Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlaß a. B. von Mineralölsteuer bei Abgabe von Heizöl an einen Nichtberechtigten
Leitsatz (NV)
Die Voraussetzung einer Billigkeitsmaßnahme, daß eine dem Gesetz entsprechende Besteuerung mit Rücksicht auf den Zweck der Besteuerung im Einzelfall nicht zu rechtfertigen ist, ist grundsätzlich nicht erfüllt, wenn Heizöl an eine Person abgegeben wird, die nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis ist.
Normenkette
AO 1977 § 227; FGO § 102; MinöStDV § 23 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) nahm die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit Steuerbescheid vom 9. Dezember 1977 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 14. Dezember 1977 als Steuerschuldnerin auf Zahlung von 620 000 DM Mineralölsteuer mit der Begründung in Anspruch, die Mineralölsteuer sei in der Person der Klägerin unbedingt geworden, weil diese in der Zeit vom 1. Januar bis 20. März 1976 steuerbegünstigtes Heizöl an K abgegeben habe, ohne daß dieser im Besitz eines Erlaubnisscheins gewesen sei. Der Steuerbescheid ist unanfechtbar.
Der Antrag der Klägerin, den Steueranspruch aus Billigkeitsgründen zu erlassen, hatte für einen Teilbetrag in Höhe von 320 000 DM mit der Begründung Erfolg, K habe etwa 53 % der bezogenen Mineralölmengen als Heizöl ausgeliefert; insoweit sehe das HZA die Voraussetzungen für einen Erlaß aus Billigkeitsgründen als gegeben an. Im übrigen lehnte das HZA den Antrag ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Ablehnung wurde im wesentlichen darauf gestützt, die Voraussetzungen für einen Erlaß aus Billigkeitsgründen würden insoweit nicht als gegeben angesehen; denn K habe die bezogenen und beim Erlaß nicht berücksichtigten Mineralölmengen als Dieselkraftstoff ausgeliefert.
Die gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlaß aus Billigkeitsgründen gerichtete Klage führte zur Aufhebung des Ablehnungsbescheids und der Beschwerdeentscheidung. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, bei der Ablehnung des Antrags sei unberücksichtigt geblieben, daß die Steuer ganz wesentlich aus formalen Gründen unbedingt geworden sei; denn K habe versäumt, seinen Erlaubnisschein verlängern zu lassen, was ohne weiteres zu erreichen gewesen wäre.
Das HZA begründet seine Revision wie folgt: Der Sachverhalt, den das FG berücksichtigt wissen wolle, sei rein hypothetischer Art. Das FG sei auch zu Unrecht der Auffassung, daß die Mineralölsteuer im wesentlichen aus formalen Gründen in der Person der Klägerin unbedingt geworden sei. Die Erlaubnis sei materielle Voraussetzung für den Übergang der bedingten Steuerschuld gewesen.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie macht im wesentlichen geltend: Die Ausführungen des HZA ließen eine Berücksichtigung des Wesens einer Billigkeitsmaßnahme, nämlich die einem Gnadenerweis ähnliche Korrektur der für den Einzelfall als ungerecht empfundenen Folgen einer strikten Gesetzesanwendung vermissen. Der Klägerin sei weder bekannt gewesen, noch habe sie erkennen können, daß K das Heizöl im Streckengeschäft abgeholt habe. K sei stets als Spediteur des R aufgetreten, der allein Geschäftspartner der Klägerin gewesen sei. Das sei auch in der Vorinstanz vorgetragen, vom FG aber nicht berücksichtigt worden. Das FG habe insoweit seine Aufklärungspflicht nicht erfüllt. Die Mineralölindustrie als Lieferant habe, wie sich aus den Akten ergebe, den Übergang der Steuer ,,in der Strecke" gefordert und der für den Streitfall maßgebenden Regelung der Streckengeschäfte nicht zugestimmt. Das FG habe das zu Unrecht nicht berücksichtigt. Den Bedenken der Mineralölindustrie sei aber dahingehend Rechnung getragen worden, daß der damalige Leiter des Mineralölsteuerreferats im Bundesfinanzministerium einer Delegation des Mineralölwirtschaftsverbandes im März 1974 zugesagt habe, unbilligen Härten in den Fällen, in denen Lieferanten schuldlos Steuerschuldner geworden seien, großzügig im Billigkeitsweg abzuhelfen. Diese Zusage stelle ein nachdrückliches Verhalten der Verwaltung gegenüber der Klägerin dar. Eine rückwirkende Erlaubniserteilung sei zulässig gewesen. Wäre sie erfolgt, so wären die steuerschuldrechtlichen Folgen des Erlöschens einer Erlaubnis, nämlich das Unbedingtwerden der bedingten Steuerschuld, rückwirkend beseitigt worden.
