Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Verfahrensrüge der Verletzung der Präklusionsvorschrift des § 79b FGO
Leitsatz (NV)
Das FG hat nicht gegen die Präklusionsvorschrift des § 79b FGO verstoßen, wenn es dem Kläger zwar eine Frist zur Angabe von Tatsachen nach § 79b FGO gesetzt hat, die Klage aber nicht wegen der Versäumung dieser Frist abgewiesen hat, sondern aufgrund des Sachverhalts, den es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ermittelt hatte.
Normenkette
FGO §§ 79b, 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren einen Handel mit Gebrauchtwagen.
In seinen Umsatzsteuererklärungen gab er folgende Umsätze an:
1980 |
1981 |
1982 |
DM |
DM |
DM |
426 807 |
419 730 |
384 626 |
davon steuerfrei
Ferner machte er Vorsteuerabzüge in folgender Höhe geltend:
1980 |
1981 |
1982 |
DM |
DM |
DM |
46 226,92 |
49 342,21 |
41 461,88 |
Bei den steuerfreien Umsätzen sollte es sich um Ausfuhrlieferungen handeln.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung rechnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) diese Umsätze mangels Ausfuhrnachweises den steuerpflichtigen Umsätzen hinzu und lehnte den Abzug von Vorsteuern ab (Steuerbescheide vom 2. Mai 1983 für 1980 und vom 13. Januar 1984 für 1981 und 1982).
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage gegen die Steuerbescheide ab; es hielt die Versagung der Steuerfreiheit für rechtens, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt Ausfuhrnachweise im Original vorgelegt habe; die Voraussetzungen für den geltend gemachten Vorsteuerabzug sah es nur in den Jahren 1981 und 1982 zum geringen Teil für gegeben, kompensierte den Vorsteuerabzug aber mit einem Unsicherheitszuschlag zu den erklärten Umsätzen, den es für notwendig hielt. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die er auf diverse Verfahrensmängel stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen ist und die Entscheidung darauf beruht. Die Voraussetzungen hierfür sind in der Beschwerdebegründung nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssig darzulegen; außerdem muss der geltend gemachte Verfahrensfehler tatsächlich vorliegen (vgl. z.B. Bundesfinanzhof ―BFH― Beschluss vom 11. Dezember 1997 VIII B 21/97, BFH/NV 1998, 975).
1. Das FG hat nicht gegen die Präklusionsvorschrift des § 79b FGO verstoßen, da es seine Entscheidung nicht auf diese Vorschrift gestützt hat. Wie sich aus den Akten ergibt, hatte das FG den Kläger zwar gemäß § 79b FGO aufgefordert, die vollständige Buchhaltung bis zum 31. Mai 1999 vorzulegen (Verfügung vom 12. April 1999); es hat die Klage aber nicht wegen der Versäumung dieser Frist abgewiesen, sondern aufgrund des Sachverhalts, den es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 15. Juni 1999 ermittelt hatte; in dem Urteil wird die Verfügung vom 12. April 1999 überhaupt nicht erwähnt.
2. Die Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Dabei kann dahinstehen, inwieweit diese Rüge überhaupt eine Verletzung von Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts beinhaltet (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 15. Oktober 1997 IX B 54/97, BFH/NV 1998, 481 unter 2. b).
In der Vorentscheidung wird festgestellt, der Kläger habe Belege aus 1981 und 1982, die ihm auf seinen Wunsch im Februar 1999 zurückgegeben worden seien, trotz besonderer Aufforderung durch den erkennenden Einzelrichter nicht vorgelegt; der Einzelrichter habe in der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich um erneute Vorlage der Belegordner gebeten.
Diese Tatsachenschilderung verstößt nicht bereits deshalb gegen den klaren Inhalt der Akten, weil der Kläger behauptet, sein Prozessbevollmächtigter oder dessen Vorgänger hätten zu keiner Zeit einen Antrag auf Rückgabe der Originalbelege gestellt. Ausweislich der Akten hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 3. Februar 1999 gebeten, ihm "die Gerichtsakte und den Belegordner des Klägers kurzzeitig zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen". Daraufhin schickte ihm die Geschäftstelle des FG mit Schriftsatz vom 8. Februar 1999 "2 Belegordner" zurück. Dieser Schriftwechsel scheint die genannten Feststellungen des FG zu stützen; jedenfalls kann von einem Verstoß "gegen den klaren Inhalt der Akten" keine Rede sein, da der Kläger auf den Schriftsatz vom 3. Februar 1999 überhaupt nicht eingeht.
3. Nicht schlüssig ist auch die Ansicht des Klägers, das Gericht habe gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) verstoßen, indem es die Belege zurückgefordert habe. Mit der Rückgabe der Belegordner war keine Beweisaufnahme abgeschlossen; jedenfalls verbot die Vorschrift des § 81 FGO dem FG nicht, die Belegordner wieder zurückzufordern.
4. Abgesehen davon, dass die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung einen Belegnachweis und einen Buchnachweis voraussetzt (vgl. §§ 8 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung), hat der Kläger auch insoweit keinen "Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten" schlüssig gerügt, als er behauptet, die Originalbelege befänden sich beim Schöffengericht X. Dem FG lag zwar die ihm vom FA vorgelegte Hilfsakte "Auszüge aus der Akte StAnw X" vor; entgegen der Auffassung des Klägers kann der Vorentscheidung aber nicht entnommen werden, dass das FG die Gerichtsakte des Schöffengerichts eingesehen hat und dass ihm "sehr wohl die Originalbelege der Ausfuhren für 1981 über DM 41.000,00 vorgelegen haben".
Insoweit ist auch die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung nicht schlüssig.
5. Der Senat kann dem "Urteil des Schöffengerichts vom 14.6.1984, Seite 6 unten" nicht entnehmen, "daß ein Journal bei der Umsatzsteuersonderprüfung vorlag". Insofern entspricht die hieran anknüpfende Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung des Verfahrensmangels.
Richtig ist allerdings, dass an anderer Stelle des Urteils (S. 3 Mitte) erwähnt wird, dass der Kläger im Jahre 1983 im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung ein Journal und andere Buchführungsunterlagen für das Jahr 1980 vorgelegt hat. Soweit der Kläger dem FG in diesem Zusammenhang eine völlig ungenügende Sachaufklärung vorwirft, fehlt die Bezeichnung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen, der angebotenen Beweismittel und der dazu angegebenen Beweisthemen bzw. die substantiierte Darlegung, weshalb und in welchem Umfang das FG bei Zugrundelegung dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auch ohne einen entsprechenden Sachvortrag des Klägers von sich aus Anlass gehabt habe, den Sachverhalt zu erforschen. Zur schlüssigen Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG wegen unterlassener Beweisaufnahme muss zusätzlich vorgetragen werden, dass der Verstoß bereits in der Vorinstanz gerügt wurde, oder weshalb dem Beteiligten eine derartige Rüge nicht möglich war (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 481). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde des Klägers nicht.
6. Dasselbe gilt für die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung, die an ein Urteil des Landgerichts X anknüpft. Dem Senat ist von einem derartigen Urteil nichts bekannt; er kann ―im Gegensatz zum Kläger― auch der Vorentscheidung nicht entnehmen, dass dem FG ein derartiges Urteil vorlag.
7. Von der Bekanntgabe einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen