Leitsatz (amtlich)
1. Stichtagswert im Sinne des § 12 Abs. 3 GrEStG ist der Wert, der im Zeitpunkt des Erwerbs als Einheitswert festzustellen wäre.
2. Die mittelbare (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) Bezugnahme des § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG auf den Einheitswert (§ 12 Abs. 1 GrEStG) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 12 Abs. 1, 3
Tatbestand
Der Klägerin war am 30. November 1959 eine am gleichen Tag einem anderen bewilligte Grundschuld über 25 000 DM abgetreten worden; diese war ab 14. Dezember 1959 mit 10 v. H. zu verzinsen. Am 28. Dezember 1959 war aus einem dieser Grundschuld gegenüber vorrangigen Rechte die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet worden. Im Verstiegerungstermin wurde die Klägerin mit einem Bargebot von 63 000 DM Meistbietende. Bestehen blieben eine im Zwangsversteigerungsverfahren mit 1 000 DM bewertete Dienstbarkeit, eine Hypothek über 20 000 DM und eine Grundschuld über 5 000 DM, so daß sich in dieser Berechnung ein Gesamtgebot von 89 000 DM ergab. Die Grundschuld der Klägerin ist ausgefallen. Das Grundstück wurde der Klägerin am 17. Mai 1960 zugeschlagen. Am 19. August 1960 hat sie es um 119 000 DM verkauft; die Nacherwerberin übernahm die Dienstbarkeit.
Das Grundstück ist teilweise bebaut; im Grundbuch ist das Gebäude als Wohnhaus vermerkt. Der Einheitswert des Grundstücks beträgt 10 100 DM. Die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Festsetzung dieses Einheitswertes maßgebend waren, bestanden zum Zeitpunkt des Versteigerungstermins fort. Das Vollstreckungsgericht hatte gemäß § 74a Abs. 5 des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) einen Grundstückswert von 105 000 DM festgesetzt. Die Klägerin hatte im Besteuerungsverfahren 147 000 DM als gemeinen Wert allein der Grundfläche angegeben.
Das FA, nunmehr Beklagter, hat gegen die Klägerin die Grunderwerbsteuer nebst Kreiszuschlag aus 89 000 DM in Höhe von 6 230 DM festgesetzt. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. FA und FG ließen dahingestellt, ob der Erwerb zunächst gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG befreit war; jedenfalls seien gemäß § 9 Abs. 2 GrEStG die Voraussetzungen der vollen Nachersteuerung erfüllt. Die Klägerin ist dagegen der Ansicht, bei dem gebotenen Vergleiche zwischen Erwerbswert und Veräußerungswert (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG) sei dem Wert des Meistgebots (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrEStG) von 89 000 DM der Wert der ausgefallenen Grundschuld von 25 000 DM hinzuzurechnen (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG), so daß sich bei einem Weiterveräußerungsentgelt von 120 000 DM abzüglich eines Erwerbswertes von 114 000 DM nur ein Mehrerlös von 6 000 DM ergebe mit der Folge, daß gemäß § 9 Abs. 2 Satz 4 GrEStG die Steuer nur in Höhe von 3 000 DM nacherhoben werden dürfe.
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
I.
1. Das Meistgebot der Klägerin unterlag der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG. Die - sei es unmittelbar zu erhebende, sei es gemäß § 9 Abs. 2 GrEStG nachzuerhebende - Steuer auf diesen Erwerbsvorgang ist zutreffend berechnet.
a) Mangels gegenteiliger tatsächlicher Feststellungen muß davon ausgegangen werden, daß die Klägerin das Grundstück unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 GrEStG zur Rettung ihrer Grundschuld ersteigert habe und ihr Meistgebot somit zunächst von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen sei. Auf die zu diesem Punkte etwa bestehenden Zweifel (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) käme es nur dann an, wenn die Steuer nicht zumindest gemäß § 9 Abs. 2 GrEStG nachzuerheben wäre, oder wenn, wie die Klägerin annimmt, der Betrag der nachzuerhebenden Steuer gemäß § 9 Abs. 2 Satz 4 GrEStG beschränkt wäre. Da § 9 Abs. 2 Satz 4 GrEStG entgegen der Ansicht der Klägerin nicht eingreift, ist die nachzuerhebende Steuer gleich hoch wie sie bei ursprünglicher Festsetzung auf denselben Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) zu erheben wäre (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 13 GrEStG); in beiden Fällen ist die Steuerschuld entstanden (§ 3 Abs. 1 StAnpG) und nicht verjährt (§§ 143 ff. AO).
b) Besteuerungsgrundlage ist beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleiben (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrEStG). Aus einem Bargebot von 63 000 DM, der bestehengebliebenen Dienstbarkeit im Werte von 1 000 DM, der bestehengebliebenen Hypothek von 20 000 DM und der Grundschuld von 5 000 DM ergibt sich somit eine Besteuerungsgrundlage von 89 000 DM. Aus dieser folgt die Höhe der festgesetzten Grunderwerbsteuer (einschließlich Kreiszuschlag) von 6 230 DM.
