Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung; Änderung der Ratenzahlungsregelung zugunsten des PKH-Empfängers

 

Leitsatz (NV)

1. Die Beschwerde gegen einen in einer PKH-Sache erlassenen Beschluß ist in jedem Falle statthaft, wenn über die Bedürftigkeit der Partei oder die Zahlung von Raten entschieden ist, ohne Rücksicht darauf, ob das Hauptsacheverfahren an den BFH gelangen kann.

2. Auch eine vor dem 1. Januar 1987 bewilligte Ratenzahlungsregelung (1.) kann bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu dessen Gunsten geändert werden.

3. Kein der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehendes Verschulden am Versäumen der Beschwerdefrist, wenn die Beschwerdeschrift am Mittag des letzten Tages der Frist mit Eilbrief zur Post gegeben und postamtlich bestätigt wurde, daß der Brief noch am selben Tage ausgeliefert werde.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1, § 56 Abs. 1; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2, § 120 Abs. 4, § 124; Ges. zur Änd. von Kostengesetzen vom 9. Dezember 1986 Art. 7 § 5

 

Tatbestand

Durch Beschluß des Finanzgerichts - FG - vom Juni 1985 wurde dem Antragsteller für ein von diesem gegen das Finanzamt (FA) geführtes Finanzstreitverfahren Prozeßkostenhilfe - PKH - unter Festsetzung monatlicher Ratenzahlungen in Höhe von . . . DM bewilligt. Mit seiner Eingabe vom Oktober 1987 wandte sich der Antragsteller unter Hinweis auf seine wirtschaftliche Lage gegen die Anordnung der Ratenzahlungen. Das FG lehnte eine Abänderung seines Beschlusses mit der Begründung ab, eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen gemäß § 120 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung - ZPO - i. d. F. von Art. 7 des Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen vom 9. Dezember 1986 (BGBl I 1986, 2326, BStBl I 1987, 195) komme nach der maßgebenden Übergangsregelung nur für Verfahren in Betracht, in denen PKH seit dem 1. Januar 1987 bewilligt worden sei. Einer Abänderung zugunsten des Antragstellers wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ständen die bis 1986 geltenden - hier anwendbaren - Vorschriften entgegen. Aus § 124 ZPO ergebe sich, daß eine Abänderung aus anderen als den dort genannten Gründen nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die einen Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist, mit Eilbrief, abgestempelt am Aufgabeort K am Vortag, 12 Uhr, beim FG in N eingegangen ist. Wegen der Versäumung der Beschwerdefrist beantragt der Antragsteller, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er trägt dazu vor, bei der günstigen Bahnverbindung - 30 km Entfernung - zwischen K und N sei zu erwarten gewesen, daß die Post noch am Tag der Aufgabe zur Post in N ankommen und ausgetragen werde. Seine Prozeßbevollmächtigten hätten sich durch Rückruf bei dem zuständigen Postamt versichert, daß dies möglich sei; ansonsten wäre der Brief durch Boten zum FG gebracht worden. Zur Glaubhaftmachung hat der Antragsteller u. a. eine eidesstattliche Versicherung der Sekretärin A der Prozeßbevollmächtigten vorgelegt, die erklärt, sie habe beim Postamt K telefonisch angefragt, ob ein bis 12 Uhr aufgegebener Eilbrief noch am gleichen Tage in N ausgeliefert werde; das sei von dem zuständigen Beamten ausdrücklich versichert worden.

Aus der vom Antragsteller vorgelegten schriftlichen Auskunft des Postamts K ergibt sich, daß derart aufgegebene (Eil-) Briefe - entgegen einer im vorliegenden Falle etwa erteilten anderslautenden Auskunft - die Zustellung außerhalb von K erst am nächsten Werktag erreichen.

Das FA hält die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht für gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist statthaft.

Zwar ist gegen die Versagung der PKH durch das FG die Beschwerde nicht statthaft, wenn das zugehörige Hauptsacheverfahren nicht an den Bundesfinanzhof - BFH - gelangen kann (BFH, Beschlüsse vom 14. Mai 1982 VIII B 1/82, BFHE 136, 53, BStBl II 1982, 600, und vom 22. Juni 1983 I B 24/83, BFHE 138, 520, BStBl II 1983, 644). Diese aus § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgeleitete Rechtmittelbeschränkung erfaßt jedoch nur die Sachfrage selbst; sie besteht nicht, wenn es um die Bedürftigkeit der Partei oder - wie hier - um die Zahlung von Raten geht (Zöller-Schneider, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 127 Anm. 22 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Frage, ob das Hauptsacheverfahren - noch - an den BFH gelangen kann, stellt sich somit nicht.

