA änderte daraufhin die angefochtenen Bescheide und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Auf die Anfrage, ob sie ebenfalls eine Erledigungserklärung abgebe, lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Juni 1999 den mit der Sache befassten Einzelrichter des FG ―Richter Y― wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Außerdem erklärte sie in einem weiteren Schreiben, sie mache die Änderungsbescheide "zum Gegenstand des Verfahrens" und führe den Rechtsstreit "als Fortsetzungsfeststellungsklage" fort. Der zuständige Senat des FG wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 13. Oktober 1999 zurück. Die Klägerin legte hiergegen Beschwerde ein; diese ist Gegenstand des beim Senat anhängigen Verfahrens I B 9/00.
Nach Ergehen der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch setzte Richter am FG Y eine mündliche Verhandlung auf den 18. November 1999 an. Aufgrund dieser Verhandlung wies das FG die Klage als unzulässig ab. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat keinen der geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision ordnungsgemäß dargelegt.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) darf die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil nur aus bestimmten, in der Vorschrift näher bezeichneten Gründen zugelassen werden. Diese Zulassungsgründe sind, wenn auf ihr Vorliegen eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt wird, "darzulegen" bzw. zu "bezeichnen" (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Fehlt es hieran, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.
2. Die Klägerin stützt ihre Nichtzulassungsbeschwerde zunächst auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Diesen sieht sie darin, dass das FG den Rechtsstreit vorschnell terminiert und entschieden habe, um noch vor der Entscheidung über ihr Befangenheitsgesuch vollendete Tatsachen zu schaffen. Außerdem habe das FG die von ihr abgegebene Prozesserklärung unrichtig ausgelegt.
Es mag dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Klägerin hiermit Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt hat. Denn jedenfalls ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht, dass das angefochtene Urteil auf dem gerügten Vorgehen des FG beruhen könnte. Das aber ist Voraussetzung für eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO und muss deshalb im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen werden (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 65 i.V.m. § 120 Rz. 38, und die dort nachgewiesene Rechtsprechung).
Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung eines Verfahrensmangels reicht insbesondere nicht der Vortrag der Klägerin aus, bei sachgerechter Auslegung ihrer Prozesserklärung wäre das FG-Urteil "mit der knappen Begründung nicht möglich gewesen". Denn hieraus ergibt sich allenfalls, dass nach Ansicht der Klägerin die Begründung des Urteils unrichtig ist. Die Klägerin hätte indessen schlüssig dartun müssen, dass und weshalb das Urteil im Ergebnis ―nicht nur in der Begründung― anders hätte ausfallen können, wenn das FG die Erklärung in dem von ihr angestrebten Sinne ausgelegt hätte. Das ist nicht geschehen, weshalb der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht hinreichend bezeichnet worden ist.
3. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin gerügte Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Eine solche kann nur vorliegen, wenn das FG einen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat, der von einem vom Bundesfinanzhof (BFH) oder vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz abweicht (BFH-Beschluss vom 16. März 2000 IX B 108/99, BFH/NV 2000, 1215; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 17, m.w.N.). Die Darlegung einer Divergenz erfordert deshalb die Gegenüberstellung der betreffenden Rechtssätze (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 63, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall, in dem die Klägerin im Hinblick auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO letztlich nur die Auslegung ihrer Prozesserklärung durch das FG beanstandet.
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 BFHEntlG abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 544164 |
BFH/NV 2001, 624 |