Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Erteilung von Ursprungsbescheinigungen durch Zurücksenden der Anträge
Leitsatz (NV)
1. Die Zurücksendung von Anträgen auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen kann die sachliche Entscheidung der Senatsverwaltung für Wirtschaft in Berlin enthalten, daß die beantragten Ursprungsbescheinigungen nicht erteilt werden. Ein derartiger Erklärungsinhalt kann sich aus den besonderen Umständen ergeben, die zu dem Vorgehen der Behörde geführt haben, insbesondere aus Schreiben der Behörde, die ein kommentarloses Zurücksenden angekündigt hatten.
2. Zu den Folgen mangelnder Schriftform.
3. Der BFH ist befugt, nicht revisibles Recht nachzuprüfen, soweit es sich dabei um Vorfragen für die Anwendung von Bundesrecht handelt.
Normenkette
BerlinFG § 8; FGO § 118 Abs. 1 S. 1; BGB § 133; VwVfG §§ 44, 38, 48; Berliner VwVfG § 14
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin einer GmbH. Die Herstellung ihrer Produkte war zwischen den Betriebsstätten im Bundesgebiet und in Berlin (West) aufgeteilt.
Die Beklagte und Revisionsbeklagte (nunmehr Senatsverwaltung für Wirtschaft - Beklagte -) hatte der GmbH antragsgemäß bis Oktober 1971 Ursprungsbescheinigungen nach § 8 des Berlinhilfegesetzes (BHG) bzw. des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) erteilt. Nach einer Betriebsprüfung widerrief die Beklagte durch Bescheid vom 12. Dezember 1972 die nach dem 31. Dezember 1967 erteilten Ursprungsbescheinigungen und lehnte die Erteilung beantragter Ursprungsbescheinigungen bis Oktober 1972 ab. Der Bescheid vom 12. Dezember 1972 hat u. a. folgenden Wortlaut:
,,Die Prüfungsfeststellungen haben ergeben, daß die von Ihnen in Berlin (West) durchgeführten Be- und Verarbeitungsmaßnahmen als geringfügig im Sinn des § 6 Abs. 1 BerlinFG anzusehen sind; vgl. Tz. 17 bis 21 des Berichts.
Es werden daher die von mir erteilten Ursprungsbescheinigungen, soweit sie auf Lieferungen entfallen, die nach dem 31. Dezember 1967 erfolgt sind, widerrufen: . . .
Die mir vorliegenden - noch nicht bearbeiteten - Anträge auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen für die Monate . . . bedauere ich, aus o. g. Gründen ebenfalls nicht testieren zu können und sende sie zu meiner Entlastung zurück.
Rechtsmittelbelehrung: . . ."
Der Bescheid vom 12. Dezember 1972 wurde unanfechtbar.
Mit weiteren Schreiben vom 23. Januar, 19. Februar und 16. April 1973 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf ihren Bescheid vom 12. Dezember 1972 die Erteilung von Ursprungsbescheinigungen bis einschließlich 31. März 1973 ab. Nachfolgende Anträge auf Ursprungsbescheinigungen reichte die Beklagte kommentarlos zurück.
Die genannten Schreiben haben im wesentlichen folgende Inhalte:
Schreiben vom 23. Januar 1973
,,Betr.: Umsatzsteuerliche Vergünstigungen nach dem BerlinFG Bezug: Mein Schreiben vom 12. Dezember 1972
Sehr geehrte Herren!
Im o. g. Schreiben teilte ich Ihnen mit, daß die von Ihnen in Berlin (West) durchgeführten Be- und Verarbeitungsmaßnahmen als geringfügig im Sinne des § 6 Abs. 1 BerlinFG anzusehen sind. Die mir inzwischen zugesandten Anträge auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen für die Monate November und Dezember 1972 sende ich Ihnen daher zu meiner Entlastung zurück. . . ."
Schreiben vom 19. Februar 1973
,,Betr.: Umsatzsteuerliche Vergünstigungen nach dem BerlinFG Bezug: Ihr Antrag vom 31. 1. 1973, meine Schreiben vom 12. 12. 72 und 23. 1. 73
Sehr geehrte Herren!
Unter Bezugnahme auf meine o. a. Schreiben sende ich Ihnen den Antrag auf Erteilung einer Ursprungsbescheinigung gemäß § 8 BerlinFG zu meiner Entlastung zurück. Testate können aus den Ihnen im Prüfungsbericht vom 24. 10. 1972 genannten Gründen nicht mehr erteilt werden.
