Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Besteuerung einer ausländischen Gesellschaft bei unangemessen hoher Fremdfinanzierung
Leitsatz (NV)
1. Verfügt das FA die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides ,,unter der Bedingung, daß bis zum 31. 10. 1988 eine Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft" erbracht wird, so hat das FG im Falle eines bei ihm gemäß § 69 Abs. 3 FGO gestellten Antrags über alle Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift zu entscheiden.
2. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 69 Abs. 3 FGO ist es erlaubt, die in dem Schreiben des BMF vom 16. März 1987 IV B 7 - S 2742 - 3/87, BStBl I 1987, 373, aufgestellten Grundsätze als Mindestvoraussetzungen für die Anwendung des § 42 AO 1977 zu verstehen und davon auszugehen, daß die Anwendung der Vorschrift ausscheidet, soweit die in dem BMF-Schreiben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3; AO 1977 §§ 42, 120 Abs. 1, § 361 Abs. 2 S. 3; EStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 11, 49 Abs. 1 Nr. 6
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine im Jahre 1978 nach niederländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden. Im Streitjahr 1986 war alleiniger Gesellschafter der Antragstellerin ein niederländischer Pensionsfonds (kurz: Fonds). Das Stammkapital der Antragstellerin betrug 100 000 hfl. Es war zu 35 v. H. eingezahlt.
Die Antragstellerin erwarb im Jahre 1978 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein bebautes Grundstück, das sie langfristig vermietete. Einer anderen Tätigkeit ging die Antragstellerin in den Jahren 1978 bis 1986 nicht nach. Zur Finanzierung des Grundstückserwerbs nahm sie von dem Fonds ein mit 9 v. H. zu verzinsendes Darlehen in Höhe von . . . auf, dessen Tilgung erst zehn Jahre nach Darlehenshingabe anlaufen sollte. Das Darlehen wurde dinglich nicht gesichert. Die Antragstellerin verpflichtete sich lediglich gegenüber dem Fonds, das Grundstück nicht ohne dessen schriftliche Zustimmung zu belasten.
Im Jahre 1984 wurde die Antragstellerin für die nicht streitbefangenen Jahre 1978 bis 1981 geprüft. Dabei wurde festgestellt, daß sie eine Vermögensverwaltungsgesellschaft mit der Verwaltung des bebauten Grundstücks beauftragt hatte. Die Vermögensverwaltungsgesellschaft führte ein Kontokorrentkonto. Auf diesem wurden die Mieteinnahmen einerseits und die von der Vermögensverwaltungsgesellschaft für die Antragstellerin zu zahlenden Unkosten andererseits verbucht. Soweit die Mieterträge die laufenden Kosten überstiegen, wurden die Überschüsse von der Verwaltungsgesellschaft an die Antragstellerin überwiesen. Diese verwendete die Überweisungen zur Tilgung ihrer Zinsverbindlichkeiten gegenüber dem Fonds.
Für das Streitjahr 1986 gab die Antragstellerin eine Körperschaftsteuererklärung ab. Darin erklärte sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. . . . DM. In diesem Betrag sind Schuldzinsen von . . . DM und Beträge für Absetzung für Abnutzung (AfA) von . . . DM als Werbungskosten enthalten. Bei den Schuldzinsen handelt es sich um solche, die der Fonds der Antragstellerin in Rechnung gestellt hatte.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA - ) behandelte das Darlehen des Fonds, soweit es den Betrag von . . . DM überschritt, als ,,verdecktes Stammkapital". Es ließ nur 10 v. H. der Schuldzinsen zum Werbungskostenabzug zu (= . . . DM). Auf dieser Grundlage ermittelte das FA einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von . . . DM. Die Körperschaftsteuer 1986 wurde auf . . . DM festgesetzt. Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde.
Auf Antrag der Antragstellerin setzte das FA am 27. September 1988 die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1986 unter der Bedingung aus, daß bis zum 31. Oktober 1988 Sicherheit geleistet werde. Da die Antragstellerin keine Sicherheit leisten wollte, beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung beim Finanzgericht (FG).
Das FG setzte durch Beschluß vom 20. Februar 1989 die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1986 vom 28. Juli 1988 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aus.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde rügt das FG die Verletzung des § 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).
Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
1. Das FA geht zu Unrecht davon aus, daß zwischen den Beteiligten lediglich streitig sei, ob die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1986 mit oder ohne Sicherheitsleistung auszusetzen sei. Zwischen den Beteiligten sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO streitig. Dies ergibt sich einerseits aus dem Antrag des FA im Beschwerdeverfahren, der darauf gerichtet ist, den Beschluß vom 20. Februar 1989 insgesamt und nicht nur teilweise aufzuheben. Dies ist zum anderen die Folge der Vorgehensweise des FA.
Dieses verfügte am 27. September 1988 die Aussetzung der Vollziehung ,,unter der Bedingung, daß bis zum 31. Oktober 1988 Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbracht" werde. Unabhängig davon, ob es für eine derart befristet bedingte Aussetzung der Vollziehung eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt (vgl. § 120 Abs. 1, § 361 Abs. 2 Satz 3 AO 1977), ging die getroffene Verfügung deshalb ins Leere, weil die Antragstellerin innerhalb der gesetzten Frist die geforderte Sicherheitsleistung nicht erbrachte. Für die Zeit ab dem 1. November 1988 fehlt es deshalb auch an einer Verfügung über die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung. Zugleich hatte das FA zu erkennen gegeben (vgl. das Schreiben vom 21. November 1988), daß es weitergehenden Anträgen der Antragstellerin nicht entsprechen werde. Damit bestand für den Antrag der Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis. Auf Grund des Antrags mußte das FG über die Tatbestandsvoraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung insgesamt entscheiden. Das FA hätte - wollte es nur die Frage der Sicherheitsleistung zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens machen - nach § 361 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 verfahren und die Vollziehung ohne Fristsetzung für eine Sicherheitsleistung von einer solchen abhängig machen müssen. Dann wäre die getroffene Regelung mit der Erbringung der Sicherheitsleistung wirksam geworden. Die Rechtsfolgen wären rückwirkend auf den Tag eingetreten, auf den die Aussetzung der Vollziehung verfügt wurde (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389).
2. Das FG hat zutreffend ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides bejaht. Solche Zweifel ergeben sich im Streitfall aus folgenden Erwägungen:
a) Die Antragstellerin ist eine ausländische Kapitalgesellschaft ohne Sitz (§ 11 AO 1977), Geschäftsleitung (§ 10 AO 1977), Betriebsstätte (§ 12 AO 1977) oder ständigen Vertreter (§ 13 AO 1977) im Inland, die mit den von ihr erzielten Einkünften i. S. des § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG nicht unter § 8 Abs. 2 KStG 1977 fällt, weil sie nach den Vorschriften des (deutschen) Handelsgesetzbuches (HGB) nicht zur Führung von Büchern verpflichtet war. Die erzielten inländischen Einkünfte sind deshalb keine solchen aus Gewerbebetrieb, sondern solche aus Vermietung und Verpachtung i. S. der §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 21 EStG. Sie sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu ermitteln. Dabei gilt das Zu- und Abflußprinzip des § 11 EStG.
b) Bei der Einkünfteermittlung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist darüber zu entscheiden, ob die geltend gemachten Zinsen als Werbungskosten dem Vermietungsobjekt zugeordnet werden können. Dies hängt von der entsprechenden Veranlassung ab. Insoweit können Bedenken gegen den Werbungskostencharakter der Zinsen bestehen, weil die Antragstellerin den Darlehensvertrag mit einer ihr nahestehenden Person abschloß und die inhaltliche Gestaltung des Darlehensvertrages offensichtlich allein darauf abzielt, die Entstehung kapitalertragsteuerpflichtiger Beteiligungserträge zu vermeiden und statt dessen nicht steuerbare Zinszahlungen fließen zu lassen, die der Fonds als Darlehensgeber in den Niederlanden steuerfrei vereinnahmt. Die Bedenken stützen sich darauf, daß die Antragstellerin für die Darlehen keine Sicherheit zu erbringen hatte. Dies könnte für den Abschluß eines unter fremden Dritten unüblichen Darlehensvertrages mit der Folge sprechen, daß der Vertrag steuerlich nicht anzuerkennen ist und die Zinszahlungen nicht als durch das Vermietungsobjekt veranlaßt anzusehen sind (vgl. BFH-Urteile vom 23. Juni 1976 I R 140/75, BFHE 120, 165, BStBl II 1977, 78; vom 1. Juni 1978 IV R 109/74, BFHE 125, 254, BStBl II 1978, 618; vom 30. Januar 1980 I R 194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449; vom 14. April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555). Eine entsprechende Rechtsfolge könnte sich auch aus der Anwendung des § 42 AO 1977 ergeben. Allerdings kann etwas anderes dann anzunehmen sein, wenn die Darlehensforderungen des Fonds auf Grund einer konzernähnlichen Bindung der Antragstellerin als ,,gesichert" anzusehen sein sollten.
