Leitsatz (amtlich)
Wird ein als Einfamilienhaus bewertetes Grundstück teilweise zu Wohnzwecken vermietet, im übrigen eine Wohnung vom Eigentümer bewohnt, so ist die EinfHaus-VO (nur) auf die eigengenutzten Wohnräume anzuwenden. Der VIII. Senat schließt sich insoweit in Abweichung von der in den Urteilen VI 309/58 U vom 15. Januar 1960 (BFH 70, 251, BStBl III 1960, 93) und VI 271/63 vom 13. November 1964 (StRK, EinfHaus-VO, § 1, Rechtsspruch 9) vertretenen Auffassung der Rechtsprechung des IV. Senats an (vgl. Entscheidung IV 131/52 U vom 27. November 1952, BFH 57, 38, BStBl III 1953, 14).
Normenkette
EStG 1961 § 21 Abs. 2; EinfHaus-VO vom 26. Januar 1937 §§ 1, 3
Tatbestand
Der Steuerpflichtige und seine Ehefrau bezogen im Streitjahr 1962 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Ehefrau erzielte außerdem Einkünfte aus Vermietung eines Hausgrundstücks, das sie im Jahre 1954 zum Preise von 31 000 DM erworben hatte, wovon 12 000 DM auf den Grund und Boden entfielen. Es handelt sich um eine im Jahre 1901 in 2 1/2geschossiger Bauweise errichtete Villa. Im Zeitpunkt des Erwerbs enthielt das Haus keine abgeschlossenen Wohnungen, vielmehr waren sämtliche Wohnräume gesondert vom Treppenhaus her zugänglich. Alle Räume waren vermietet. Die Eheleute bewohnen seit 1957 das Erdgeschoß allein, das sie u. a. mit einem Wohnungsabschluß versehen ließen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) bewertete das Grundstück auf den 1. Januar 1946 und 1. Januar 1955 mit einem Einheitswert von 27 900 DM bestandskräftig als Einfamilienhaus. Eine Artfortschreibung als Mietwohngrundstück nahm das FA erst auf den 1. Januar 1964 vor.
Im Jahre 1962 wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten vor allem am Äußeren des Hauses und im Obergeschoß vorgenommen, wobei ein weiterer Wohnungsabschluß hergestellt wurde. Den wesentlichen Teil der hierfür erwachsenen Kosten machten die Eheleute bei dem Antrag auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer 1962 als Erhaltungsaufwand geltend. Das FA sah die Voraussetzungen für eine Veranlagung jedoch nicht als gegeben an, weil alle Aufwendungen als Herstellungsaufwand zu beurteilen seien. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Eheleute hat keinen Erfolg.
Entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen war der Mietwert ihrer eigenen Wohnung nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHaus-VO) zu ermitteln. Wie sich aus § 1 und § 3 Abs. 1 EinfHaus-VO ergibt, ist die Artfeststellung im Einheitswert-Verfahren auch für die Anwendung der EinfHaus-VO verbindlich. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH selbst dann, wenn die Einheitswert-Feststellung unrichtig ist. Es ist dann Sache des Steuerpflichtigen, auf eine Änderung der Einheitswert-Feststellung hinzuwirken (BFH-Entscheidungen VI 140/61 U vom 3. Mai 1963, BFH 77, 127, BStBl III 1963, 364, und VI 42/64 S vom 15. Oktober 1965, BFH 84, 290, BStBl III 1966, 106). Für die Einkommensteuer-Veranlagung stellt sich nur noch die Frage, ob das Einfamilienhaus vom Eigentümer tatsächlich genutzt wird. Nach der von der Vorinstanz zutreffend angeführten Entscheidung des BFH IV 131/52 U vom 27. November 1952 (BFH 57, 38, BStBl III 1953, 14) findet die EinfHaus-VO bei einem auf Dauer teilweise vermieteten Einfamilienhaus nur insoweit Anwendung, als der Eigentümer das haus selbst bewohnt. Dagegen hat der VI. Senat in den zu Fällen von Miteigentum ergangenen Entscheidungen VI 309/58 U vom 15. Januar 1960 (BFH 70, 251, BStBl III 1960, 93) und VI 271/63 vom 13. November 1964 (StRK, EinfHaus-VO, § 1, Rechtsspruch 9) die Anwendung der EinfHaus-VO davon abhängig gemacht, daß der Eigentümer das Einfamilienhaus entsprechend den Eigentumsverhältnissen als seine Wohnung nutze. Das letztere Erfordernis hält der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung (Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 21, Anm. 11 S. 1616; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 21 EStG, Anm. 23c; Nissen in Hartmann-Böttcher-Grass, Einkommensteuergesetz, § 21, Anm. 12c ff.) und der ständigen Verwaltungspraxis (vgl. Erlaß des RdF vom 27. Januar 1941, RStBl 1941, 97; dazu Steinweg, DStZ A 1941, 304 [309]; EStR Abschn. 