Sollten zwischenzeitlich die in meinem Schreiben vom 24. 10. 72 genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Vollproduktion in Berlin (West) gegeben sein, bin ich nach entsprechender Überprüfung zur Erteilung von Ursprungsbescheinigungen bereit. Gegebenenfalls bitte ich Sie, mir dies jedoch vorher schriftlich mitzuteilen, bis dahin wollen Sie bitte von einer weiteren Übersendung von Anträgen absehen. . . ."
Schreiben vom 16. April 1973
,,Betr.: Berlinförderungsgesetz
hier: Ursprungsbescheinigungen nach § 8 BerlinFG
Bezug: Ihr Antrag vom 9. 4. 1973
Sehr geehrte Herren!
Unter Hinweis auf meine Schreiben vom 12. 12. 1972, 23. 1. und 19. 2. 1973 sende ich Ihnen den o. g. Antrag unbearbeitet zurück. Ich bitte Sie, von dem Inhalt, insbesondere des zuletzt genannten Schreibens, Kenntnis zu nehmen und soweit keine Änderungen bezüglich der von mir anläßlich der im Jahre 1972 durchgeführten Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen eintreten, von einer weiteren Übersendung von Anträgen abzusehen. Andernfalls werde ich Ihre Anträge in Zukunft kommentarlos zurücksenden. . . ."
Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 10. Oktober 1974 V R 160/73 (BFHE 114, 146, BStBl II 1975, 130) den Begriff der geringfügigen Behandlung abweichend von der bis dahin vertretenen Verwaltungsauffassung ausgelegt hatte, bemühte sich die GmbH, eine Aufhebung der Widerrufsverfügung vom 12. Dezember 1972 und der ablehnenden Bescheide zu erreichen. Mit Schreiben vom 21. Juni 1977 teilte die Beklagte der GmbH mit, daß sie keine Veranlassung sehe, von ihren früheren Entscheidungen abzugehen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage nahm die GmbH wieder zurück.
Nachdem von der GmbH bzw. der Klägerin weitere Verhandlungen mit der Beklagten geführt worden waren, erließ die Beklagte mit Datum vom 31. März 1980 ein Schreiben an die Klägerin mit folgendem Inhalt: ,,Wie ich schon in unseren Gesprächen am 26. Oktober 1979 und 11. Februar 1980 zum Ausdruck gebracht habe, gab es in der Vergangenheit und gibt es heute keinen Anlaß, meine bestandskräftigen Entscheidungen in bezug auf die Lieferungen in den Jahren 1968 bis einschließlich 1973 zu überprüfen. Ich verweise insoweit auf meine Entscheidungen vom 12. Dezember 1972, 23. Januar 1973, 19. Februar 1973, 16. April 1973 sowie die weiteren Nichtbearbeitungen von Anträgen auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen bis einschließlich August 1973.
Ich erlaube mir, Ihnen das zu bestätigen."
Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Zur Begründung trug sie vor, die Beklagte sei gemäß § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) in eine erneute Prüfung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Einen entsprechenden Antrag habe die Klägerin insbesondere in den letzten Gesprächen gestellt. Das wiederaufgegriffene Verfahren könne nur durch eine Rücknahme der Widerrufsverfügung bzw. durch eine Erteilung von Ursprungsbescheinigungen abgeschlossen werden, da die Versagung von Ursprungsbescheinigungen im Licht der neueren Rechtsprechung rechtswidrig wäre.
Das Finanzgericht (FG) trennte das Verfahren betreffend den Zeitraum 1. April 1973 bis 31. August 1973 ab, das Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens V R 174/84 ist.
Das FG wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen aus: Die kommentarlose Rücksendung der Anträge könne nicht als ablehnender Verwaltungsakt gedeutet werden, denn dieser Maßnahme sei nicht zu entnehmen, ob sich die Beklagte mit den Anträgen sachlich befaßt habe oder nicht oder ob sie gar die Entgegennahme der Anträge verweigert habe. Die Berufung der Beklagten auf den Bescheid vom 16. April 1973 helfe nicht weiter, da bereits in diesem Bescheid von einer ,,unbearbeiteten" bzw. ,,kommentarlosen" Rücksendung die Rede sei. Die bloße Möglichkeit, daß die Beklagte über den Antrag sachlich, wenn auch ablehnend, habe entscheiden wollen, reiche im Hinblick auf die notwendige Bestimmtheit des Verwaltungshandelns nicht aus, um die bloße Rücksendung der Anträge als ablehnende Bescheide zu würdigen. Die Klage habe aber keinen Erfolg, weil der Anspruch der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlaß der beantragten Verwaltungsakte verwirkt sei (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 26. Januar 1972 2 BvR 255/67, BVerfGE 32, 305, BStBl II 1972, 306), da die Klägerin die kommentarlose Zurücksendung der unbearbeiteten Anträge im Jahr 1973 hingenommen habe, mindestens etwa 2 ‹ Jahre untätig geblieben sei und eine über mehr als 2‹-jährige Untätigkeit zur Verwirkung prozessualer und materieller Rechte führe, wenn eine frühere Anrufung des Gerichts zumutbar und den Umständen nach zu erwarten gewesen sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der Rechtsgrundsätze der Verwirkung bei Anwendung von § 8 BerlinFG und die Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), da das FG den Begriff der Verwirkung unzutreffend interpretiert habe.
