Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung durch das HZA im Auftrag des Landesarbeitsamts
Leitsatz (NV)
- Vollstreckt das HZA im Auftrag des Landesarbeitsamts, kommt hinsichtlich des Verwaltungszwangsverfahrens die AO 1977 und dabei u.a. auch die Vorschrift des § 284 AO 1977 über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Anwendung.
- Die Rechtsprechung, wonach sich der Vollstreckungsschuldner gegenüber der um die Vollstreckung ersuchten Finanzbehörde auf das Fehlen eines Leistungsbescheids (des Landesarbeitsamts) berufen kann mit der Folge, dass diese nicht vollstrecken darf, wenn sie im Bestreitensfall den Zugang des Leistungsbescheids nicht nachweisen kann, gilt nicht für den Fall, dass die zu vollstreckende Forderung durch ein rechtskräftiges Urteil der Sozialgerichtsbarkeit festgestellt ist.
- In einem solchen Fall (2.) bedarf es eines (erneuten) Leistungsbescheids nicht. Ergeht nach Rechtskraft des Urteils eine Zahlungsaufforderung, handelt es sich nicht um einen erneuten Leistungsbescheid, sondern lediglich um eine Mahnung, die als unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung nicht anfechtbar ist.
Normenkette
AO 1977 § 284; FGO § 115 Abs. 2, § 142; SGB III §§ 367-368, 371; SGB X § 66 Abs. 1; VwVG §§ 3, 5 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Antragstellers gegen die Vorladung des beklagten Hauptzollamts (HZA) zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) abgewiesen. Das FG hielt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 AO 1977 für erfüllt und das dem HZA zukommende Ermessen für pflichtgemäß ausgeübt. Insbesondere hätten die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 251 AO 1977 vorgelegen. Das HZA habe die Vollstreckung im Auftrag des Landesarbeitsamts X durchgeführt. Dieses habe dem HZA bestätigt, dass die vollstreckbare Forderung (Zahlung von Arbeitslosenhilfe und Krankenversicherungsbeiträgen) durch Gerichtsurteil rechtskräftig festgestellt worden sei. Eines vorgängigen Leistungsbescheids, dessen Fehlen der Antragsteller rüge, habe es daher nicht mehr bedurft.
Der Antragsteller beabsichtigt, gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen und sucht dafür um Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nach.
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung setzt die Bewilligung von PKH u.a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ein nicht vertretener PKH-Antragsteller hat in seinem Antrag die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung im angestrebten Rechtsmittelverfahren, bei einer Nichtzulassungsbeschwerde also einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO, in zumindest laienhafter Form darzulegen (vgl. etwa Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 1. Februar 2000 X S 6/99, BFH/NV 2000, 962).
2. Im Streitfall kann offen bleiben, ob dem Antragsteller diese Darlegung in zufriedenstellender Weise gelungen ist, denn das Urteil des FG, das angefochten werden soll, ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zum Vorbringen des Antragstellers stellt sich im Streitfall weder eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch beruht das Urteil des FG auf einem Verfahrensfehler. Das FG hat nämlich zutreffend erkannt, dass im Streitfall ein (nochmaliger) Leistungsbescheid als Voraussetzung der Vollstreckung nicht erforderlich war.
a) Im Streitfall kommen öffentlich-rechtliche Rückforderungen aus Bereichen zur Vollstreckung, die von der Bundesanstalt für Arbeit als rechtsfähiger bundesunmittelbarer Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 367 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ―SGB III―) und ihren Gliederungen (§ 368 Abs. 1 SGB III), wozu auf der mittleren Verwaltungsebene die Landesarbeitsämter gehören (§ 368 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), verwaltet werden. Für die Vollstreckung u.a. zugunsten der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG). Vollstreckungsbehörden sind hiernach gemäß § 4 Buchst. b VwVG die Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung, mithin die HZÄ (§ 249 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 i.V.m. § 1 Nr. 4 des Finanzverwaltungsgesetzes). Sie führen auf Ersuchen der Landesarbeitsämter als Anordnungsbehörden (§ 3 Abs. 4 VwVG, § 371 Abs. 3 SGB III) die Vollstreckung durch. Dabei richtet sich das Verwaltungszwangsverfahren nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 5 Abs. 1 VwVG nach den dort aufgezählten Vorschriften der AO 1977. Zu diesen die Durchführung der Vollstreckung regelnden Vorschriften gehören u.a. die §§ 249 bis 258, 260 und 281 bis 317 AO 1977 (vgl. zum Ganzen BFH-Beschluss vom 20. Juli 2000 VII B 12/00, BFH/NV 2001, 144), mithin auch die Vorschrift des § 284 AO 1977 über die eidesstattliche Versicherung.
Die Vollstreckungsanordnung des Landesarbeitsamts (§ 3 Abs. 1 VwVG) hat grundsätzlich die Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung i.S. des § 3 Abs. 2 und 3 VwVG einzuhalten. Insbesondere muss ein Leistungsbescheid vorliegen, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist (§ 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG). Auf das Fehlen eines solchen Leistungsbescheids kann sich der Vollstreckungsschuldner gegenüber der um die Vollstreckung ersuchten Finanzbehörde berufen mit der Folge, dass diese nicht vollstrecken darf, wenn sie im Bestreitensfalle den Zugang des Leistungsbescheids nicht nachweisen kann (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1986 VII B 151/85, BFHE 147, 5, BStBl II 1986, 731, m.w.N.).