Hat ein zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigter Grundpfandgläubiger das Meistgebot abgegeben, so ist allerdings auch der durch dieses Gebot nicht gedeckte Anspruch des Meistbietenden der Besteuerungsgrundlage hinzuzurechnen, soweit die Gesamtleistung den Wert des Grundstücks (§ 12 GrEStG) bei der Abgabe des Meistgebots nicht übersteigt (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG); das Grundpfandrecht wird dabei höchstens mit dem Betrag angesetzt, den der Meistbietende für den Erwerb des Rechts aufgewandt hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 GrEStG). Diese Vorschrift erhöht jedoch im vorliegenden Fall die Besteuerungsgrundlage nicht. Denn der Wert des Grundstücks ist im Sinne dieser Vorschrift mit 10 100 DM anzusetzen; er bleibt somit weit unter dem Meistgebot. Diese 10 100 DM sind der Einheitswert des ersteigerten Grundstücks, welcher gemäß der in § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG ausdrücklich in Bezug genommenen Vorschrift des § 12 Abs. GrEStG als Wert des Grundstücks anzunehmen ist. Von diesem Ansatz ist zwar unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 GrEStG abzuweichen. Diese sind aber nicht erfüllt. Darauf ist zurückzukommen.
c) Geht man davon aus, daß die vorstehend berechnete Steuer von 6 230 DM im Hinblick auf § 9 Abs. 1 GrEStG noch nicht unmittelbar nach Abgabe des Meistgebotes zu erheben war, so ist sie gemäß § 9 Abs. 2 GrEStG mit der Weiterveräußerung des Grundstücks nachzuerheben. § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG schreibt die Nacherhebung der Steuer vor, wenn der Erwerber (oder sein Erbe) das Grundstück innerhalb von fünf Jahren seit dem Erwerbsvorgang zu einem Entgelt weiterveräußert, das die beim Erwerbsvorgang angesetzte Gegenleistung - genauer: die Gegenleistung, welche ohne die Befreiung (§ 9 Abs. 1 GrEStG) anzusetzen gewesen wäre - übersteigt; für den Begriff der Gegenleistung ist dazu ausdrücklich auf § 11 Abs. 1 Nr. 4 (und Nr. 5) GrEStG Bezug genommen. Der Gegenleistung ist bei diesem Vergleich der Wert gewisser Aufwendungen des Erwerbers auf das Grundstück hinzuzurechnen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 GrEStG); solche liegen hier nicht vor. Somit stehen einem Betrag von 89 000 DM (als der zuvor gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG errechneten Gegenleistung) ein Weiterveräußerungspreis von 119 000 DM zuzüglich - wie die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr bezweifelt - des Werts der aufrechterhaltenen Dienstbarkeit von 1 000 DM gegenüber. Die demzufolge nachzuerhebende Steuer von 6 230 DM kann aus der Hälfte des Mehrerlöses (von 31 000 DM) gedeckt werden; die von der Klägerin beanspruchte Vergünstigung des § 9 Abs. 2 Satz 4 GrEStG greift somit nicht ein. Die Klägerin schuldet daher die volle Steuer aus dem Meistgebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 15 Nr. 4 GrEStG).
2. Die Klägerin ist demgegenüber der Ansicht, bei der Berechnung nach den vorstehend erwähnten Vorschriften müsse gemäß § 12 Abs. 3 GrEStG als "Wert des Grundstücks" dessen "tatsächlicher Wert" angesetzt werden; dieser betrage 120 000 DM.
a) Gemäß § 12 Abs. 3 GrEStG 1940 ist, wenn der Wert der wirtschaftlichen Einheit im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs (Stichtag) vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes um mehr als ein Zwanzigstel, mindestens aber um 100 RM oder um mehr als 100 000 RM abweicht, der Wert am Stichtag als Wert des Grundstücks anzusetzen (Satz 1); der Stichtagswert ist unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Zweiten Teils des BewG zu ermittlen (Satz 2). An Stelle der vorbezeichneten Wertgrenzen ist zufolge des § 5 Abs. 2 der Verordnung zur Einheitsbewertung, zur Vermögensbesteuerung, zur Erbschaftsteuer und zur Grunderwerbsteuer vom 4. April 1943 (RGBl I 1943, 177) und des § 2 des Währungsgesetzes eine Abweichung vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts um mehr als ein Fünftel, mindestens aber um 500 DM oder um mehr als 200 000 DM getreten.
b) Die Klägerin versteht den "Stichtagswert" des § 12 Abs. 3 GrEStG im Sinne des "tatsächlichen Werts". Diese Vorschrift sei also nicht nur dann anzuwenden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse seit dem letzten Feststellungszeitpuntt verändert hätten, sondern auch dann, wenn bei gleichen tatsächlichen Verhältnissen der Wert des Grundstücks gestiegen oder gefallen sei. § 10 GrEStG gehe davon aus, daß der Wert der Gegenleistung (der Kaufpreis) dem Wert der Leistung (des Grundstücks) entspreche. Deshalb könne der Wert des Grundstücks (§ 10 Abs. 2 GrEStG) den Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) ersetzen. § 12 GrEStG im ganzen müsse folglich dahin verstanden werden, daß zunächst der ungefähre Stichtagswert festzustellen sei, um prüfen zu könne, ob der Einheitswert um nicht mehr als 5 v. H. vom Stichtagswert abweiche (richtig: ein Fünftel). Sei die wahrscheinlich Abweichung nicht höher, könne auf die genaue Ermittlung des Stichtagswerts verzichtet und statt dessen auf den bereits vorhandenen Einheitswert zurückgegriffen werden. Der Stichtagswert habe also den Vorrang vor dem Einheitswert; der Ansatz des Einheitswerts sei nur aus Gründen der Vereinfachung zugelassen. Das gelte um so mehr, als die Einheitswerte infolge des § 3a BewDV auf einen Bruchteil der wirklichen Werte geschrumpft seien. Deshalb müsse man bei der Auslegung des § 12 Abs. 3 GrEStG der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung tragen.
3. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Sie widerspricht der in der Begründung zu § 12 GrEStG vom 29. März 1940 (RStBl 1940, 387) dargelegten Auffassung des Gesetzgebers, daß eine Stichtagsbewertung nach § 12 Abs. 3 GrEStG nicht in Betracht kommen solle, wenn die tatsächlichen Verhältnisse, die für die (damals zutreffende) Feststellung des Einheitswerts maßgebend waren, auch zu der Zeit noch fortbestehen, zu der das Grundstücksgeschäft abgeschlossen wird (4. Absatz der Begründung zu § 12; RStBl 1940, 387). Dieser Wille des Gesetzgebers hat im Wortlaut des § 12 Abs. 3 GrEStG genügenden Ausdruck gefunden. Im Sinnzusammenhang des § 12 GrEStG ist diese Auslegung zwingend.
a) Einzuräumen ist der Klägerin allerdings, daß der Wunsch des Gesetzgebers, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 GrEStG an die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung gemäß § 22 BewG anzugleichen, in § 12 GrEStG nicht einen gleich deutlichen Ausdruck gefunden hat wie in § 23 Abs. 4 Satz 1 ErbStG. Ferner ist der Klägerin zuzugestehen, daß die in § 12 Abs. 3 Satz 2 GrEStG gebotene "sinngemäße Anwendung der Grundsätze des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes" für sich allein auch eine Auslegung zulassen würde, wonach zwar die Wertermittlung im ganzen den Vorschriften des Zweiten Teils des BewG folgt, dabei aber die in § 3a BewDV vorgeschriebene Rückbeziehung der Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 unterbleibt. Einer solchen Auslegung steht aber der Sinnzusammenhang des § 12 GrEStG entgegen.
b) Wie die Klägerin nicht verkennt, läuft ihr Standpunkt im Ergebnis darauf hinaus, daß im Rahmen des § 12 GrEStG - der "tatsächliche Wert" - also doch wohl der gemeine Wert bzw. der Verkehrswert anzusetzen wäre und davon nur dann abgegangen werden könnte, wenn der festgesetzte Einheitswert voraussichtlich nur unwesentlich von dem gemeinen Wert (Verkehrswert) abweicht. Das kann aber nicht der Sinn des § 12 GrEStG gewesen sein. Denn zum einen wäre bei dieser Auslegung die mit § 12 GrEStG erstrebte Vereinfachung gescheitert, da - zumindest auf Verlangen des Steuerpflichtigen - doch in jedem einzelnen Falle der gemeine Wert (Verkehrswert) des Grundstücks hätte festgestellt werden müssen. Zum anderen hätte bei einer solchen Willensrichtung des Gesetzgebers nichts nähergelegen, als § 12 Abs. 1 GrEStG dahin zu fassen: "Als Wert des Grundstücks ist der gemeine Wert (§ 10 BewG) anzusetzen. Ist das Grundstück, das Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, eine wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes, so ist der Einheitswert, der nach den Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes auf den dem Erwerbsvorgang unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt ist, zugrunde zu legen, wenn er nicht mehr als um... von dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs abweicht."
Statt dessen hat der Gesetzgeber dem § 12 GrEStG den Satz vorangestellt: "Als Wert des Grundstücks ist der Einheitswert anzusetzen..." Der Gesetzgeber ist somit vom Einheitswert ausgegangen und muß folglich auch in § 12 Abs. 3 GrEStG unter "Stichtagswert" einen Wert verstanden haben, der bei Anwendung der Grundsätze des Zweiten Teils des BewG als Einheitswert auf diesen Stichtag hätte festgestellt werden müssen. Da nur Vergleichbares miteinander verglichen werden kann, geht es nicht an, als Bezugspunkt der Abweichung den Einheitswert, als Abweichungsmaßstab dagegen den gemeinen Wert zu wählen.
Das gilt um so mehr, als die Einheitswerte für einige Arten von Grundstücken im Sachwertverfahren zu ermitteln sind, während für andere Grundstücke die Einheitswerte nach deren Ertragswert festgestellt werden. Würde die Auffassung der Klägerin zutreffen, so würde jedenfalls bei den Grundstücken, deren Einheitswerte im Ertragswertverfahren festzustellen sind, § 12 Abs. 3 GrEStG sich in sich selbst widersprechen. Denn die Ertragswerte brauchen mit den Verkehrswerten (bzw. gemeinen Werten) nicht übereinzustimmen. Grundstücke bestimmter Nutzungsart erbringen - von potentiellen Wertsteigerungen und einem daraus zu erwartenden Veräußerungsgewinn abgesehen - häufig nicht die Rendite, welche bei anderer langfristiger Anlage des ihrem Verkehrswert entsprechenden Kapitals zu erzielen wäre. In diesen Fällen liegt der Ertragswert für jeden beliebigen Stichtag unter dem Verkehrswert (der nicht allein durch die Rendite der augenblicklichen Nutzungsart bestimmt wird). Wäre nun - wie die Klägerin meint - gemäß § 12 Abs. 3 GrEStG der Einheitswert (§ 12 Abs. 1 GrEStG) mit dem "tatsächlichen Wert" (also einem Sachwert) zu vergleichen, so müßte dieser "tatsächliche Wert" stets von dem Wert abweichen, der "unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes" (§ 12 Abs. 3 Satz 2 GrEStG) auf den "Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs" festzustellen wäre, selbst wenn die Rückbeziehungsvorschriften des Bewertungsrechts - insbesondere § 3a BewDV - außer Betracht bleiben würden. Somit könnte sich, wenn die Betrachtung der Klägerin zuträfe, ergeben, daß im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 GrEStG eine Abweichung vom Einheitswert vorläge, welche die Ermittlung eines Stichtagswertes geböte, daß aber der hernach gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ermittelte Stichtagswert wieder genau dem festgestellten Einheitswert entspricht, eine Abweichung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 GrEStG also nicht vorläge.
c) Somit ist es nicht möglich, als "Wert der wirtschaftlichen Einheit" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 GrEStG den gemeinen Wert anzusehen. Wäre das gewollt gewesen, wäre vielmehr § 12 GrEStG im ganzen überflüssig, da der Ansatz des gemeinen Wertes bereits durch § 10 BewG a. F. vorgeschrienben Gewesen wäre (§ 1 BewG a. F.). Damit bleibt aber nichts anderes übrig, als auch bei der Ermittlung des Stichtagswertes im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 GrEStG die Vorschrift des § 3a Abs. 1 BewDV gelten zu lassen, wonach die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen sind. Demzufolge liegt bei einem Grundstück, das eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsgesetzes bildet (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) und bei dem der Einheitswert zutreffend festgestellt ist, eine Abweichung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 GrEStG nur dann vor, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in bezug auf dieses Grundstück seit dem letzten Feststellungszeitpunkt geändert haben. Das ist hier nicht der Fall. Daher muß es auch für den gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG anzustellenden Vergleich bei der oben dargestellten Berechnung der Gegenleistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) bleiben, sofern nicht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung des Einheitswerts durchgreifen.
