Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung
Leitsatz (NV)
Besteht die Möglichkeit, daß die Klage gegen einen Erbschaftsteuerbescheid deswegen zur Aufhebung oder Änderung des Bescheids führt, weil der Erwerb des klagenden Miterben vom FA zu hoch und damit der Erwerb eines anderen Miterben zu niedrig bewertet worden ist, so ist auf Antrag des FA der andere Miterbe zum Verfahren beizuladen.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3; AO 1977 § 174 Abs. 4-5
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzgericht (FG) zu Recht die Miterbin des Klägers und Beschwerdeführers (Klägers) zu dem gegen Festsetzung von Erbschaftsteuer gerichteten Klageverfahren beigeladen hat.
Der Kläger und die Beigeladene sind Miterben der verstorbenen Frau A. Durch notariell beurkundetes Testament hatte diese den Kläger zu 1/2, die Beigeladene und deren Schwester je zu 1/4 als Erben eingesetzt. Jede der beiden Schwestern sollte zugleich Ersatzerbin der anderen sein. In dem Testament wurden mehrere Vermächtnisse, auch zugunsten der Miterben, angeordnet.
Die Schwester der Beigeladenen verstarb bereits vor Eintritt des Erbfalls.
Durch Bescheid vom 3. Januar 1994 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Erbschaftsteuer gegen den Kläger fest. Der Einspruch des Klägers führte zur Festsetzung der Erbschaftsteuer in Höhe von nunmehr ... DM.
Mit der dagegen gerichteten Klage wurde Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 0 DM begehrt. Im wesentlichen wurde diese damit begründet, daß eine dem Kläger gewährte Testamentsvollstreckervergütung und latente Steuerbelastungen zu Unrecht nicht steuermindernd berücksichtigt worden seien und daß zu Unrecht positives Betriebsvermögen angesetzt worden sei.
Durch Beschluß vom 7. Juni 1996 hat das FG auf Antrag des FA die Miterbin zum Verfahren beigeladen. Die Höhe der gegen den Kläger festzusetzenden Erbschaftsteuer hänge u. a. von der Höhe des der Miterbin zuzurechnenden Erbteils ab. Sollte der Wert dieses Erbteils höher sein als bei der Erbschaftsteuerfestsetzung gegen die Miterbin bisher berücksichtigt, so komme der Erlaß eines geänderten Bescheids gegen diese nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht. Auf Antrag des FA sei daher die Miterbin nach § 174 Abs. 5 AO 1977 zum Verfahren beizuladen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der Aufhebung des Beschlusses über die Beiladung begehrt wird. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO 1977 seien nicht gegeben, da der Ausgang des Verfahrens keinerlei Auswirkungen auf den Erbschaftsteuerbescheid gegen die Miterbin habe.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Beiladung erfolgte zu Recht.§
174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 enthält einen selbständigen -- d. h. von den Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unabhängig bestehenden -- Beiladungsgrund (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Oktober 1985 IV B 62/85, BFH/NV 1987, 479). Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlaß oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977). Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO 1977). Gegenüber Dritten gelten diese Vorschriften, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt werden (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977).
Erforderlich für eine Beiladung ist demnach lediglich, daß ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei einem Dritten zu ziehen sind (BFH-Beschluß vom 19. Mai 1981 VIII B 90/79, BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633) und daß das FA die Beiladung des Dritten beantragt oder veranlaßt hat (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VIII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Die im Klageverfahren möglicherweise erfolgende Aufhebung oder Änderung des gegenüber dem Kläger ergangenen Erbschaftsteuerbescheids kann dazu führen, daß sich die bisherige erbschaftsteuerrechtliche Behandlung der Miterbin (Beigeladene) durch das FA als unzutreffend erweist. Wie das FG in seinem (teilweise) die Aussetzung der Vollziehung gewährenden Beschluß vom 22. Februar 1996 ausgeführt hat, kann sich herausstellen, daß der ausschließlich nach Maßgabe des Testaments zu bestimmende Erwerb des Klägers vom FA zu hoch und damit korrespondierend derjenige der Miterbin zu niedrig angesetzt worden ist. Die erbschaftsteuerrechtliche Prämisse des FG, daß es für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung insoweit auf die erbrechtliche Lage und nicht auf die tatsächliche Erbauseinandersetzung ankommt, ist zutreffend (vgl. z. B. Senatsurteil vom 22. November 1995 II R 89/93, BFHE 179, 436, BStBl II 1996, 242). Die mögliche Auswirkung auf die Erbschaftsteuer der Beigeladenen reicht für eine Beiladung aus. Für die Beiladung ist es nicht erforderlich, daß bereits im Zeitpunkt der Beiladung die materiell-rechtliche Auswirkung auf den Beigeladenen feststeht und diese dann auch verfahrensmäßig gegen den Beigeladenen durchgesetzt werden kann. Für die Beiladung genügt vielmehr, daß die Möglichkeit einer Folgeänderung nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1986 IV B 126/85, BFH/NV 1988, 69; in BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633, und in BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239). Diese Voraussetzung jedoch ist im Streitfall -- wie dargelegt -- erfüllt. Da das FA die Beiladung förmlich beantragt hat, ist diese zu Recht erfolgt.
Fundstellen
Haufe-Index 421872 |
BFH/NV 1997, 333 |