Diese Rechtsprechung kommt aber im Streitfall nicht zum Tragen, weil die zu vollstreckenden Forderungen des Landesarbeitsamts durch ein rechtskräftiges Urteil der Sozialgerichtsbarkeit festgestellt sind (vgl. Urteil des Sozialgerichts K vom …, Berufungsurteil des Landessozialgerichts vom …, Verwerfung der vom Antragsteller eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig durch Beschluss des Bundessozialgerichts ‐-BSG― vom 6. September 2000). In einem solchen Fall bedarf es eines (erneuten) Leistungsbescheids gemäß § 3 Abs. 2 VwVG nicht. Die ersuchte Vollstreckungsbehörde kann ohne weiteres davon ausgehen, dass der erfolglos gebliebenen Anfechtungsklage des auf Rückzahlung von Sozialleistungen in Anspruch genommenen Schuldners ursprünglich ein Leistungsbescheid des Landesarbeitsamts zugrunde gelegen hat. Ein erneuter Leistungsbescheid in der Form eines Verwaltungsakts wäre schon deshalb untunlich, weil dadurch eine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnet und der durch das rechtskräftige Urteil bewirkte Rechtsfrieden wieder gefährdet würde. Angesichts dessen reicht es daher aus, dass das Landesarbeitsamt nach Rechtskraft des Urteils und vor Erlass der Vollstreckungsanordnung vom 5. Februar 2001 den Antragsteller mit "Zahlungsmitteilung" vom 23. Oktober 2000 formlos erneut zur Zahlung aufgefordert hat. Bei dieser "Zahlungsaufforderung" handelt es sich nicht um einen erneuten Leistungsbescheid i.S. des § 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG, sondern vielmehr um eine Mahnung i.S. des § 3 Abs. 3 VwVG, die als unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung (§ 3 Abs. 4 VwVG) nicht anfechtbar ist (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 1997 11 BAr 95/97, Juris KSRE019021607).
b) Soweit sich der Antragsteller gegen die Höhe der in der "Zahlungsaufforderung" vom 23. Oktober 2000 angegebenen Beträge wendet und behauptet, diese seien von dem rechtskräftigen Urteil des BSG vom 6. September 2000 nicht gedeckt, wird ebenfalls keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen bzw. kein Verfahrensfehler, den das FG begangen haben könnte, deutlich.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Landesarbeitsamt den angeforderten Betrag in einem Ergänzungsschreiben vom 21. März 2001 zum Vollstreckungsersuchen um … DM vermindert hat, wodurch der versehentlich nicht berücksichtigten Minderung der Krankenversicherungsbeiträge im Berufungsurteil des Landessozialgerichts Rechnung getragen worden ist. Diese Betragsänderung der zu vollstreckenden Forderung ist aber bereits in der Einspruchsentscheidung des HZA vom 31. Juli 2001, die eine Forderung in Höhe von … DM aufweist, berücksichtigt.
Ferner trägt der Antragsteller vor, er schulde dem Landesarbeitsamt lediglich einen Betrag in Höhe von … DM, denn nur dieser Betrag sei durch das rechtskräftige Urteil des BSG abgedeckt. Bei der Mehrforderung handelt es sich offensichtlich um die für den Zeitraum vom … bis … zurückgeforderte Arbeitslosenhilfe in Höhe von … DM. Der Antragsteller hat aber nicht schlüssig dargelegt, dass dieser Teil der Forderung nicht Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens gewesen ist, weil er nur einzelne Seiten aus den betreffenden gerichtlichen Entscheidungen vorgelegt hat, die diese Auffassung nicht eindeutig bestätigen. Dieser Widerspruch bedarf im vorliegenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung indes keiner weiteren Aufklärung, denn die Vorladung des Antragstellers zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch das HZA wäre auch dann rechtmäßig, wenn man sich mit dem Antragsteller auf den Standpunkt stellen würde, die zu vollstreckende Forderung betrage lediglich … DM (wobei dieser Betrag noch um die besagten … DM Krankenversicherungsbeiträge zu reduzieren wäre).
Der Einwand des Vollstreckungsschuldners, die zu vollstreckende Forderung bestehe teilweise nicht, ist ebenso zu würdigen wie der Einwand, die Forderung sei bis zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung teilweise, z.B. durch Tilgung, erloschen. Von rechtlicher Bedeutung im Rahmen des § 284 AO 1977 ist ein solcher Angriff des Vollstreckungsschuldners nur dann, wenn unter Berücksichtigung dieses Vorbringens das Ermessen des HZA, den Antragsteller zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorzuladen, auf Null reduziert wäre, es also fehlerfrei nur dahin gehend ausgeübt werden könnte, dass von einer Vorladung abzusehen sein würde (BFH-Beschluss vom 25. November 1999 VII R 40/99, BFH/NV 2000, 591). Im Streitfall sind indes keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen und auch keine ersichtlich, dass die Vorladung des Antragstellers zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ermessensfehlerhaft gewesen sein könnte, denn immerhin verbliebe dann noch eine zu vollstreckende Forderung in beträchtlicher Höhe von ca. 48 000 DM. Bei einer Forderung in dieser Größenordnung müssten schon außergewöhnliche Umstände vorliegen oder ersichtlich sein, um ein Absehen von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zu rechtfertigen.
Da es mithin für die Entscheidung im Streitfall nicht darauf ankommt, ob ein (erneuter) Leistungsbescheid ergangen ist ―insofern konnte das FG den vom Antragsteller unter Beweis gestellten Vortrag, es sei kein Leistungsbescheid ergangen, ohne weiteres als wahr unterstellen―, und auch die Feststellung der genauen Höhe der zu vollstreckenden Forderung keine Auswirkungen auf die Ermessensentscheidung des HZA haben kann, konnte der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von PKH für eine noch einzulegende Beschwerde gegen das die Vorladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestätigende Urteil des FG keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 870805 |
BFH/NV 2003, 142 |