4. Mit § 1 StAnpG kann ein anderes Ergebnis nicht gerechtfertigt werden. Denn die Entwicklung der Verhältnisse verändert nicht den Definitionsbereich der Normen, sondern nur die Elemente des Sachverhaltsbereiches, auf den sich die Normen erstrecken (Urteil des BFH II 109/65 vom 28. April 1970, BFH 99, 250, BStBl II 1970, 600). Die von der Klägerin gerügten Mißstände liegen nicht auf der Sachverhaltsseite, sondern auf der Rechtsfolgeseite. Der an das Gesetz gebundenen Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist es aber nicht gestattet, § 9 Abs. 2 GrEStG oder § 12 GrEStG einen anderen Inhalt zu geben, als sich aus diesen Vorschriften - wenn auch ohne Haften am buchstäblichen Wortlaut (vgl. § 133 BGB) - nach ihrem im Zusammenhang des Gesetzes und seines Zweckes gesehen klaren Wortsinn ergibt (BFH-Urteil II 250/60 vom 20. Juli 1966, BFH 86, 598, BStBl II 1966, 601).
II.
Unberührt davon bleibt die Frage, ob die Anwendung der Einheitswerte (oder nach den Grundsätzen der Einheitsbewertung zu errechnender Werte) im Rahmen des § 12 GrEStG oder auch nur im Bereich des § 9 Abs. 2 GrEStG mit dem GG vereinbar ist. Sie ist übereinstimmend mit dem BFH-Urteil II 250/60 vom 20. Juli 1966 (BFH 86, 598, BStBl II 1966, 601) zu bejahen.
1. Zwar hat der Senat in dem Beschluß II B 40-41/69 vom 9. Dezember 1969 (BFH 97, 315 [317 ff.], BStBl II 1970, 121), wenn auch zu einem besonders gelagerten Fall (eine etwa weitergehende Bedeutung dieses Beschlusses kann hier dahingestellt bleiben), für ernstlich zweifelhaft (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) erachtet, ob in der Erbschaftsbesteuerung die offenbare Diskrepanz zwischen der Bewertung gemäß § 23 Abs. 1 ErbStG nach gemeinen Werten (§ 9 BewG 1965) und diesen nahekommenden Werten und der Bewertung gemäß § 23 Abs. 2 ErbStG nach Einheitswerten (§§ 19 ff. BewG) mit der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu vereinbaren ist. Er hat aber in diesem Beschluß ausdrücklich anerkannt (BFH 97, 318), daß die Einheitswerte als reine Rechnungsgrößen wertneutral sind und als bloße Bewertungen objektiver Güter nicht - wie es für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich wäre - auf den Menschen bezogen sind. Wie bereits in diesem Beschluß ausgeführt, läßt sich nicht ohne weiteres sagen, daß die - dem gemeinen Wert gegenüber niedrigeren - Einheitswerte bei jeder Anwendung verfassungswidrig sein müßten; insbesondere kann je nach dem Gegenstand der Besteuerung dieser auch ein irgendwie gedachter Nutzwert zugrunde gelegt werden, der sich in der einen Fallgruppe nach dem Ertragswert, in der anderen nach dem Sachwert bestimmt oder eine besondere Berechnungsart erfordert. Die Frage ist also nicht, ob die Einheitswerte als ganze verfassungswidrig sind, sondern allein, ob diejenige gesetzliche Bestimmung, welche im Einzelfall die Anwendung der Einheitswerte vorschreibt, mit dem GG vereinbar ist oder nicht. Entscheidend ist somit, ob das einschlägige Grunderwerbsteuerrecht mit dem GG vereinbar ist oder nicht.
Hier besteht dem Erbschaftsteuerrecht gegenüber bereits der Unterschied, daß die Erbschaftsteuer grundsätzlich jede unentgeltliche Bereicherung erfaßt (§§ 1 bis 4, 11 Abs. 3, § 24 Abs. 1 ErbStG), während die Grunderwerbsteuer sich nur auf den Verkehr mit Grundstücken (§ 1 GrEStG) und gewissen gleichgestellten Berechtigungen (§ 2 Abs. 2 GrEStG) bezieht. Ein Vergleich zwischen der Bewertung der Grundstücke einerseits und der Bewertung anderer Wirtschaftsgüter andererseits scheidet daher für die Grunderwerbsteuer aus.
2. Allerdings werden auch Grundstücke, die unter sich gleiche gemeine Werte haben, wegen der in § 3a Abs. 1 BewDV verfügten Rückbeziehung unterschiedlich behandelt. Die sich daraus ergebenden Fragen müssen hier aber dahingestellt bleiben. Dabei ist zwischen der allgemeinen Problematik des § 12 GrEStG - wäre diese Vorschrift nichtig, so wäre sie auch im Rahmen des § 9 Abs. 2 GrEStG (in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) unanwendbar - und der speziellen Problematik des § 9 Abs. 2 GrEStG zu unterscheiden.