Die dem Verfahren beigetretene Oberfinanzdirektion (OFD) hat sich dem Antrag des HZA und dessen Begründung angeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Das FG hat zutreffend berücksichtigt, daß die angefochtene Ablehnung des Antrags auf Erlaß aus Billigkeitsgründen eine behördliche Ermessensentscheidung ist, die nur nach Maßgabe des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerichtlich nachgeprüft werden kann, und daß dabei die Billigkeit Maßstab für Inhalt und Grenzen des Ermessens ist. Da im Streitfall nur sachliche Billigkeitsgründe zum Erfolg führen können, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. dazu Urteil des Senats vom 5. Februar 1985 VII R 100/80, BFH / NV 1986, 706) eine Billigkeitsmaßnahme grundsätzlich davon abhängig, daß die Besteuerung im Einzelfall, obwohl sie dem Gesetz entspricht, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Besteuerung nicht mehr zu rechtfertigen ist, den Wertungen des Gesetzgebers also zuwiderläuft und daß der Besteuerung Umstände entgegenstehen, die bei der Steuerfestsetzung durch Auslegung des Steuertatbestands nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers nicht berücksichtigt werden können.
Diese Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme sind vom FG nicht hinreichend berücksichtigt worden. Das gilt insbesondere für seine Auffassung, eine Billigkeitsmaßnahme sei deshalb gerechtfertigt, weil K die erforderliche Erlaubnis, sofern er sie beantragt hätte, auch erlangt hätte; das aber hätte zur Folge gehabt, daß die Steuerschuld mit der Abgabe des Mineralöls an K auf diesen übergegangen wäre und die Klägerin durch die Weitergabe des Mineralöls zur Verdieselung nicht als Steuerschuldnerin hätte in Anspruch genommen werden können.
Es ist nicht streitig und bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung, daß das Unbedingtwerden der Steuer in der Person der Klägerin materiell-rechtlich davon abhängig war, daß - steuerbegünstigtes - Heizöl an K als einen nicht zum Bezug unversteuert oder ermäßigt versteuerten Mineralöls Berechtigten abgegeben worden ist (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2, § 36 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes - MinöStDV - i. d. F. der 15. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 16. Dezember 1974, BGBl I 1974, 3521) und daß die Bezugsberechtigung im Streitfall von der Erteilung - oder Verlängerung - einer Erlaubnis abhängig gewesen wäre (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 MinöStDV). Aufgrund dieser Rechts- und Sachlage war ein Fortbestand der bedingten Steuerschuld nach Abgabe des Mineralöls an K als einen Nichtbezugsberechtigten im vorgenannten Sinne nicht möglich.
Der aufgezeigten Rechtslage ist auch zu entnehmen, daß dieses Ergebnis mit den dafür maßgebenden Regelungen angestrebt worden ist, also Ziel dieser Regelungen war. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte vorhanden, nach denen angenommen werden könnte, daß das Unbedingtwerden der Steuer durch Abgabe von Mineralöl an einem Empfänger, der zwar keine gültige Erlaubnis besitzt, wohl aber die Voraussetzungen für die Erlangung der erforderlichen Erlaubnis erfüllt, mit dem aufgezeigten Zweck der Regelungen über das Unbedingtwerden der Steuer nicht vereinbar wäre oder den Wertungen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang entgegenlaufen würde.
