Leitsatz (amtlich)
Die im BFH-Urteil I 246/62 U vom 14. Dezember 1965 (BFH 84, 420, BStBl III 1966, 152) entwickelten Grundsätze über die Bestimmung der Gegenleistung für die Übertragung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Umwandlung finden auch dann Anwendung, wenn der Gesellschaft bei Aufstellung der Umwandlungsbilanz auf einen zurückliegenden Zeitpunkt das Bestehen eines Anspruchs noch nicht bekannt war, sofern sein Bestehen im Zeitpunkt der Übertragung des Vermögens unstreitig ist.
Normenkette
KStG §§ 14-15
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, eine GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Revisionsbeklagte ist, stellte mit Mineralstoffen und Vitaminen angereicherte Futtermittel her. Der Revisionskläger (das FA) hielt diese Umsätze für umsatzsteuerpflichtig und erhob die Umsatzsteuer bis zum Bekanntwerden des Urteils des BFH V 176/61 U vom 26. April 1962 (BFH 75, 451, BStBl III 1962, 431), das im Oktober 1962 veröffentlicht wurde und nach dem der Umsatz dieser Mischfuttermittel steuerfrei ist. Bei Aufstellung ihrer am 30. Juni 1962 beim Handelsregister eingereichten Bilanz zum 31. Dezember 1961, die zugleich die Schlußbilanz für die Umwandlung der GmbH in eine KG darstellt, hatte die Steuerpflichtige die Umsatzsteuerfreiheit noch nicht berücksichtigt und für die aus der Umwandlung resultierende Umsatzsteuer eine Rückstellung gebildet. Das FA berücksichtigte die Umsatzsteuerfreiheit im Körperschaftsteuerbescheid 1961 vom 4. März 1963 in der Weise, daß es die Umsatzsteuerrückstellung kürzte, für die bisher zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer einen Erstattungsanspruch aktivierte und angesichts der so gegebenen Gewinnerhöhung eine Gewerbesteuerrückstellung bildete.
Der Einspruch der Steuerpflichtigen, mit dem diese sich gegen das Vorgehen des FA wendete, weil im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung und der Einreichung der Bilanz beim Handelsregister das BFH-Urteil V 176/61 U (a. a. O.) und damit die wirkliche Rechtslage noch nicht bekannt gewesen sei, blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung der Steuerpflichtigen hob das FG den angefochtenen Steuerbescheid auf. Es führte aus:
Maßgebend für die Aufnahme einer Forderung oder einer Verbindlichkeit in die Bilanz sei die Kenntnis des Kaufmanns von ihrem Bestehen im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung und der Einführung der Bilanz in den allgemeinen Rechtsverkehr. Dieser Zeitpunkt sei im Streitfall der 30. Juni 1962, zu dem das FA nach wie vor die Umsatzsteuer auf die Umsätze in Mischfuttermitteln erhoben habe. Dem FA sei zwar darin beizupflichten, daß am Bilanzstichtag objektiv vorhandene Ansprüche und Verbindlichkeiten Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens und damit zu bilanzieren seien und daß gegebenenfalls ihre Berücksichtigung nachträglich durch eine Berichtigung der Bilanz zu erfolgen habe, wenn der Kaufmann erst nach dem Bilanzstichtag von ihnen Kenntnis erlangt habe. Eine Berichtigung der Bilanz sei aber nur bis zu ihrer Einführung in das Rechtsleben zulässig, d. h. im Streitfall bis zum 30. Juni 1962.
Darüber hinaus seien aber mit Rücksicht auf die fortwährende Geltendmachung des Umsatzsteueranspruchs durch das FA der objektive Bestand des Erstattungsanspruchs und das objektive Fehlen der Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der noch ausstehenden Umsatzsteuern, die in der Rückstellung berücksichtigt wurden, in ihrem inneren Gehalt derart unklar gewesen, daß auch aus diesem Grunde einem vorsichtig bilanzierenden Kaufmann die Berücksichtigung der rechtlichen Folgen der in Wirklichkeit gegebenen Umsatzsteuerfreiheit nicht habe zugemutet werden können. Das FA könne die nach den Grundsätzen der periodengerechten Besteuerung erstellte Steuerbilanz nicht beiseite schieben, wenn sie richtig und nach bestem Wissen und Gewissen des Steuerpflichtigen aufgestellt worden sei (BFH-Urteil I 56/60 U vom 11. Oktober 1960, BFH 72, 8, BStBl III 1961, 3).
Schließlich sei es aber dem FA auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, in einer von der handelsrechtlichen Ertragsbilanz abweichenden Steuerbilanz die Umsatzsteuern so zu behandeln, als ob schon bei Aufstellung der Bilanz die Umsätze in Mischfuttermitteln nicht steuerpflichtig gewesen wären. Das FA habe trotz seiner Kenntnis davon, daß seitens anderer Herstellerbetriebe die Umsatzsteuerfreiheit geltend gemacht worden sei, auf Zahlung der Umsatzsteuern durch die Steuerpflichtige bis September 1962 einschließlich bestanden. Es habe der Steuerpflichtigen damit zu erkennen gegeben, daß es einen Anspruch auf die Steuer aus den Umsätzen der Steuerpflichtigen ableite. Die Steuerpflichtige habe darauf vertrauen dürfen, daß danach auch das FA an seine im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung und Einführung der Bilanz in den Rechtsverkehr vertretene Rechtsauffassung für diesen Veranlagungszeitraum gebunden bleibe.
