Entscheidungsstichwort (Thema)
Behaupteter Verstoß gegen Denkgesetze keine Darlegung eines Verfahrensfehlers
Leitsatz (NV)
- Die Auslegung eines Schreibens unterfällt der Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG, die revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist.
- Verstöße gegen die Denkgesetze sind revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen (BFH vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289).
- Die Rüge, die Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen, ist mit der zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO und nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu verfolgen.
- Stützt das FG seine Entscheidung kumulativ auf zwei Begründungen, die die Entscheidung jeweils für sich alleine tragen, so muß sich die Beschwerde gegen jede der beiden Begründungen wenden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 5
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stützen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf Rechtsfehler und Verstöße gegen Denkgesetze im Urteil sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Aussage des Zeugen R habe nicht verwertet werden dürfen. Nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Zugang des Steuerbescheids zu beweisen. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liege darin, daß die am 24. März 1994 eingereichte Steuererklärung nicht berücksichtigt worden sei, die zur Grundlage aller späteren Bescheide hätte gemacht werden müssen. Rechtsfehlerhaft seien schließlich die Ausführungen zur Schätzung, das Finanzgericht (FG) habe diese nur mit rechtlichen Floskeln abgetan.
2. Die Zulassung der Revision findet nur aus den in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründen statt. Einen solchen Zulassungsgrund haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet.
a) Mit dem Vorbringen, das Urteil des FG verletze § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), wonach die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes nachzuweisen hat, wird kein Verfahrensmangel, sondern ein Verstoß gegen materielles Recht bezeichnet. Mit der Verfahrensbeschwerde können nur Fehler gerügt werden, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, daß es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1999 V B 112/97, nicht veröffentlicht --NV--; vom 27. Februar 1986 IV B 6/85, BFHE 146, 204, BStBl II 1986, 492; vom 10. November 1987 V B 19/85, BFH/NV 1988, 448). Die vom FG vorgenommene Auslegung des Schreibens des Bevollmächtigten vom 15. Januar 1997 dahingehend, der Bevollmächtigte habe damit zu erkennen gegeben, daß die Abgabe der Steuererklärung im Hinblick auf die vom FA vorgenommene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt und der Bescheid somit zugegangen sei, unterfällt der Tatsachen- und Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag die Zulassung der Revision nicht zu begründen (BFH-Beschlüsse vom 29. November 1995 XI B 69/95, BFH/NV 1996, 421; vom 18. Dezember 1996 XI B 71/96, BFH/NV 1997, 505, jeweils m.w.N.).
b) Ebensowenig kann die Rüge, das FG habe gegen Denkgesetze verstoßen, zur Zulassung der Revision führen. Denkgesetze als allgemeine Regeln formal richtigen Denkens stehen den Rechtsnormen im förmlichen Sinne gleich (vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84). Sie enthalten --wie Rechtssätze-- Obersätze, an denen die im Einzelfall festgestellten Tatsachen gemessen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Januar 1999 V B 112/97, NV). Verstöße gegen die Denkgesetze sind revisionsrechtlich daher nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen (BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, unter 1.); sie begründen allenfalls materielle Rechtsfehler, die nach dem abschließenden Katalog des § 115 Abs. 2 FGO nicht zur Zulassung der Revision führen können (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Mai 1996 X B 188/95, BFH/NV 1996, 747). Die Ausführungen der Kläger, das FG habe zu Unrecht die am 24. März 1994 eingereichte Einkommensteuererklärung nicht berücksichtigt, verkennen im übrigen die Wirkung der vom FG festgestellten Bestandskraft der Bescheide vom 4. Januar 1994 und 7. Dezember 1994.
c) Soweit die Kläger rügen, die Entscheidung des FG sei nicht mit Gründen versehen, weil das FG einen wesentlichen Punkt der Klagebegründung übergangen und ihre Einwendungen gegen die vorgenommene Schätzung nur mit Floskeln abgetan habe, berufen sie sich auf einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, der nur mit der zulassungsfreien Revision, nicht aber mit der auf Verfahrensmängel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemacht werden kann, da es für diese wegen der Möglichkeit einer zulassungsfreien Revision am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die insoweit nicht statthafte Nichtzulassungsbeschwerde kann wegen der Eindeutigkeit des Rechtsbehelfs und der erheblichen Unterschiede der angeführten Verfahrensarten nicht in eine zulassungsfreie Revision umgedeutet werden (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Juli 1993 VII B 147/93, BFH/NV 1994, 484, m.w.N.)
d) Auch soweit die Kläger vortragen, das FG habe zu Unrecht die Aussage des Zeugen R verwertet, ist die Beschwerde unzulässig.
Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Verfahrensmängel gestützt, müssen diese gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdeschrift bezeichnet werden. Außerdem muß dargelegt werden, daß die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. Februar 1995 II B 56/94, BFH/NV 1995, 900; vom 22. Juli 1996 XI B 207/95, BFH/NV 1997, 50). Hieran fehlt es im Streitfall.
Das FG hat sein Urteil kumulativ darauf gestützt, daß der Bescheid vom 4. Januar 1994 und auch der Bescheid vom 7. Dezember 1994 bestandskräftig geworden seien. Jeder dieser Gründe hätte die Entscheidung nach der insoweit maßgeblichen sachlich-rechtlichen Auffassung des FG (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1997 V B 83/96, BFH/NV 1997, 766) gerechtfertigt. Die Kläger haben aber lediglich hinsichtlich der vom FG festgestellten Bestandskraft des Bescheides vom 7. Dezember 1994 Verfahrensfehler behauptet und damit nicht für alle maßgebenden Gründe des klageabweisenden Urteils.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 302754 |
BFH/NV 1999, 1620 |