a) Für § 12 GrEStG im allgemeinen ist zu bedenken, daß dieser außer im Rahmen des § 9 GrEStG nicht steuerbefreiend wirkt, sondern einen Besteuerungsmaßstab regelt. Deshalb wäre es - eine etwa verfassungswidrige (Art. 3 Abs. 1 GG) Ungleichheit der Bewertung vorausgesetzt - nicht zulässig, an Stelle des in § 12 GrEStG angeordneten Ansatzes der Einheitswerte die gemeinen Werte anzusetzen (vgl. BFH-Urteil II 105/64 vom 28. Juli 1970, BFH 100, 133, [139], BStBl II 1970, 816). Denn die etwaige Gleichheitswidrigkeit der Einheitswerte hat nicht der Steuerpflichtige, sondern der Staat zu vertreten (BFH-Beschluß II S 2-4/70 vom 27. Oktober 1970, BStBl II 1971, 269). Zu lasten des Steuerpflichtigen höhere Ansätze wären durch das Gesetz nicht gedeckt (Art. 20 Abs. 3 GG) und vom Steuerpflichtigen nicht hinzunehmen (Art. 2 Abs. 1 GG); dem Umfang nach würde auf eine höhere Steuerfestsetzung nicht der Tatbestand zutreffen, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO).
b) Die Funktion der Einheitswerte in § 9 Abs. 2 GrEStG läßt sich dagegen, wie schon die vorstehende Darstellung (I) zeigt, schwer isolieren. Zum einen werden die Einheitswerte in § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG nur durch Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG eingeführt; in dieser Vorschrift selbst wirkt sich der Ansatz niedrigerer Einheitswerte zugunsten des Steuerpflichtigen aus. Zum anderen löst § 9 Abs. 2 nur die Vergünstigung des § 9 Abs. 1 (und Abs. 3) GrEStG auf; in dieser Vorschrift ist aber der Ansatz niedriger Einheitswerte wiederum dem Steuerpflichtigen günstig (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
c) Das allein würde nicht ausschließen, daß § 9 Abs. 2 GrEStG hinsichtlich der Bezugnahme auf die Einheitswerte für sich genommen verfassungswidrig wäre und die Einheitswerte insoweit nicht angesetzt werden dürften. Demgegenüber fällt aber ins Gewicht, daß § 9 Abs. 1 (und Abs. 3) GrEStG die Rettung gewisser Grundpfandrechte (§ 9 Abs. 4 GrEStG) durch deren Gläubiger und ihnen gleichgestellte Personen (§ 9 Abs. 5 GrEStG) begünstigt, die Vergünstigung also Rechten zuteil werden läßt, welche an dem erworbenen Grundstück - und zwar häufig in der Gestalt, wie es später erworben wurde - begründet worden sind. Dem Grundpfandgläubiger, der das Grundstück später ersteigert hat, war dessen Einheitswert bei der Belastung des Grundstücks und beim Erwerb des Grundstücks bereits vorgegeben. Er konnte also sein Verhalten von vornherein auf den gegebenen Einheitswert einstellen. Da er nicht Eigentümer des Grundstücks war, stand ihm andererseits kein anspruch darauf zu, daß der Einheitswert gerade eine bestimmte Höhe habe. Die Stellung verschiedener Grundpfandgläubiger an verschiedenen Grundstücken ist daher von vornherein - und nicht erst infolge des GrEStG - unterschiedlich; verschiedene Grundpfandgläubiger desselben Grundstücks werden aber bei der Anwendung des Einheitswerts im Rahmen des § 9 GrEStG nach Maßgabe des Rangs ihrer Grundpfandgläubiger gleichbehandelt.
3. Nicht zu verkennen ist allerdings, daß die Einheitswerte im Grunderwerbsteuerrecht (§ 12 GrEStG) nicht mehr diejenige Funktion wahrnehmen können, die ihnen der Gesetzgeber ursprünglich zugedacht hatte. Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, daß die regelmäßige Besteuerungsgrundlage des Wertes der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) und die hilfsweise Besteuerungsgrundlage des Wertes des Grundstücks (§ 10 Abs. 2, § 12 GrEStG) trotz verschiedenen Ausgangspunktes nicht zu allzu verschiedenen Ergebnissen führen sollten. Durch das Festhalten der Einheitswerte an den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 (§ 3a Abs. 1 BewDV) ist diese Beziehung zerstört (vgl. für einen anderen Zusammenhang das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil IV 11/64 S vom 5. November 1964, BFH 80, 356, BStBl III 1964, 602). Dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers könnte aber der Richter nur im Wege der Auslegung Rechnung tragen (Art. 20 Abs. 3 GG); dem steht - wie bereits zu I ausgeführt wurde - der klare Gesetzesbefehl entgegen. Selbst wenn die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und richterlicher Rechtschöpfung noch so weit gezogen werden, könnte über diesen Gesetzesbefehl nicht hinweggegangen werden. Schon dem Gesetzgeber des Jahres 1940 konnte nicht entgangen sein, daß die Einheitswerte - zumal sie nicht nur im Sachwertverfahren, sondern bei bestimmten Grundstücken auch im Ertragswertverfahren errechnet werdeen - mit den gemeinen Werten nicht identisch sind und auch auf die Dauer nicht gleich zu sein brauchen. Somit könnte von dem Ansatz der Einheitswerte oder nach den Grundsätzen der Einheitsbewertung zu errechnender Werte (§ 12 GrEStG) nur dann abgegangen werden, wenn dieser zwischenzeitlich verfassungswidrig geworden wäre (Art. 1 Abs. 3 GG).
