Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsbescheid: Aufrechnung gegen Erstattungsanspruch eines Ehepartners
Leitsatz (NV)
1. Bei zusammen veranlagten Ehegatten, bei denen Steuern im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn eines Ehepartners einbehalten worden sind, steht ein Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, für dessen Rechnung der Steuerabzug abgeführt worden ist.
2. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, diese Tatsachen vorzubringen und zu substantiieren, auf der Hand, so bedarf es keines entsprechenden Hinweises durch das Gericht, wenn der Kläger sachkundig vertreten ist.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2, § 218; FGO § 76 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 11.12.2006; Aktenzeichen 6 K 4014/06 AO) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden für das Jahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Aufgrund der vom Arbeitslohn des Klägers einbehaltenen Lohnsteuern und Nebenabgaben ergaben sich aus der Veranlagung ein Erstattungsanspruch (Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag) sowie Erstattungszinsen in Höhe von insgesamt … €. Gegen diesen Anspruch erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit einer Forderung aus einer Rückbürgschaft des Landes X und erließ einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung, dass der Kläger drei Darlehen aufgenommen habe, für die sich die öffentliche Hand im Rahmen einer Rückbürgschaft verbürgt habe. Nach Eintritt des Bürgschaftsfalles sei die öffentliche Hand (Bund und Land) mit einem Ausfallbetrag belastet worden, von dem nach Aufrechnung gegen einen Erstattungsanspruch des Klägers aus der Einkommensteuerveranlagung 2002 (Parallelverfahren 6 K 1798/05 AO) noch … € verblieben seien. Diese Forderung übersteige den Erstattungsanspruch des Klägers aus der Veranlagung 2003. Nach Vorlage der entsprechenden Urkunden durch das FA habe der Kläger deren Richtigkeit nicht substantiiert bestritten. Auch habe er keinen Beweis dafür angetreten, dass er vor der Aufrechnung die Abtretung seines Erstattungsanspruchs an die Klägerin dem FA angezeigt habe.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, welche sie auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Soweit das FA und --ihm folgend-- das FG angenommen haben, dass der sich aus der Einkommensteuerveranlagung 2003 ergebende Erstattungsanspruch zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt … € auf den Kläger entfiel, so dass das FA gegen diesen Anspruch mit Gegenforderungen aufrechnen konnte, ergeben sich keine grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO); auch die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) sind nicht gegeben.
Anders als die Beschwerde meint, sind die Kläger in Bezug auf den Erstattungsanspruch weder Gesamtgläubiger i.S. des § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) noch Mitgläubiger i.S. des § 432 BGB. Nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ist erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats gilt dies auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuern der Fall ist (§ 26b des Einkommensteuergesetzes, § 44 Abs. 1 AO); auch hier steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (Senatsurteil vom 15. November 2005 VII R 16/05, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453, m.w.N.). In einem Fall der Erstattung von Steuern, welche --wie im Streitfall-- im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn eines Ehepartners einbehalten worden sind, steht es fest, dass die Steuern für Rechnung des jeweiligen Arbeitnehmers abgeführt worden sind, so dass sich die Höhe des Erstattungsanspruchs jedes Ehegatten grundsätzlich nach dem Verhältnis der bei den Ehegatten einbehaltenen Abzugsbeträge bestimmt (Senatsurteil vom 18. September 1990 VII R 99/89, BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47).
Auch soweit die Beschwerde vorträgt, dass das FA sowohl im Parallelverfahren 6 K 1798/05 AO als auch im vorliegenden Verfahren mit Gegenforderungen des Landes aufgerechnet habe, weshalb im Streitfall der Erstattungsanspruch des Klägers aus der Veranlagung 2003 die verbliebene Gegenforderung des Landes übersteige, ergeben sich keine grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen. Dementsprechend bezeichnet die Beschwerde auch solche Rechtsfragen nicht, sondern macht lediglich geltend, dass das FG gegen materielles Recht verstoßen habe. Das FG ist offenbar davon ausgegangen, dass das FA berechtigt war, auch mit den dem Bund gegenüber dem Kläger zustehenden Gegenforderungen aus der Rückbürgschaft die Aufrechnung zu erklären. Ob diese Auffassung des FG zutrifft, kann offenbleiben, da die Beschwerde mit ihrer --jedenfalls sinngemäß vertretenen-- Gegenansicht keinen Grund für die Zulassung der Revision darlegt.
2. Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Das FG hat die richterliche Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) nicht verletzt. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, diese Tatsachen zur Erreichung des Prozessziels bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger sachkundig vertreten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 1997 VII B 200/96, BFH/NV 1997, 693, m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall, weil das FA in der Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen hatte, dass eine etwaige Abtretung des Erstattungsanspruchs an die Klägerin nicht formgerecht dem FA angezeigt worden und deshalb nicht wirksam sei (§ 46 Abs. 2 und 3 AO). Es bestand daher ausreichend Anlass für die sachkundig vertretenen Kläger, zur Abgabe einer formgerechten Abtretungsanzeige gegenüber dem FA vorzutragen und hierzu gegebenenfalls Beweis anzutreten. Eines ausdrücklichen Hinweises von Seiten des FG bedurfte es somit nicht. Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, welche Beweise die Kläger angetreten hätten, wenn das FG den nach Ansicht der Beschwerde erforderlichen Hinweis gegeben hätte. Dies mag daran liegen, dass --wie sich aus der Klagebegründung ergibt-- die Kläger gar nicht geltend machen, eine gemäß § 46 Abs. 3 AO formgerechte Abtretungsanzeige abgegeben zu haben, sondern sie vielmehr --wie von ihnen im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt-- der Ansicht sind, dass auch eine den Anforderungen des § 46 Abs. 3 AO nicht entsprechende Abtretungsanzeige wirksam gewesen sei.
Das FG hat auch nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem es von dem Sachvortrag des FA in dem Parallelverfahren des Klägers 6 K 1798/05 AO ausgegangen ist. Das FA hat in seiner Klageerwiderung ausdrücklich auf jenes Verfahren verwiesen; den Klägern war das Vorbringen des FA aus jenem Verfahren bekannt, so dass sie auch im Streitfall Gelegenheit hatten, hierzu Stellung zu nehmen. Außerdem fehlt es auch insoweit an Darlegungen der Beschwerde, was die Kläger vorgetragen hätten, wenn das FA --wie von der Beschwerde für erforderlich gehalten-- im Streitfall seine Schriftsätze aus dem Parallelverfahren in Kopie eingereicht und nicht nur darauf verwiesen hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 1825120 |
BFH/NV 2008, 15 |
NWB 2008, 3 |