Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge; Vertretung durch Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
1. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das FG kann nicht im Anhörungsrüge-Verfahren vor dem BFH geltend gemacht werden.
2. Auch im Anhörungsrüge-Verfahren muss sich ein Rügeführer vor dem BFH durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dabei muss erkennbar sein, dass dieser die volle Verantwortung für den Inhalt der Rüge übernommen hat. Es genügt nicht, lediglich auf einen beigefügten Schriftsatz zu verweisen.
Normenkette
FGO § 133a Abs. 1-2, § 62a
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 9. August 2007 IV B 102/06 hat der beschließende Senat eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, die die Beschwerdeführerin, Beigeladene im vorausgegangenen Klageverfahren und Rügeführerin (Beschwerdeführerin) erhoben hatte, als unbegründet zurückgewiesen. In dem Beschluss hat der Senat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit der Begründung verneint, die der Beschwerde zu entnehmenden Rechtsfragen beträfen ausgelaufenes Recht; besondere Gründe, die sie gleichwohl als klärungsbedürftig erscheinen ließen, seien aus der Beschwerde nicht zu entnehmen. Eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei nicht ausreichend dargelegt worden; ein Verfahrensmangel ergäbe sich aus den Darlegungen der Beschwerdeführerin nicht.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 übersandten die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin einen mit "Rüge/Gegenvorstellung" überschriebenen Schriftsatz des X (im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Prozessbevollmächtigter der sonstigen Beteiligten zu 5.), mit dem dieser sich gegen den mit einfachem Brief am 24. September 2007 versandten Beschluss des Senats wendet, und erklärten, die Rüge als Prozessbevollmächtigte zu bestätigen und die Begründung zu übernehmen. Beigefügt war eine Prozessvollmacht der Beschwerdeführerin. In der Rüge wird im Wesentlichen geltend gemacht, der Senatsbeschluss setze sich weder mit dem Verfahren des Finanzgerichts (FG) noch mit dem Sachvortrag der Nichtzulassungsbeschwerde auseinander. Die Argumente seien nicht nachvollziehbar, auch wenn der Senat meine, schon aufgrund ausgelaufenen Rechts müsse er sich mit der Sache nicht mehr beschäftigen. Der BFH übersehe, dass jedem Bürger verfassungsgemäß das Recht verbürgt sei, die ihn betreffende gerichtliche Entscheidung auf einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf hin überprüfen zu lassen. Folge man den Ausführungen des Senats, könne der Rechtsuchende sich nicht an der aktuellen Rechtslage orientieren, ohne Gefahr zu laufen, dass bei willkürlicher Entscheidung erster Instanz infolge eingetretener Gesetzesänderung eine Urteilsprüfung nicht mehr vorgenommen werden könne. Bei ganz offensichtlichen Fehlurteilen sei es deshalb geboten, korrigierend einzugreifen. Da das Gericht an die Anträge nicht gebunden sei, hätte es bei Sichtung der Akten aus den Prozessunterlagen entnehmen müssen, dass das FG-Urteil in seinen Begründungen gravierende (näher ausgeführte) Rechtsmängel enthalte, mit denen sich der Senat nicht befasst habe. Rechtliches Gehör sei schon verletzt durch den telefonisch erteilten Hinweis der Berichterstatterin des FG, die Beigeladenen bräuchten zur mündlichen Verhandlung nicht zu erscheinen. Das FG habe außerdem wiederholt rechtliches Gehör verletzt, weil es den schriftlichen Vortrag nicht beachtet bzw. den Sachverhalt nicht von Amts wegen erforscht habe. Der BFH solle sich daher mit den angesprochenen entscheidungserheblichen Punkten auseinandersetzen, um auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung am geltenden Recht auszurichten. Das betreffe nicht nur das hier streitige Wahlrecht, sondern vor allem die Einheitlichkeit der Rechtsprechung, gegen die das FG mehrfach verstoßen habe. Von grundsätzlicher Bedeutung sei es allemal, wenn sich Gerichte über geltendes Recht hinweg setzten.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des BFH vom 9. August 2007 IV B 102/06 sowie das Urteil des FG München vom 25. Juli 2006 2 K 4033/03 aufzuheben.
Entscheidungsgründe
II. Die Anhörungsrüge wurde nicht ordnungsgemäß erhoben und war deshalb zu verwerfen.
1. Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn
1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift findet gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Rüge nicht statt. Nach Abs. 2 Satz 6 2. Halbsatz der Vorschrift muss die Rüge das Vorliegen der in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
a) Mit der Rüge kann nach der ausdrücklichen Regelung in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO nur die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nicht jedoch die Verletzung sonstiger Rechte geltend gemacht werden (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614). Aus der Darlegungspflicht des Rügeführers (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO) folgt, dass er substantiiert vortragen muss, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen er sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12). Wie sich aus dem Zusammenhang von § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 mit Nr. 1 und Satz 2 FGO ergibt, kommt es insoweit allein auf das Verfahren vor dem die Endentscheidung erlassenden Gericht an.
b) Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Rüge nicht. Die Einwendungen gegen die rechtliche Beurteilung des erkennenden Senats im Beschluss vom 9. August 2007 IV B 102/06 und des FG im angefochtenen Urteil --die der Senat im Übrigen auch nicht für durchgreifend hält-- können im Verfahren über die Anhörungsrüge nicht berücksichtigt werden, weil es dabei nicht um die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geht. Soweit die Beschwerdeführerin dagegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das FG geltend macht, war darüber im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde, nicht jedoch im vorliegenden Anhörungsrüge-Verfahren zu entscheiden. Wie im Beschluss vom 9. August 2007 IV B 102/06 dargelegt, lag im Übrigen ein Verfahrensmangel auch nicht vor.
2. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob die Rüge in zulässiger Weise durch die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin erhoben wurde.
a) Nach § 133a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 62a FGO muss sich ein Rügeführer auch im Anhörungsrüge-Verfahren vor dem BFH durch einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Der Bevollmächtigte muss nicht nur der Form nach, sondern tatsächlich tätig werden; es muss erkennbar sein, dass er selbst die volle Verantwortung für den Inhalt der Rüge übernommen hat (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 11. März 2003 VII B 356/02, BFH/NV 2003, 817, und vom 6. Juni 2003 III B 98/02, BFH/NV 2003, 1214, zu der insoweit gleichen Rechtslage im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren). Dafür genügt es nicht, lediglich auf einen beigefügten Schriftsatz zu verweisen (Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 62a Rz 20, m.w.N.). Das folgt aus dem Zweck der Vorschrift, eine sachgerechte Führung des Verfahrens vor dem BFH zu gewährleisten (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 16. Januar 1984 GrS 5/82, BFHE 140, 408, BStBl II 1984, 439, unter III.1. der Gründe).
b) Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die Erklärung der Prozessbevollmächtigten, die beigefügte Rüge eines nicht vertretungsberechtigten Dritten werde bestätigt und die Begründung übernommen, diesen Anforderungen genügt. Da die Rüge, wie dargelegt (siehe unter II.1.), bereits aus anderen Gründen keinen Erfolg hat, kommt es darauf im Streitfall nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 1985500 |
BFH/NV 2008, 1166 |