Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Baubüro eines öffentlich-rechtlichen Wasser- und Bodenverbandes, das der Errichtung einer Kläranlage des Verbandes dient, ist für die Dauer dieser Verwendung nicht von der Grundsteuer befreit, selbst wenn die Kläranlage nach ihrer Fertigstellung grundsteuerfrei ist.
Normenkette
GrStG § 4/9/d, § 6
Tatbestand
Der Bf. ist ein öffentlich-rechtlicher Wasser- und Bodenverband im Sinne des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände vom 10. Februar 1937 (RGBl 1937 I S. 188) und der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände vom 3. September 1937 (RGBl 1937 I S. 933). Der Verband hat insbesondere zur Aufgabe: Gewässer und ihre Ufer in ordnungsmäßigem Zustande zu erhalten und den Wasserabfluß zu regeln; Stauanlagen und Schleusen, Wasserkraftanlagen und Wassersammelbecken herzustellen, zu verändern, in Ordnung zu halten, zu betreiben, auszunutzen und zu beseitigen; Grundstücke zu entwässern und vor Hochwasser zu schützen, Abwässer abzuführen, zu reinigen und unschädlich zu machen; Kläranlagen zu errichten.
Der Bf. war Eigentümer eines unbebauten Grundstückes für das auf den 1. Januar 1955 im Wege der Nachfeststellung ein Einheitswert festgestellt und ein Steuermeßbetrag festgesetzt wurde. Auf die Parzelle ist im Jahre 1955 ein sogenanntes Bereitschaftshaus - Wohnhaus - mit einem Erdgeschoß und einem Obergeschoß errichtet worden. Drei im Erdgeschoß gelegene Räume wurden bis Ende 1957 als Büro des Bf. benutzt. Bei dem Büro handelte es sich um ein Baubüro für die Errichtung einer umfangreichen Kläranlage. Nach Errichtung eines eigenen Verwaltungsgebäudes sind die Büroräume in dem Wohngrundstück zu einer Wohnung hergerichtet worden.
Das Finanzamt hat zum 1. Januar 1956 eine Art- und Wertfortschreibung für das Grundstück durchgeführt. Bei der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages ist die Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz nur für die Wohnräume, nicht jedoch für den als Büro verwendeten Teil des Gebäudes gewährt worden.
Dem auf Freistellung von der Grundsteuer gemäß § 4 Ziff. 9 Buchst. d GrStG für den Teil des Grundstückes, der Bürozwecken diente, gerichteten Begehren des Bf. haben die Vorinstanzen nicht entsprochen. Das Finanzgericht führte unter anderem aus, zu den befreiten Einrichtungen nach § 4 Ziff. 9 Buchst. d GrStG gehörten nicht Gebäude oder Gebäudeteile, die der Verwaltung des Verbandes dienen. Dies ergebe sich aus dem Begriffe "Einrichtungen" und aus dem gesetzestechnischen Zusammenhange mit den anderen Vorschriften des § 4 Ziff. 9 GrStG. Auch die Vorschriften des § 4 Ziff. 1 Buchst. a und Ziff. 3 Buchst. b GrStG träfen nicht zu. Der Bf. diene nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken, die Satzungen entsprächen nicht den Vorschriften der Gemeinnützigkeits-Verordnung; der Bf. nehme auch Gemeinnützigkeit nicht in Anspruch. Wegen eines Rechenfehlers des Finanzamts hat das Finanzgericht den Steuermeßbetrag entsprechend herabgesetzt.
Mit der Rb. wird vorgetragen, die Errichtung neuer großer Anlagen sei zwangsläufig mit einem Baubüro an Ort und Stelle verbunden. Ohne eine solche örtliche Kontrolle entstünden Fehler und Mehrkosten, die nicht wiedergutzumachen seien. Es sei eine unverständliche Auffassung, wenn man eine fertige Anlage grundsteuerfrei stelle, das Baubüro, das für die Kontrolle des Millionenobjektes benötigt werde, aber zur Grundsteuer heranziehe. Nehme man z. B. den Bau einer Heilanstalt weit abseits von der nächsten Gemeinde an und lasse man, wie dies häufig geschehe, zunächst das Pförtnerhaus bauen, um darin das Baubüro des Auftraggebers einzurichten, so sei noch niemand auf den Gedanken gekommen, dieses Pförtnerhaus während der Bauzeit des Krankenhauses zur Grundsteuer heranzuziehen.
Entscheidungsgründe
I. -
Die Rb., die das Finanzgericht gemäß § 286 Abs. 1 AO zugelassen hat, ist unbegründet.
Nach § 4 Ziff. 9 Buchst. d GrStG sind unter anderem die im Interesse der Ordnung und Verbesserung der Wasser- und Bodenverhältnisse unterhaltenen Einrichtungen der öffentlich-rechtlichen Wasser- und Bodenverbände von der Grundsteuer befreit. Das sind Anlagen, die einen dem Besten der Allgemeinheit unmittelbar dienenden Endzweck dadurch zu fördern suchen, daß sie die Wasserabflüsse regeln und die Wasserverhältnisse ordnen und verbessern (Urteil des Reichsfinanzhofs III 291/39 vom 4. Juni 1940, RStBl 1940 S. 828). Hierher gehören vor allem: Uferausbauten, Anlagen zur Reinigung des Wassers und der Abwässer, Ent- und Bewässerungsanlagen, Sammelbecken - soweit sie nicht bereits unter § 4 Ziff. 9 Buchst. c GrStG fallen - und Kläranlagen. Die von dem Bf. errichtete Kläranlage fällt somit unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 9 Buchst. d GrStG.