Aber selbst wenn man davon ausgehe, daß am Bilanzstichtag ein objektiver Anspruch auf Umsatzsteuererstattung bestanden habe und als Wirtschaftsgut in das Betriebsvermögen der Ertragsbilanz habe aufgenommen werden müssen, sei der Teilwert des Erstattungsanspruchs zu ermitteln gewesen. Kein Unternehmer würde aber bei Übernahme des gesamten Betriebes für einen Umsatzsteuererstattungsanspruch auch nur eine DM aufwenden in einem Zeitpunkt, in dem das FA nach wie vor auf der Zahlung der Umsatzsteuer bestehe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision. Die Steuerpflichtige sei durch Gesellschafterbeschluß vom 27. Juni 1962 auf die Revisionsbeklagte umgewandelt, die handelsrechtliche Umwandlungsbilanz rückwirkend auf den 1. Januar 1962 erstellt worden. Die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister sei am 20. September 1962 erfolgt. Dagegen sei die Körperschaftsteuererklärung 1961 erst am 22. Februar 1963 beim FA eingereicht worden, wenn auch die ihr zugrunde liegende Bilanz bereits am 30. Juni 1962 dem Registergericht vorgelegt worden sei. In jedem Falle aber sei zu beachten, daß diese auf den 31. Dezember 1961 aufgestellte Bilanz die Schlußbilanz der Steuerpflichtigen und damit Ertrags- und Vermögensbilanz zugleich sei, so daß die Vorschriften der §§ 14 und 15 KStG uneingeschränkt Anwendung zu finden hätten. Mit dieser Frage habe sich das FG nicht auseinandergesetzt. Die Vorschriften der §§ 14 und 15 KStG bezweckten die steuerliche Erfassung der stillen Reserven, sofern diese im Falle der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft nicht auch bei der übernehmenden Gesellschaft im Bereich der Körperschaftsteuer verblieben (BFH-Urteil I 155/59 U vom 25. Mai 1962, BFH 75, 231, BStBl III 1962, 351). Deshalb könne im Streitfall - unbeschadet der Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn die Bilanz zum 31. Dezember 1961 eine normale Jahresabschlußbilanz sei - auf die Aktivierung des Erstattungsanspruchs nicht verzichtet werden. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz komme in diesem Falle nicht zum Zuge (BFH-Urteil I 246/62 U vom 14. Dezember 1965, BFH 84, 420, BStBl III 1966, 152); vielmehr seien die im Zeitpunkt der Veranlagung bekannten Werte maßgebend. Auch hätte die Steuerpflichtige, der die Rechtshängigkeit der Umsatzsteuerstreitfrage bekannt gewesen sei, die Entscheidung des BFH bereits im April 1962, d. h. noch vor Aufstellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1961, in der Literatur behandelt finden können. Schließlich hätte die Steuerpflichtige auf den 27. Juni 1962 eine Umwandlungsbilanz aufstellen müssen, wenn die Bilanz zum 31. Dezember 1961 nicht als Umwandlungsbilanz anerkannt worden wäre; diese Anerkennung sei jedoch bereits im Verfahren vor dem FG in Zweifel gezogen worden. Auch mit dieser Frage habe das FG sich nicht auseinandergesetzt.
Die Revisionsbeklagte hält dem entgegen, daß der Steuerpflichtigen der Erstattungsanspruch im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung unbekannt gewesen sei, während er der Steuerpflichtigen im Urteilsfalle I 246/62 U (a. a. O.) bekannt gewesen sei. Maßgebender Zeitpunkt sei nach § 15 Abs. 1 KStG der Zeitpunkt der Übertragung des Vermögens, der im vorliegenden Streitfalle der 31. Dezember 1961 und für den der Erstattungsanspruch mit 0 DM zu bewerten gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FA hat zwar im Steuerbescheid vom 4. März 1963 in Kenntnis des Umwandlungsbeschlusses vom 27. Juni 1962 die am 30. Juni 1962 beim Handelsregister eingereichte Bilanz der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1961 als Umwandlungsbilanz behandelt. Es hat jedoch mit dem Streitigwerden dieses Bescheides seine Handlungsfreiheit gegenüber der Steuerpflichtigen insoweit zurückgewonnen (BFH-Urteil I 186/54 U vom 2. August 1955, BFH 61, 345, BStBl III 1955, 331), so daß das FG auf die Ausführungen des FA im Schriftsatz vom 22. Juli 1965 Gelegenheit nehmen mußte, sowohl die Frage der Verwertbarkeit der Bilanz zum 31. Dezember 1961 als Umwandlungsbilanz als auch die Frage nach der Anwendung der §§ 14 und 15 KStG auf sie zu prüfen. Da es dies nicht getan, seine Entscheidung vielmehr nach Grundsätzen getroffen hat, die nur für die Bilanz zum 31. Dezember 1961 als eine allgemeine Jahresabschlußbilanz Geltung haben konnten, war seine Entscheidung aufzuheben. Es wird bei seiner erneuten Entscheidung zugleich den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH Gr. S. 3/68 vom 16. Dezember 1968 (BFH 94, 436, BStBl II 1969, 192) Rechnung tragen.