Die Klägerin stellt den Antrag
1. das mit der Revision angefochtene Urteil des FG vom 1. November 1983 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin zu den Rechnungen für den Zeitraum 1. April bis 31. August 1973 Ursprungsbescheinigungen nach § 8 BerlinFG zu erteilen,
hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin hinsichtlich der in dem Antrag zu 2. genannten Ursprungsbescheinigungen ermessensfehlerfrei neu zu bescheiden, soweit ein Bescheid noch nicht vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Klage der Klägerin abgewiesen (§ 126 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 FGO).
1. Der erkennende Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des FG, wonach die Klage deshalb keinen Erfolg habe, weil der Anspruch der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlaß der beantragten Ursprungsbescheinigungen - also ihr Klagerecht - verwirkt sei. Ein Sachverhalt dieser Art ist nicht gegeben. Gegenstand der zum FG erhobenen Klage der Klägerin ist - wie es das FG in dem der Revision der Klägerin zu V R 37/83 zugrunde liegenden Urteil für den Zeitraum bis 31. März 1973 zu Recht angenommen hat - auch im Streitfall die durch das Schreiben vom 31. März 1980 getroffene Entscheidung der Beklagten; hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage. Soweit sich im Rahmen der Entscheidung über diese Klage die Frage stellte, ob die Klägerin ihr Recht aus § 8 BerlinFG, Ursprungsbescheinigungen zu beantragen, verwirkt habe, beträfe sie nicht das Klagerecht der Klägerin, sondern die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten. Das gilt sowohl dann, wenn man, wovon der erkennende Senat ausgeht, auch für den im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Zeitraum vom 1. April bis 31. August 1973 eine Entscheidung der Beklagten im Sinn des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG sieht, als auch dann, wenn das Schreiben der Beklagten vom 31. März 1980 als erstmalige Ablehnung der Erteilung der Ursprungsbescheinigungen anzusehen wäre.
2. Die Klageabweisung durch das FG stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar. Die Beklagte hat es ermessensfehlerfrei abgelehnt, über die Anträge auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen für die Lieferungen der GmbH im Zeitraum 1. April bis 31. August 1973 erneut sachlich zu entscheiden. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen im Urteil vom heutigen Tag V R 37/83 zu II.3. Der Anwendung der dort angestellten rechtlichen Überlegungen auf den Streitfall steht nicht entgegen, daß die Beklagte die Anträge auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen für Lieferungen der GmbH im Zeitraum 1. April bis 31. August 1973 ,,kommentarlos" zurückgesandt hat. Entgegen der Beurteilung dieser Vorgänge durch das FG, an die der Senat nicht gebunden ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1963 VI 105/63 U, BFHE 78, 434, BStBl III 1964, 167; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 9. Juni 1983 2 C 34.80, BVerwGE 67, 222 (234), hat die Beklagte mit der Zurücksendung der Anträge jeweils sachlich entschieden, daß die von der GmbH beantragten Ursprungsbescheinigungen nicht erteilt werden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen der Herstellung in Berlin (West) nicht erfüllt seien. Der dahingehende objektive Erklärungsinhalt (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) ergibt sich aus den Umständen, die zu dem Vorgehen der Beklagten geführt haben, wie sie insbesondere aus dem Schreiben vom 16. April 1973 in Verbindung mit den weiteren darin in Bezug genommenen Schreiben vom 12. Dezember 1972, 23. Januar und 19. Februar 1973 zu entnehmen sind.