a) Das ist im Rahmen des § 10 GrEStG offensichtlich nicht der Fall. Denn die Fälle, in denen die Steuer vom Wert der Gegenleistung errechnet wird (§ 10 Abs. 1 GrEStG), und die Fälle, in denen die Steuer vom Wert des Grundstücks berechnet wird (§ 10 Abs. 2 GrEStG), sind in einer Weise verschieden, welche die niedrigere Besteuerung der zweitgenannten Fälle zuläßt. Zum ersten wird die Steuer vom Wert des Grundstücks berechnet, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden ist (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Daß diese Fälle geringer besteuert werden als die einer vorhandenen Gegenleistung, ist nicht systemwidrig, zumal § 3 Nr. 2 GrEStG den unentgeltlichen Erwerb von der Besteuerung ausnimmt. Nicht grundsätzlich anders liegt der zweite Fall, daß eine Gegenleistung nicht zu ermitteln ist (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Dieser ist nicht schon bei behebbaren Schwierigkeiten in der Ermittlung der Gegenleistung gegeben. Der Wert einer dem Grunde nach bekannten Gegenleistung ist erforderlichenfalls zu schätzen (§ 217 AO); unzureichende Unterrichtung über den Wert der Gegenleistung steht nicht ohne weiteres der Unkenntnis der Gegenleistung gleich (Urteil II 185/62 vom 29. September 1965, HFR 1966, 17). Als dritter und letzter Fall, bei dem die Steuer vom Wert des Grundstücks (§ 12 GrEStG) zu berechnen ist, bleibt der der Vereinigung aller Anteile oder des Übergangs aller Anteile einer Gesellschaft und der entsprechenden schuldrechtlichen Geschäfte (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG). Diese Besteuerungstatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG sind aber solche, bei denen im eigentlichen und engeren Sinne ein Grundstücksverkehr überhaupt nicht stattfindet. Als bloße Ergänzungstatbestände zu den in § 1 Abs. 1 (und Abs. 2) GrEStG vorgesehenen Tatbeständen können sie ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) niedriger besteuert werden als jene.
b) Auch innerhalb des § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG ist das Absinken der Einheitswerte (im Verhältnis zu den gemeinen Werten) insoweit unproblematisch, als diese Vorschrift beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) den Inhalt der Gegenleistung im Sinne des § 10 Abs. 1 GrEStG mitbestimmt. Hier beeinflußt der in § 12 GrEStG beschriebene Grundstückswert die Besteuerungsgrundlage nur dann, wenn ein Grundpfandgläubiger (§ 9 Abs. 5 GrEStG) das Grundstück erwirbt.
Allgemein gilt als Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) das Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleiben (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrEStG). Hat ein zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigter Grundpfandgläubiger das Meistgebot abgegeben, so ist dagegen auch der durch dieses Gebot nicht gedeckte Anspruch des Meistbietenden hinzuzurechnen (vgl. auch § 114a ZVG), soweit die Gesamtleistung den Wert des Grundstücks (§ 12 GrEStG) bei der Abgabe des Meistgebots nicht übersteigt (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG); das Grundpfandrecht wird dabei höchstens mit dem Betrag angesetzt, den der Meistbietende für den Erwerb des Rechts aufgewandt hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 GrEStG).
Diese Vorschrift kommt für sich allein (bzw. in ihrer Verbindung mit § 10 Abs. 1 GrEStG) nur dann zum Tragen, wenn das Meistgebot des Grundpfandgläubigers nicht gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG von der Besteuerung befreit ist. Denn soweit die Steuer gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG nicht erhoben wird, ist - unbeschadet des hier maßgebenden § 9 Abs. 2 GrEStG - unerheblich, von welchem Werte die nicht zu erhebende Steuer an und für sich zu berechnen wäre. Soweit nicht nachträglich der noch zu erörternde § 9 Abs. 2 GrEStG eingreift, wird also § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG und dessen Begrenzung durch den in § 12 GrEStG beschriebenen Wert nur dann erheblich, wenn der erwerbende Grundpfandgläubiger entweder als Hauptzweck verfolgte, das Grundstück zu erwerben (und nicht sein Pfandrecht zu retten) oder sonst ein Anhalt dafür besteht, daß er das Pfandrecht zur Ersparung von Abgaben bei dem beabsichtigten Erwerb des Grundstücks erworben hat (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG). Für diesen Fall wird der Grundpfandgläubiger schlechter behandelt als ein anderer Erwerber, dessen Steuer - unbeschadet des § 11 Abs. 3 GrEStG - nur aus dem Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleiben (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrEStG), berechnet wird (§ 10 Abs. 1 GrEStG). Das Grundgesetz wird nicht dadurch berührt, daß das Absinken der Einheitswerte (im Vergleich zum gemeinen Wert) bewirkte, daß in diesen Fällen für den Erwerb des Grundpfandgläubigers der gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG hinzuzurechnende Betrag niedriger wird oder wegfällt.
c) Für sich allein ist § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG in Verbindung mit dem folgenden Satz 3 kaum verständlich. Zwar mag es Sinn haben, einen Grundpfandgläubiger, dessen Hauptzweck der Erwerb des Grundstücks war oder bei dem ein Anhalt dafür besteht, daß er bereits das Pfandrecht zur Ersparung von Abgaben bei dem schon damals beabsichtigten Erwerb des Grundstücks erworben hat, diesen seinem Interesse gemäß zu besteuern (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG); auch mag dadurch gewissen Umgehungsmöglichkeiten vorgebeugt werden. Dieser Zweck wird aber entscheidend beeinträchtigt durch die folgende Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 GrEStG, wonach das Grundpfandrecht höchstens mit dem Betrag angesetzt wird, den der Meistbietende für den Erwerb des Rechts aufgewandt hat. Denn dadurch wird die Besteuerung gerade des Grundpfandgläubigers beschränkt, der bei dem Erwerb des Grundstücks ein besonders gutes Geschäft gemacht hat.
