Entscheidungsstichwort (Thema)
Mercedes-Geländewagen als PKW
Leitsatz (NV)
PKW i.S.d. KraftStG ist ein nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen bestimmtes Fahrzeug mit nicht mehr als acht Fahrgastplätzen; diese Begriffsbestimmung deckt sich mit der in § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG enthaltenen Definition.
Normenkette
KraftStG § 2 Abs. 2, 2a, § 12 Abs. 2 Nr. 1; PBefG § 4 Abs. 4 Nr. 1; EWGRL 156/70
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 14.03.2008; Aktenzeichen 4 V 1905/07) |
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist seit dem 22. Januar 2004 Halter eines am 22. Mai 1992 erstmals zum Straßenverkehr zugelassenen Mercedes-Benz Geländewagens (Typ 463 D). Das Fahrzeug wird von einem Dieselmotor mit einem Hubraum von 3 449 ccm angetrieben und hat ein zulässiges Gesamtgewicht von 2 810 kg. Im Fahrzeugschein ist das Fahrzeug als "PKW geschlossen" beschrieben. Im Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 2. Februar 2002 behandelte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) das Fahrzeug als LKW und setzte die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab 22. Januar 2004 gewichtsbezogen auf jährlich 172 € fest.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2007 setzte das FA die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum ab 22. Januar 2005 bis 30. April 2005 auf 46 €, für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis 21. Januar 2006 auf 958 € und für die Zeit ab 22. Januar 2006 auf jährlich 1 315 € fest. Zu Grunde lag u.a., dass das FA das Fahrzeug ab 1. Mai 2005 als PKW einstufte und die Kraftfahrzeugsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) auf der Basis des Hubraums mit 37,58 € je angefangene 100 ccm festsetzte. Die Änderung stützte das FA auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG; sie erfolge zur Berücksichtigung eines gesetzlich vorgeschrieben Tarifwechsels. Mit weiterem Steuerbescheid vom 6. Juni 2007 setzte das FA die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum 22. Januar 2007 bis 31. März 2007 auf 248 €, für die Zeit vom 1. April 2007 bis 21. Januar 2008 auf 1 097 € und für die Zeiträume ab 22. Januar auf jährlich 1 357 € fest.
Das Finanzgericht (FG) hat auf den Antrag des Antragstellers die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 1. Juni 2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 6. Juni 2007 in Höhe des auf den Entrichtungszeitraum 1. April 2007 bis 21. Januar 2008 entfallenden Teilbetrags von 42,81 € ausgesetzt; im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.
Mit der --vom FG zugelassenen-- Beschwerde trägt der Antragsteller vor, die in Art. 2 des 3. Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 3344) enthaltene Rückwirkung des § 2 Abs. 2a KraftStG sei verfassungswidrig; für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis zum 21. Dezember 2006 sei der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid daher rechtswidrig. Ebenso rechtswidrig sei, dass das FA die Änderung der Steuerfestsetzung durch den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 1. Juni 2007 auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG gestützt habe. Im Übrigen verstoße der Bescheid auch gegen die Richtlinie 70/156/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt (Richtlinie 70/156/EWG) in der für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung der Richtlinie 2001/116/EG (Richtlinie 2001/116/EG).
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 1. Juni 2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 6. Juni 2007 unter Aufhebung der Vorentscheidung auszusetzen, soweit nicht schon das FG die Vollziehung ausgesetzt hat.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 1. Juni 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 6. Juni 2007 ist, soweit nicht schon das FG die Vollziehung ausgesetzt hat, nicht auszusetzen. Es bestehen insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (vgl. m.w.N. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juni 2006 II B 148/05, BFH/NV 2006, 1627; vom 23. Februar 2007 IX B 222/06, BFH/NV 2007, 1351).
2. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 1. Juni 2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 6. Juni 2007, insbesondere nicht hinsichtlich der Behandlung des Fahrzeugs des Antragstellers als PKW.
a) Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ab 1. Mai 2005 auch für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz anzuwenden ist, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kfz zu beurteilen ist, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt. Soweit danach § 2 Abs. 2a KraftStG die Rechtslage lediglich rückwirkend klarstellt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 9. April 2008 II R 62/07, BFHE nn, BStBl II 2008, 691). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen insoweit nicht.
Bei summarischer Prüfung ist das streitgegenständliche Kfz ein PKW, da es nach seiner Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt ist (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes --PBefG--; vgl. m.w.N. BFH-Beschluss vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721). Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des FG, insbesondere dass im Streitfall vor allem die für Personenbeförderung zur Verfügung stehende Fläche die Ladefläche überwiegt (zur Bedeutung der Ladefläche bei einem sog. Pick-Up vgl. m.w.N. BFH-Beschluss vom 7. November 2006 VII B 79/06, BFH/NV 2007, 778).
Die Einstufung eines Fahrzeugs durch die Verkehrsbehörde, auf die sich der Antragsteller beruft, hat als solche weder kraftfahrzeugsteuerrechtlich bindende Wirkung, wie sich im Umkehrschluss aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG ergibt, noch lässt sie im Allgemeinen deshalb einen zuverlässigen Rückschluss auf die richtige kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung zu, weil die Verkehrsbehörden insofern eine überlegene Sachkunde anwenden könnten (vgl. m.w.N. BFH-Urteil in BFHE nn, BStBl II 2008, 691).
b) Durch die Rechtsprechung des BFH ist ebenfalls geklärt, dass sich die Rechtsgrundlage für eine Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG ergibt. Ab 1. Mai 2005 sind in Folge der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t nicht mehr ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild als LKW zu besteuern, sondern es ist neu zu entscheiden, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt; ergibt sich danach eine Änderung der Bemessungsgrundlage, folgt die Änderungsbefugnis aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG (vgl. m.w.N. BFH-Urteil in BFHE nn, BStBl II 2008, 691).
c) Durch die Rechtsprechung des BFH ist schließlich ebenfalls geklärt, dass die Richtlinie 70/156/EWG in der für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung der Richtlinie 2001/116/EG und die darauf beruhende verkehrsrechtliche Einstufung kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht maßgeblich ist (BFH-Beschluss in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721; BFH-Urteil vom 28. November 2006 VII R 11/06, BFHE 215, 568, BStBl II 2007, 338; BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 2006 VII B 136/06, BFH/NV 2007, 773; vom 7. November 2006 VII B 69/06, BFH/NV 2007, 777; vom 7. November 2006 VII B 96/06, BFH/NV 2007, 783; vom 30. November 2006 VII B 209/06, juris; vom 14. Februar 2007 IX B 219/06, juris; vom 22. Februar 2007 IX B 221/06, BFH/NV 2007, 1714; in BFH/NV 2007, 1351).
Vielmehr liegt dem KraftStG ein eigener kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Begriff zu Grunde. Danach ist ein PKW --wie oben bereits ausgeführt-- ein nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen bestimmtes Fahrzeug mit nicht mehr als acht Fahrgastplätzen. Diese Begriffsbestimmung deckt sich mit der in § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG enthaltenen Definition.
Mit den Formulierungen in § 23 Abs. 1 StVZO bzw. § 23 Abs. 6a StVZO in den jeweiligen Fassungen, wonach Kombinationskraftwagen bis 2,8 t zulässigem Gesamtgewicht auch PKW waren, setzte der Gesetzgeber einen solchen allgemeinen Begriff des PKW voraus.
d) Bei der gebotenen summarischen Prüfung sind auch im Übrigen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheids erkennbar.
Fundstellen