c) Sollten die von der Antragstellerin als Werbungskosten geltend gemachten Zinsen durch das Vermietungsobjekt veranlaßt sein, so ist unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Gewinnausschüttung zu prüfen, ob die Zinszahlungen sich (teilweise) als Gewinnausschüttung darstellen. Dies wäre anzunehmen, wenn die Antragstellerin sich zur Zahlung unangemessen hoher Zinsen verpflichtet hätte. Für eine solche Annahme enthält der vom FG festgestellte Sachverhalt allerdings keine Anhaltspunkte.
d) Ob eine verdeckte Gewinnausschüttung auch unter dem Gesichtspunkt in Betracht kommt, daß die Darlehen sich als verdecktes Eigenkapital darstellen, ist dagegen fraglich. Dies hängt einmal davon ab, ob die unzureichende Eigenkapitalausstattung der Antragstellerin überhaupt dem inländischen Vermietungsobjekt zugeordnet werden kann oder ob es die steuerlich anzuerkennende freie Entscheidung der Antragstellerin war, das Vermietungsobjekt unabhängig von der eigenen Eigenkapitalausstattung fast ausschließlich fremdzufinanzieren. Die Problematik der Fragestellung wird besonders deutlich, wenn man unterstellt, daß die Antragstellerin in den Niederlanden ein weiteres Vermietungsobjekt besäße, das ausschließlich mit Eigenkapital finanziert wurde. Zum anderen ist darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Darlehensverbindlichkeiten in verdecktes Eigenkapital ,,umgewandelt" werden können. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung verdecktes Eigenkapital in keinem einzigen Fall angenommen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1975 I R 135/74, BFHE 117, 467, BStBl II 1976, 226).
e) Sollten die Zinszahlungen der Antragstellerin dem Grunde nach als Werbungskosten anzuerkennen sein, ist der Höhe nach zu prüfen, ob die Zinsen im Streitjahr 1986 i. S. des § 11 Abs. 2 EStG abflossen. Dazu verweist der erkennende Senat auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur steuerlichen Anerkennung der Umwandlung von Zinsforderungen in Darlehen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 1952 IV 86/52 U, BFHE 57, 434, BStBl III 1953, 170; vom 14. Mai 1982 VI R 124/77, BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469, 473; vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480).
3. Im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO ist eine abschließende Entscheidung über die Rechtsfragen nicht erforderlich, die im Zusammenhang mit den Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides stehen. Ungeachtet dessen ist das FG zu der durchaus vertretbaren Auffassung gelangt, daß sich als Ergebnis des Hauptsacheverfahrens mit hoher Wahrscheinlichkeit letztlich keine Körperschaftsteuerschuld 1986 zu Lasten der Antragstellerin ergeben wird. Der erkennende Senat hält diese Beurteilung schon deshalb für vertretbar, weil sie auf dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16. März 1987 IV B 7 - S 2742 - 3/87 (BStBl I 1987, 373) aufbaut. In diesem Schreiben stellt die Finanzverwaltung allgemeine Grundsätze darüber auf, in welchem Rahmen Gesellschafterdarlehen unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO 1977 als verdecktes Eigenkapital zu behandeln sind. Zwar sind die FG an diese Beurteilung nicht gebunden. Im Rahmen des Verfahrens nach § 69 Abs. 3 FGO ist es jedoch erlaubt, die aufgestellten Grundsätze als Mindestvoraussetzungen für die Anwendung des § 42 AO 1977 zu verstehen und davon auszugehen, daß die Anwendung der Vorschrift jedenfalls ausscheidet, soweit die in dem BMF-Schreiben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Da sich auf der Grundlage der in dem BMF-Schreiben genannten 10 v. H.-Grenze für das Verhältnis des Eigenkapitals zum Aktivvermögen im Streitfall keine positiven inländischen Einkünfte für die Antragstellerin ergeben, ist bei summarischer Beurteilung des Sachverhaltes davon auszugehen, daß die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen wird. Dann aber darf keine Sicherheitsleistung verlangt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127). Die Vorentscheidung ist daher rechtmäßig und die Beschwerde unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 416613 |
BFH/NV 1990, 161 |