Der tiefere Sinn des § 11 Abs. 11 Nr. 4 Satz 2 GrEStG kann also nicht darin gesehen werden, den der Besteuerung zugrunde zu legenden Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) zu regeln. Er liegt vielmehr in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG, der § 11 Abs. 1 Nr. 4 (und Nr. 5) GrEStG in Bezug nimmt. Nach dieser Vorschrift wird, wenn ein Grundpfandgläubiger in der Zwangsversteigerung zur Rettung seines Rechtes das mit dem Pfandrecht belastete Grundstück erwirbt, die Steuer nur dann nicht erhoben, wenn die Gegenleistung mindestens 80 v. H. des Werts des Grundstücks (§ 12 GrEStG) beträgt. Die Vergünstigung des § 9 Abs. 1 und 3 GrEStG soll also demjenigen Gläubiger nicht zugute kommen, der beim Erwerb des Grundstücks zu einer niedrigen Gegenleistung ein "gutes Geschäft" gemacht hat. Diesen Vorteil hat der Erwerber aber nicht, wenn und soweit er mit seinem Grundpfandrecht ausfällt und - so die Regel - sein Ausfall auch nicht anderweit (etwa durch den persönlichen Schuldner oder durch einen Bürgen) abgedeckt wird (vgl. auch § 114a ZVG). Darum werden bei Vergleich der Gegenleistung mit dem Grundstückswert (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG) dem meistbietenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) Grundpfandgläubiger auch seine ausgefallenen Rechte zugerechnet (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG), höchstens jedoch mit dem Betrag, den er für den Erwerb dieser Rechte aufgewandt hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 GrEStG). Die Begrenzung dieser Zurechnung durch den Wert des Grundstücks (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 12 GrEStG) ist dabei gegenstandslos, weil sie durch die Begrenzung auf 80 v. H. des Werts des Grundstücks (§ 12 GrEStG) in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG aufgehoben wird.
d) Die Aufgabe, welche § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG den in § 12 GrEStG beschriebenen Werten zuweist, können diese offensichtlich nicht mehr erfüllen. Von denkbaren Extremfällen abgesehen läuft § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG heute leer. Der dadurch erzeugte Rechtszustand ist aber nicht verfassungswidrig. Insbesondere wird dadurch anderen Meistbietenden, die nicht Grundpfandgläubiger sind, gegenüber keine grundgesetzwidrige Ungleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) erzeugt. Zum einen ist die Situation des Gläubigers (§ 9 Abs. 5 GrEStG), der es unternimmt, sein in der Zwangsversteigerung gefährdetes Grundpfandrecht (§ 9 Abs. 4 GrEStG) durch sein in den Grenzen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG liegendes Meistgebot zu retten, von vornherein eine andere als die jedes anderen Bieters. Zum anderen ist es zwar möglich, aber nicht sicher, daß ein Meistgebot, das 80 v. H. des Einheitswerts des Grundstücks übersteigt, aber 80 v. H. des gemeinen Werts des Grundstücks nicht erreicht, für den Grundpfandgläubiger, der das Grundstück "zur Rettung seines Rechts" ersteht, ein "gutes Geschäft" ist (vgl. § 74a und § 74b ZVG). Sofern ein nicht durch § 9 GrEStG begünstigter Bieter einen solchen Vorteil als gegeben ansieht, bleibt ihm unbenommen, den Grundpfandgläubiger zu überbieten. Dazu kommt, daß der "Vorteil" des Grundpfandgläubigers durch die Nachversteuerungsvorschrift des § 9 Abs. 2 GrEStG in deren Grenzen kompensiert wird.
e) § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 nimmt ebenfalls auf die Wertberechnung des § 12 GrEStG Bezug. Auf diese Vorschrift näher einzugehen erübrigt sich, weil sie der Tendenz des eben abgehandelten § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG folgt und weil hier ein Fall der § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 11 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG nicht vorliegt.
4. Ist demnach die Anwendung der in § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG unmittelbar und mittelbar in Bezug genommenen Vorschriften der § 11 Abs. 1 Nr. 4 und § 12 GrEStG für sich allein mit dem Grundgesetz vereinbar, so bleibt allein die Frage, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG selbst (durch Bezugnahme auf diese Vorschriften) das Grundgesetz verletzt. Nach dieser Vorschrift wird die Grunderwerbsteuer nacherhoben, wenn der gemäß § 9 Abs. 1 (oder Abs. 3) GrEStG befreite Erwerber (oder dessen Erbe) das Grundstück innerhalb von fünf Jahren seit dem Erwerbsvorgang zu einem Entgelt veräußert, das die beim Erwerbsvorgang angesetzte Gegenleistung übersteigt. Bezüglich des Begriffs der Gegenleistung nimmt die Vorschrift - ebenso wie § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG - auf § 11 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 GrEStG Bezug. Aufwendungen des Erwerbers (oder seines Erben) für Bauten, Umbauten oder sonstige dauernde Verbesserungen des Grundstücks werden nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 Satz 3 GrEStG berücksichtigt. Die Steuer wird nur insoweit nacherhoben, als sie aus der Hälfte des Mehrerlöses gedeckt werden kann (§ 9 Abs. 2 Satz 4 GrEStG).
a) Die letztgenannte Vorschrift berücksichtigt das Risiko, das der erwerbende Grundpfandgläubiger zwischenzeitlich hatte (darunter auch den Zinsaufwand). Im übrigen bezweckt § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG, die Steuerbefreiung des § 9 Abs. 1 (und Abs. 3) GrEStG dann rückgängig zu machen, wenn der Ersteher innerhalb von fünf Jahren seit dem Meistgebot für den Wert des Grundpfandrechtes, das er zu retten unternommen hatte, volle Deckung erhielt. Dabei sollen jedoch - und das ist der Sinn der Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG - solche Grundpfandrechte unberücksichtigt bleiben, welche im Wert des Grundstücks keine Deckung fanden, und welche überdies der Grundpfandgläubiger nicht ausgeboten hat.