Derartige Anhaltspunkte können entgegen den Darlegungen des FG und der Klägerin insbesondere nicht daraus hergeleitet werden, daß in bestimmten Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen die Erlaubnis für bestimmte Personen fortgilt (§ 20 Abs. 2 MinöStDV) oder die Steuer trotz Erfüllung der Voraussetzungen für das Unbedingtwerden bedingt bleibt (§ 23 Abs. 4 Nr. 1 und 2 MinöStDV). Daraus, daß im Gesetz genau bestimmt ist, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die aufgezeigten Rechtsfolgen eintreten sollen, muß vielmehr entnommen werden, daß eine Ausdehnung auf andere Fälle nicht in Betracht kommen soll. Zumindest kann den genannten Regelungen aber nicht entnommen werden, daß trotz Fehlens einer Bezugsberechtigung das Unbedingtwerden einer Mineralölsteuer mit dem Sinn und Zweck der dafür maßgebenden Vorschriften nicht vereinbar sein könnte.
Dagegen spricht, daß die genannten Vorschriften entweder dazu führen, daß eine erteilte Erlaubnis für bestimmte Personen - kraft Gesetzes - fortgilt, oder Fälle betreffen, in denen - anders als im Streitfall - Bezug und Abgabe von Mineralöl keine Bedeutung erlangen können.
Eine Billigkeitsmaßnahme kann nach den aufgezeigten Grundsätzen auch nicht damit gerechtfertigt werden, die Klägerin habe nicht erkennen können, daß das Heizöl an K abgegeben worden sei. Ob es darauf ankommt, ist eine Frage der Rechtsanwendung. Kommt es danach nicht darauf an, so ist das noch kein Grund für eine Billigkeitsmaßnahme. Da für den Übergang der bestimmten Steuer allein die Erlangung des Besitzes maßgebend ist (vgl. Urteil des Senats vom 7. Mai 1985 VII R 51-53/81, BFH / NV 1986, 565), entspricht es der Rechtslage, subjektive Vorstellungen des Abgebenden über die Folgen der Abgabe unberücksichtigt zu lassen.
Das Vorbringen der Klägerin ist auch nicht geeignet, eine Billigkeitsmaßnahme mit Erwägungen des Vertrauensschutzes zu rechtfertigen. Eine schutzwürdige Vertrauenslage kann sich nur in einem konkreten Verhältnis zwischen dem Schutzbedürftigen und der Verwaltung bilden (vgl. Urteil des Senats vom 13. Mai 1987 VII R 37/84, BFHE 150, 108, 112, BStBl II 1987, 606). Eine Zusage gegenüber einer Delegation des Mineralölwirtschaftsverbandes, auf die die Klägerin sich beruft, ist danach schon deshalb nicht geeignet, eine schutzwürdige Vertrauensgrundlage zugunsten der Klägerin zu schaffen, weil sie nicht in einem Verhältnis der Klägerin zur Verwaltung erfolgt ist.
Auch die Fragen, ob dem K eine Erlaubnis mit Rückwirkung hätte erteilt werden können, wie die Klägerin meint, und welche Folgerungen sich daraus für die in der Person der Klägerin unbedingt gewordene Steuer ergeben hätten, kann für die Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme zugunsten der Klägerin keine Bedeutung erlangen. Wie dargelegt, gebietet es die Rechtslage, für das Unbedingtwerden der Mineralölsteuer allein darauf abzustellen, ob K im Zeitpunkt der Abgabe bezugsberechtigt war. Das trifft nach den Feststellungen des FG nicht zu.
Fundstellen