II. - Für steuerbefreiten Grundbesitz sind in der Regel auch Räume erforderlich, in denen dieser Grundbesitz verwaltet oder z. B., wie bei einer Krankenanstalt, der Betrieb geführt wird (Verwaltungsräume). Die Befreiung von der Grundsteuer tritt in allen Fällen nur ein, wenn der Steuergegenstand für die steuerbefreiten Zwecke unmittelbar benutzt wird (ß 6 Abs. 1 GrStG). Die Verwendung eines Grundstückes (Grundstücksteiles) für die angeführten Verwaltungszwecke stellt an sich keine unmittelbare Benutzung für einen steuerbefreiten Zweck dar. Da jedoch eine Körperschaft usw., die steuerbefreiten Grundbesitz hat, diesen auch verwalten muß und dazu Verwaltungsräume braucht, müssen derartige Verwaltungsräume als für die steuerbefreiten Zwecke unmittelbar benutzt angesehen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs III 78/54 S vom 10. Dezember 1954, BStBl 1955 III S. 63, Slg. Bd. 60 S. 165). Wird ein Steuergegenstand im Sinne des Grundsteuerrechtes in einem Grundstücke (Grundstücksteile) verwaltet, so kann die Frage der Grundsteuer für dieses Grundstück (Grundstücksteil) nicht losgelöst von der grundsteuerlichen Behandlung des Steuergegenstandes, der verwaltet wird, beurteilt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs III 405/59 S vom 6. Oktober 1961, BStBl 1961 III S. 571, Slg. Bd. 73 S. 837). Hiernach sind somit auch Räume, in denen die errichteten und nach § 4 Ziff. 9 Buchst. d GrStG befreiten Einrichtungen verwaltet werden, wie die Einrichtung selbst, grundsteuerbefreit. Werden diese Räume nicht ausschließlich zur Verwaltung der steuerbefreiten Einrichtungen verwendet, so ist § 6 Abs. 2 und 3 GrStG anzuwenden.
III. - Der Bf. erklärte durch Schreiben vom 4. November 1958 an das Finanzgericht, der Steuergegenstand diene der Unterbringung eines Baubüros zur Erstellung einer umfangreichen Kläranlage. Ohne die Einrichtung und den Betrieb eines solchen Baubüros sei die ordnungsmäßige Erstellung der technischen Anlagen nicht gewährleistet. Es handelt sich somit nicht um die vorstehend angeführten Verwaltungsräume, vielmehr um Räume, die der Errichtung einer nach § 4 Ziff. 9 Buchst. d GrStG steuerbefreiten Einrichtung dienten, um ein sogenanntes Baubüro. Baubüros dienen nicht der Verwaltung von Grundbesitz, sondern der Herstellung von Gebäuden und Einrichtungen. Die Herstellung oder Herrichtung eines Steuergegenstandes berührt die Grundsteuer, sei es die Steuerpflicht, sei es die Steuerfreiheit, noch nicht; denn ein Steuergegenstand wird unmittelbar für steuerbegünstigte Zwecke erst von dem Zeitpunkte an benutzt, in dem er dem Benutzungszwecke tatsächlich zugeführt wird. Wird ein Steuergegenstand für die steuerbegünstigten Zwecke erst hergerichtet, so ist die Voraussetzung für die Steuerbefreiung noch nicht erfüllt (ß 6 Abs. 1 GrStG, § 24 GrStDV). Nach diesem Grundgedanken des Grundsteuerrechtes kann das Baubüro des Bf., das der Errichtung einer Kläranlage dient, für die Dauer dieser Verwendung nicht von der Grundsteuer freigestellt werden, selbst wenn die Kläranlage nach ihrer Fertigstellung grundsteuerfrei ist. Wenn der Bf. auf das Pförtnerhaus eines Krankenhauses hinweist, so ist auch dieses nicht anders zu behandeln. Praktisch ergibt sich aber während der Bauzeit des Krankenhauses in der Regel deshalb keine Steuerpflicht für das Pförtnerhaus, weil dieses mit dem Krankenhaus eine wirtschaftliche Einheit bildet, und für das Krankenhaus einschließlich des dazugehörigen Pförtnerhauses die Einheitswertfeststellung und damit die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages erst auf den nach der bezugsfertigen Errichtung des Krankenhauses liegenden Stichtag vorgenommen werden kann. Das streitige Grundstück, das von vornherein als Mietwohngrundstück geplant und gebaut war, bildet dagegen eine selbständige wirtschaftliche Einheit.
Das Baubüro kann auch nicht den Büros der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen gleichgestellt werden, in denen die Bauplanung, die Fertigung von Bauplänen, die Finanzierungsarbeiten usw. zur Errichtung von Wohnungen vorgenommen werden. Diese Verwaltungsräume dienen, wie der Bundesfinanzhof in der Entscheidung III 409/59 S vom 6. Oktober 1961 (a. a. O.) ausgeführt hat, unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Der Bf. ist, wie das Finanzgericht unwidersprochen festgestellt hat, keine gemeinnützige oder mildtätige Körperschaft; das Baubüro dient auch nicht unmittelbar solchen Zwecken.
Dem Finanzgericht ist im übrigen darin zuzustimmen, daß eine Freistellung auch nicht aus § 4 Ziff. 1 Buchst. a und Ziff. 3 Buchst. b GrStG hergeleitet werden kann. Ebenso können auf das Baubüro nicht die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs III 157/53 S vom 28. August 1954 (BStBl 1954 III S. 333, Slg. Bd. 59 S. 318) betreffend Grundsteuer des Grundbesitzes der Sozialversicherungsträger angewendet werden. Die für diese Entscheidung maßgebenden Gründe liegen bei den Wasser- und Bodenverbänden nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 410751 |
BStBl III 1963, 190 |
BFHE 1963, 520 |
BFHE 76, 520 |