2. Handelsrechtlich finden nach § 24 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 - UmwG - (BGBl I 1956, 844, BStBl I 1957, 471) auf die Umwandlung einer GmbH die Vorschriften des ersten Unterabschnitts entsprechende Anwendung. Nach diesen soll (§ 4 Abs. 2 UmwG) das Registergericht den Umwandlungsbeschluß nur eintragen, wenn die der Umwandlung zugrunde gelegte Bilanz für einen höchstens sechs Monate vor der Anmeldung liegenden Zeitpunkt aufgestellt worden ist. Steuerrechtlich war in § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 11. Oktober 1957 (Umwandlungs-Steuergesetz - UmwStG -, BGBl I 1957, 1713, BStBl I 1957, 468) dieser Zeitraum an die handelsrechtliche Regelung angeglichen, jedoch auf höchstens sechs Monate begrenzt worden. Im Streitfall findet jedoch § 2 Abs. 1 UmwStG keine Anwendung, da die Umwandlung erst nach dem 31. Dezember 1959 beschlossen worden ist (§ 1 UmwStG). Das FA ist danach grundsätzlich nicht gehalten, die auf den 31. Dezember 1961 erstellte Bilanz als Umwandlungsbilanz anzuerkennen; denn die Rückbeziehung einer Vereinbarung auf einen früheren Zeitpunkt als den des Vertragsschlusses ist steuerrechtlich ohne Wirkung, abgesehen von solchen Fällen, in denen es sich um eine nur kurze Zeitspanne handelt und die steuerrechtliche Anerkennung der Rückbeziehung den Umständen des Falles nach vertretbar erscheint (BFH-Urteil IV 432/62 vom 5. Dezember 1963, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 426, mit weiterer Rechtsprechung).
Im Streitfall würde mithin die Steuerpflichtige grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Übertragung ihres Vermögens auf die KG eine Schlußbilanz aufzustellen gehabt haben, d. h. auf den 20. September 1962, an dem der Umwandlungsbeschluß in das Handelsregister eingetragen wurde, die KG entstand und die Steuerpflichtige erlosch (§§ 24, 20, 18 Abs. 2 UmwG).
3. Bleibt das FA bei der erneuten Verhandlung der Sache vor dem FG bei seiner Auffassung, daß die Bilanz der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1961 als Umwandlungsbilanz nicht anerkannt werden könne und folgt das FG dem FA in dieser seiner Rechtsauffassung, wird die Bilanz zum 31. Dezember 1961 als normale Jahresabschlußbilanz anzusehen und eine Berücksichtigung des Umsatzsteuererstattungsanspruchs in ihr nicht zu verlangen sein.
Kommt das FG dagegen - in Übereinstimmung mit der vom FA noch im Bescheid vom 4. März 1963 vertretenen Rechtsauffassung - zur Anerkennung der Bilanz der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1961 als Umwandlungsbilanz, wird dem Vorgehen des FA im Bescheid vom 4. März 1963 zu folgen sein. Dem Abwicklungs-Anfangsvermögen (vom 31. Dezember 1960) ist als Abwicklungs-Endvermögen "der Wert der für die Übertragung des Vermögens gewährten Gegenleistung nach dem Stand im Zeitpunkt der Übertragung" gegenüberzustellen (§ 15 Abs. 1 KStG). Die Ausführungen des erkennenden Senats im Urteil I 246/62 U (a. a. O.) gelten auch im vorliegenden Fall. Danach ist der Umsatzsteuererstattungsanspruch mit seinem ihm am 20. September 1962 objektiv zukommenden Wert in die Umwandlungsbilanz zum 31. Dezember 1961 einzustellen. Darauf, ob die Steuerpflichtige am 31. Dezember 1961 oder - spätestens - bei Aufstellung der dem Registergericht am 30. Juni 1962 eingereichten Bilanz Bestehen und Höhe des Anspruchs kannte, kommt es nicht an. Da der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bei der Ermittlung des Abwicklungsgewinns nach § 14 KStG nicht zum Zuge kommt, sind allein das objektive Bestehen und der objektive Wert des Anspruchs bestimmend. Denn da der Anspruch im Zeitpunkt der Übertragung des Vermögens der Steuerpflichtigen auf die KG (dem 20. September 1962) zum Vermögen der Steuerpflichtigen gehörte, bestimmte er - im Wert der aufgegebenen Geschäftsanteile repräsentiert - zugleich den Wert der aufgegebenen Geschäftsanteile und damit den Wert "der für die Übertragung des Vermögens gewährten Gegenleistung" gemäß § 15 Abs. 1 KStG.
Fundstellen
Haufe-Index 68700 |
BStBl II 1969, 742 |
BFHE 1970, 27 |