Der Satz in dem Schreiben vom 16. April 1973 ,,Andernfalls werde ich Ihre Anträge in Zukunft kommentarlos zurücksenden" enthält im Zusammenhang mit dem vorangehenden Inhalt dieses Schreibens die Mitteilung an die GmbH, die Beklagte werde auch künftige Anträge ablehnen, weil - bei unverändertem Sachverhalt - die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Ursprungsbescheinigungen für Lieferungen der GmbH nicht erfüllt seien; sie werde diese Ablehnung dadurch aussprechen und dies der GmbH kenntlich machen, daß sie die Anträge an die GmbH unbearbeitet zurücksenden werde. Bei dieser Sicht hat die Beklagte mit der Rücksendung über die jeweils gestellten Anträge auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen sachlich entschieden; eines der jeweiligen Rücksendung beigefügten weiteren ausdrücklichen Hinweises auf die Ablehnung bedurfte es nicht, zumal die Beklagte bereits mit den Schreiben vom 12. Dezember 1972, 23. Januar und 19. Februar 1973 - wie auch mit dem Schreiben vom 16. April 1973 - Anträge der GmbH auf Erteilung von Ursprungsbescheinigungen unter Hinweis auf die Rechtslage (siehe insbesondere die Schreiben vom 12. Dezember 1972 und 23. Januar 1973) unbearbeitet zurückgesandt hatte. Auch hieraus wird deutlich, daß die Beklagte mit den weiteren unbearbeiteten Rücksendungen sachliche Entscheidungen über die Anträge treffen wollte und getroffen hat (vgl. zum Verwaltungsakt durch konkludentes Verhalten der Behörde z. B. Mayer / Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 11 III. 2. a und Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, 2. Aufl., § 35 Rdnr. 54).
Der Mangel der in § 14 des Berliner VwVfG angeordneten Schriftform steht der Annahme wirksamer Verwaltungsakte nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG ist ein Verwaltungsakt nicht schon dann nichtig, und damit schlechthin unwirksam, wenn er unter Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder ohne zureichende rechtliche Grundlage ergangen ist. Zur Nichtigkeit führt vielmehr nur ein besonders schwerer Fehler, der mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar ist und überdies für einen urteilsfähigen Bürger offensichtlich sein muß (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1970 VIII C 23/68, Neue Juristische Wochenschrift 1971, 578, m. w. N.; siehe nunmehr § 44 Abs. 1 VwVfG). Der Mangel der Schriftform ist dann ein besonders schwerwiegender Fehler, wenn eine wegen der Tragweite der Entscheidung oder wegen eines komplizierten Inhalts zwingend vorgeschriebene Schriftform nicht beachtet worden ist (Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, § 44 Rdnr. 62). Hiervon kann im Streitfall auch unter Berücksichtigung des § 14 des Berliner VwVfG nicht ausgegangen werden. Die Anordnung der Schriftform ist dort ohne Differenzierung nach Art und Bedeutung der Verwaltungsakte (vgl. aber z. B. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) angeordnet gewesen. Eine andere als eine bloße Beweis- und Ordnungsfunktion der Schriftform ist dem Berliner VwVfG danach nicht zu entnehmen; ein Verstoß hiergegen macht den Verwaltungsakt deshalb lediglich rechtswidrig - aufhebbar (Obermayer, a.a.O., Rdnr. 64; vgl. auch Stelkens / Bonk / Leonhardt, a.a.O., § 37 Rdnr. 17, § 44 Rdnr. 16). Eine besondere Bedeutung kommt der Schriftform eines die Erteilung einer Ursprungsbescheinigung schlicht ablehnenden Verwaltungsakts auch nicht aus seinem Regelungsinhalt zu. Da wegen des Mangels der Schriftform die Verwaltungsakte, die in der Rücksendung der Anträge bestanden, somit nur rechtswidrig - aufhebbar waren, sind sie, mangels Anfechtung innerhalb eines Jahres (§ 8 Abs. 4 BerlinFG i. V. m. § 55 Abs. 2 FGO), unanfechtbar geworden.
Der erkennende Senat war auch nicht zufolge § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden, weil - bis zum Inkrafttreten des VwVfG - der Begriff des Verwaltungsakts sowie die Anordnung der Schriftform im Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 2. Oktober 1958 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1958, 951) landesrechtlich geregelt war. Der BFH ist befugt, nicht revisibles Recht nachzuprüfen, soweit es sich dabei um Vorfragen für die Anwendung von Bundesrecht handelt (Urteil vom 8. Juli 1971 V R 1/68, BFHE 103, 247, BStBl II 1972, 70, m. w. N.; vgl. auch Urteil vom 15. November 1978 I R 65/76, BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 13). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben; denn für die Überprüfung der Entscheidung der Beklagten, ob sie erneute Sachentscheidungen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ablehnen durfte, ist es eine Vorfrage, ob derartige Sachentscheidungen bereits durch wirksame Verwaltungsakte getroffen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 416467 |
BFH/NV 1990, 215 |