Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine fristsetzende Aufforderung nach Art. 3 § 3 VGFGEntlG
Leitsatz (NV)
1. Eine Verfügung, mit der eine Frist nach Art. 3 § 3 Abs. 1 VGFGEntlG gesetzt wird, ist mit vollem Namen zu unterzeichnen.
2. Eine wirksame Fristsetzung zur Bezeichnung von Beweismitteln (Art. 3 § 3 Nr. 3 VGFGEntlG) setzt die Bezugnahme auf bestimmte aufklärungsbedürftige Tatsachen voraus.
Normenkette
VGFGEntlG Art. 3 § 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit seiner Klage begehrte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im wesentlichen die Berücksichtigung angeblicher Schadenersatzzahlungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Nachdem das Finanzgericht (FG) den Kläger nach Eingang der Klageschrift zunächst erfolglos zur Begründung seiner Klage aufgefordert hatte, richtete der Vorsitzende des erkennenden Senats des FG an den Kläger ein Schreiben, in dem er diesen unter Hinweis auf Art. 3 § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) u. a. aufforderte, innerhalb einer Frist von zwei Monaten Tatsachen und Beweismittel anzugeben, die nach seiner Auffassung bei der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen seien. Die Urschrift dieses Schreibens ist nur mit einem Namenszeichen abgezeichnet, während in der dem Kläger zugegangenen Ausfertigung beglaubigt ist, daß der Vorsitzende die Urschrift unterschrieben habe. Die Klagebegründung ging erst nach Ablauf der Frist beim FG ein. Erstmals in der mündlichen Verhandlung benannte der Kläger Zeugen dafür, daß von ihm Schadenersatz verlangt worden sei.
Das FG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es u. a. aus: Der Kläger habe nicht fristgerecht unter Beweisantritt dargetan, daß er einen Schaden verursacht und daß er sich zum Ersatz eines Schadens deshalb bereit erklärt habe, weil er ihn als Geschäftsführer einer GmbH verursacht habe. Der Senat berücksichtige zwar den Vortrag des Klägers in der Klagebegründung trotz Versäumung der Ausschlußfrist. Er weise aber den Beweisantritt in der mündlichen Verhandlung (Benennung der Gesellschafter L und S als Zeugen dafür, daß diese wegen des Verhaltens des Klägers Erfüllung von Verbindlichkeiten der GmbH verlangt hätten) als schuldhaft verspätet zurück, weil eine Befolgung dieses Beweisantritts den Rechtsstreit verzögert hätte. Ohne eine Zeugenvernehmung habe sich das Gericht außerstande gesehen festzustellen, daß der Kläger - trotz etwaigen Mitverschuldens der Gesellschafterin S - Schadenersatz wegen von ihm begangener Vertragsverletzungen aufgrund des Verlangens der Gesellschafter geleistet habe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger u. a. unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch das FG. Dieses habe seine Entscheidung ermessensfehlerhaft auf die Fristversäumnis des Klägers gestützt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hätte die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung benannten Beweismittel (Zeugen) nicht nach Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG als verspätet zurückweisen dürfen, sondern bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen.
Mit seinem Vortrag, das FG habe ermessensfehlerhaft unter Berufung auf die Fristversäumnis von einer weiteren Sachverhaltsaufklärung abgesehen, rügt der Kläger die Verletzung der genannten Vorschrift. Voraussetzung für eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG ist - abgesehen von den in Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift enthaltenen Voraussetzungen -, daß dem betroffenen Beteiligten für sein Vorbringen eine dem Art. 3 § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VGFGEntlG entsprechende Frist gesetzt worden ist. Daran fehlt es im Streitfall.
Eine Verfügung, mit der aufgrund der letztgenannten Vorschrift die Frist angeordnet wird, muß mit vollem Namen, nicht nur mit einem Namenszeichen, unterzeichnet werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. März 1983 IV R 147/80, BFHE 138, 143, BStBl II 1983, 476). Da im Streitfall weder die Urschrift noch die dem Kläger zugegangene Ausfertigung der Verfügung vom Vorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnet ist, fehlt es schon deshalb an einer wirksamen Fristsetzung mit ausschließender Wirkung. Außerdem durfte das FG den Kläger nicht gleichzeitig allgemein zur Angabe von Tatsachen und Beweismitteln auffordern, weil eine wirksame Fristsetzung nach Art. 3 § 3 VGFGEntlG zur Bezeichnung von Beweismitteln die Bezugnahme auf bestimmte aufklärungsbedürftige Tatsachen voraussetzt (BFH-Urteile vom 28. April 1982 I R 35/79, BFHE 136, 515, BStBl II 1983, 42 und vom 14. Januar 1981 I R 133/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443). Da es somit an einer wirksam gesetzten Ausschlußfrist gefehlt hat, durfte das FG wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) den Beweisantrag nicht allein deswegen zurückweisen, weil er erst in der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist (Urteil in BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443).
Fundstellen
Haufe-Index 413828 |
BFH/NV 1986, 229 |