Die Beschwerde ist auch im übrigen zulässig. Sie ist zwar erst nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 129 FGO) eingegangen, doch ist dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne eigenes Verschulden oder ihm zuzurechnendes Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Allerdings ist der Rechtsmittelführer gehalten, bei nahe bevorstehendem Fristablauf in besonderer Weise für den fristgerechten Zugang der Rechtsmittelschrift zu sorgen (Senat, Beschluß vom 17. September 1987 VII B 90/87, BFH/NV 1988, 378; BFH, Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 184/84, BFHE 148, 422, 424, BStBl II 1987, 303); Versäumnisse, auch solche seines Prozeßbevollmächtigten, gehen zu seinen Lasten. Hätten sich die Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers mit einer Auskunft des Postamts begnügt, die Zustellung eines am . . . in K aufgegebenen Eilbriefs nach N am gleichen Tage sei möglich, so läge eine Verletzung der gesteigerten Sorgfaltspflicht vor, die darin zu finden wäre, daß die Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer so raschen Zustellung von der Übermittlung durch Boten absahen (vgl. auch FG München, Urteil vom 23. Juni 1972 V 230/71, Entscheidungen der Finanzgerichte 1972, 611). Durch die vom Antragsteller zum Gegenstand seines Vortrags gemachte eidesstattliche Versicherung der Sekretärin A ist jedoch glaubhaft gemacht worden, daß seitens des Postamts K fernmündlich bestätigt wurde, daß ein bis 12 Uhr in K aufgegebener Eilbrief noch am gleichen Tage in N ausgeliefert werde. Diese Erklärung wird durch die schriftliche Auskunft des Postamts K nicht widerlegt, da das Postamt die Möglichkeit einer fernmündlichen Bestätigung mit dem behaupteten Inhalt trotz der andersartigen Brieflaufzeiten nicht ausgeschlossen hat. Unter diesen Umständen ist von einer entsprechend erteilten fernmündlichen Auskunft auszugehen. Wenn im Vertrauen auf sie die Übermittlung der Beschwerdeschrift durch Boten unterblieb, so geschah dies ohne ein dem Antragsteller zurechenbares Verschulden (im gleichen Sinne schon die ältere Rechtsprechung; vgl. BFH, Urteil vom 26. Mai 1966 V R 10/66, BFHE 86, 188 f., BStBl III 1966, 414).

In der Sache führt die Beschwerde zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, weil diese den Antrag zu Unrecht aus formellen Gründen abgewiesen hat (vgl. insoweit Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 132 Anm. 10 mit Rechtsprechungsnachweisen). Entgegen der Annahme des FG ist es nicht erst aufgrund von § 120 Abs. 4 ZPO i. d. F. des Gesetzes vom 9. Dezember 1986 möglich, eine Entscheidung über Ratenzahlungen bei Veränderung der für die PKH maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zugunsten des Beteiligten zu ändern. Diese Möglichkeit hat vielmehr auch bestanden, als § 120 ZPO noch nicht den jetzigen Absatz 4 enthielt, also in der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 9. Dezember 1986 am 1. Januar 1987 (vgl. zum früheren Rechtszustand Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl. 1987, § 120 Anm. 3 I A b, bb; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 142 FGO Anm. 54; zur jetzigen Rechtslage Zöller/Schneider, a. a. O., § 120 Anm. 16). § 124 ZPO, der nur die Aufhebung der Bewilligung der PKH regelt, also eine Änderung zum Nachteil der Partei, schloß diese Möglichkeit nicht aus. Die Übergangsregelung in Art. 7 § 5 des Gesetzes vom 9. Dezember 1986 ist hier nicht einschlägig. Sie steht nur Änderungen zuungunsten der Partei aufgrund des neuen Rechts in Fällen entgegen, in denen die PKH vor dem 1. Januar 1987 bewilligt worden ist.

Das FG hat in Verkennung dieser Rechtslage über das Begehren des Antragstellers nicht der Sache nach entschieden. Es wird diese Entscheidung nunmehr nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416240

BFH/NV 1989, 452

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