b) Diese Gestaltung des § 9 Abs. 2 GrEStG wäre verhältnismäßig unproblematisch, wenn man davon ausgehen dürfte, daß die in § 12 GrEStG bezeichneten Werte ungefähr den gemeinen Grundstückswerten entsprächen, und die durch Verweisung auf § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG wirksame Bezugnahme auf diese Werte somit nur solche Grundpfandrechte erfassen würde, welche im Zeitpunkt des Versteigerungstermins durch den wahren Wert des Grundstücks nicht gedeckt waren. Denn seinem eigentlichen Sinne nach will § 9 Abs. 1 GrEStG einen Grundpfandgläubiger nicht deshalb begünstigen, weil ihm ein Grundpfandrecht (§ 9 Abs. 4 GrEStG) beliebigen Rangs zusteht (vgl. BFH-Urteil II R 116/66 vom 13. Februar 1968, BFH 91, 483), sondern - wie auch die Aufzählung der den Grundpfandgläubigern gleichgestellten Personen (§ 9 Abs. 5 Satz 2 GrEStG) zeigt (vgl. BFH-Urteil II 12/64 vom 26. Oktober 1966, BFH 87, 99) - diejenigen Gläubiger, welche mit Grund annehmen durften, wegen ihrer Ansprüche durch Rechte am Grundstück gesichert zu sein, und welche durch das eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren Gefahr laufen, diese Sicherung zu verlieren. Deshalb kann bei Abgrenzung der Nachversteuerung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG) zwischen den Grundpfandrechten, welche innerhalb des Grundstückswertes liegen, und den außerhalb des Grundstückswertes liegenden Grundpfandrechten unterschieden werden.
Diese Differenzierung ist allerdings von Anfang an problematisch, selbst wenn man von § 3a Abs. 1 BewDV absehen und unterstellen würde, daß der Wertansatz gemäß § 12 Abs. 3 GrEStG jeweils dem neuesten Stand entspreche. Denn selbst wenn man davon ausgehen könnte, daß in einer Zwangsversteigerung ungefähr der Verkehrswert zu erzielen wäre, und daß ein im Sachwertverfahren nach den Grundsätzen der Einheitsbewertung auf den Stichtag ermittelter Wert dem Verkehrswert (gemeinen Wert) entspräche, so ließe sich das gleiche nicht für einen im Ertragswertverfahren nach den Grundsätzen der Einheitsbewertung ermittelten Wert behaupten. Das kann schon allgemein bedeuten, daß ein solches Grundpfandrecht nicht innerhalb der in § 9 Abs. 2 Satz 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 12 GrEStG beschriebenen Wertgrenze liegt, von dem man bei seiner Bestellung und auch im Zeitpunkt des Versteigerungstermins mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen konnte, daß es in der Versteigerung ausgeboten werde; im besonderen gilt das dann, wenn die Nutzungsart, zufolge derer das Grundstück im Ertragswertverfahren zu bewerten ist, jederzeit geändert werden kann. Können somit bei dem gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG anzusetzenden Wert selbst zeitnahe "einheitswertähnliche" Werte zu niedrig sein, so ist andererseits ein dem Verkehrswert vergleichbarer Wert deshalb wenig geeignet, als Maßstab für die Deckung des Grundpfandrechtes zu dienen, weil häufig genug in der Zwangsversteigerung die entsprechenden Beträge nicht geboten werden.
c) Überdies enthält die in § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG enthaltene Begrenzung auf die Werte des § 12 GrEStG in ihrer Anwendung einerseits im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG, andererseits des § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG einen gewissen Widerspruch. Denn in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG werden zum Vorteil des Erstehers die von ihm nicht ausgebotenen Grundpfandrechte insoweit der Gegenleistung zugerechnet, als sie durch den Wert des Grundstücks gedeckt sind. Das Gesetz erwartet also in dieser Vorschrift von dem Grundpfandgläubiger nicht, daß er seine Rechte ausbietet und dadurch im Falle einer Hypothek den persönlichen Schuldner der ihnen zugrunde liegenden Forderung von seiner Verpflichtung befreit. Bei der Nachversteuerung (§ 9 Abs. 2 GrEStG) ist es dagegen umgekehrt: Hat der Grundpfandgläubiger sein Recht voll ausgeboten, so ist er vor der Nachversteuerung bewahrt, es sei denn, daß er bei der Weiterveräußerung mehr erlöst als er für das Grundstück und zuvor für sein Grundpfandrecht aufgewendet hat. Hat er dieses aber nicht voll ausgeboten, so kann er, sofern das Grundpfandrecht nicht durch den Wert des Grundstücks (§ 12 GrEStG) gedeckt war, der Nachversteuerung selbst dann unterliegen, wenn er bei der Weiterveräußerung im Verhältnis zu seinen Aufwendungen für den Erwerb des Grundpfandrechts und für den Erwerb des Grundstücks einen Verlust erleidet.
d) Diese bereits in der Konstruktion des § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG liegende Diskrepanz wird dadurch verstärkt, daß zufolge § 3a Abs. 1 BewDV die Einheitswerte und die Stichtagswerte des § 12 Abs. 3 GrEStG weit hinter den gemeinen Werten zurückgeblieben sind. § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG wird deshalb in einer Vielzahl von Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Diese können aber - wie bereits zu I dargestellt wurde - durch Auslegung des Gesetzes nicht beseitigt werden, da sie im Wortzusammenhang des Gesetzes begrifflich nicht ausgeschieden werden können. Eine ausfüllungsbedürftige und ausfüllungsfähige Lücke des Gesetzes liegt ebenfalls nicht vor.
e) Gleichwohl ist § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG nicht verfassungswidrig. Er verletzt insbesondere kein Grundrecht. Ob man die Vorschrift in einem allgemeinen oder rechtspolitischen Sinne als sachfremd bezeichnen könnte, weil ihr kein vernünftiger Sinn zu entenhmen sei, kann dahingestellt bleiben; die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist jedenfalls gewahrt. Denn jeder zunächst gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG von der Steuer befreite Grundpfandgläubiger unterliegt dieser Vorschrift gleichermaßen. Ihren unbilligen Auswirkungen kann er sich dadurch entziehen, daß er sein Grundpfandrecht voll ausbietet; er verliert dann allerdings - über § 114a ZVG hinaus - die das Grundpfandrecht etwa begleitenden persönlichen Forderungen und deren etwaige Sicherung durch eine Bürgschaft.
Fundstellen
Haufe-Index 69419 |
BStBl II 1971, 343 |
BFHE 1971, 438 |