162 Abs. 5 Sätze 5-6) für nicht begründet. Denn es ergibt sich weder aus § 21 Abs. 2 EStG noch aus der gemäß § 29 Abs. 3 EStG erlassenen EinfHaus-VO. § 1 EinfHaus-VO befaßt sich wie § 21 Abs. 2 EStG allein mit dem"Nutzungswert der Wohnung im eigenen (Einfamilien-)Haus". Daß anders genutzte Räume nicht unter die EinfHaus-VO fallen, wird durch § 3 Abs. 2 EinfHaus-VO zur teilweisen gewerblichen, beruflichen oder öffentlichen Nutzung lediglich klargestellt, da sich dies schon aus § 1 EinfHaus-VO ergibt. § 3 Abs. 2 EinfHaus-VO enthält mithin keine Ausnahmeregelung (BFH-Entscheidung IV 131/52 U vom 27. November 1952, a. a. O.), die Folgerungen für eine abweichende Behandlung teilweise vermieteter Einfamilienhäuser zuließe. Soweit der VI. Senat auf Praktikabilitätserwägungen abgestellt hat, ist dem entgegenzuhalten, daß eine Aufteilung des Einheitswerts, der Schuldzinsen und möglicherweise der AfA nach § 7b EStG anhand des Verhältnisses der eigengenutzten zur vermieteten Wohnfläche keine größeren Schwierigkeiten bereitet als die Ermittlung fiktiver Einkünfte aus der eigenen Wohnung. Sonst hätte der Verordnungsgeber diese Aufteilung in § 3 Abs. 2 EinfHaus-VO nicht vorgeschrieben. Es ist steuerrechtlich auch nicht ungewöhnlich, daß Einkünfte derselben Einkunftsart unter Anwendung verschiedener Methoden - sei es im gleichen Jahr oder in verschiedenen Veranlagungszeiträumen - ermittelt werden (vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 22. Mai 1970, EFG 1970, 441). Der von den Steuerpflichtigen gerügte Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung liegt nicht vor. Das BVerfG hat die Einkommensteuerpflicht des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus als mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar erklärt (vgl. Entscheidung 1 BvR 488/57 vom 3. Dezember 1958, BVerfGE 9, 3, BStBl I 1959, 68). Das muß auch für die Auslegung der EinfHaus-VO durch die Steuergerichte gelten. Schließlich dient die lückenlose Bindung der einkommensteuerlichen Beurteilung des Einfamilienhauses an die Einheitswertfeststellung der Rechtssicherheit, welcher der erkennende Senat in den hier in Betracht kommenden Fällen deshalb besonderes Gewicht beimißt, weil sich Art und Umfang der Nutzung eines Einfamilienhauses verhältnismäßig rasch ändern können.
Einer Anrufung des Großen Senats des BFH wegen Abweichung von der Rechtsprechung des VI. Senats bedarf es nicht, da dessen Entscheidungen mangels Veröffentlichung nach § 68 AO a. F. keine Bindungswirkung haben (§§ 11 Nr. 3, 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO). Soweit der VI. Senat an dieser Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten der FGO festgehalten hat, handelt es sich um die Frage der Anwendbarkeit der EinfHaus-VO bei Nießbrauchsbestellung (BFH-Entscheidung VIR 336/67 vom 12. September 1969, BFH 96, 527, BStBl II 1969, 727). Diese Fallgestaltung weicht vom vorliegenden Sachverhalt wesentlich ab. Denn der VI. Senat hat als entscheidend hervorgehoben, daß der Nießbraucher nicht Eigentümer des Einfamilienhauses sei.
Der Nutzungswert war demnach, wie geschehen, von einem anteiligen Einheitswert ausgehend zu ermitteln.
Fundstellen
Haufe-Index 413320 |
BStBl II 1972, 882 |
BFHE 1973, 18 |