Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobe Schätzungsfehler führen regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Steuerbescheides
Leitsatz (NV)
Auch mehrere grobe Schätzungsfehler bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen führen regelmäßig nicht zu der Annahme, das Finanzamt habe bewußt zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt.
Normenkette
AO 1977 § 125 Abs. 1, § 162
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) soll ein Ingenieur- und Architekturbüro unterhalten. Aus den Umsatzsteuerakten ist ersichtlich, daß er für die Jahre 1980 bis 1983 nur minimale Umsätze erklärt hat, und zwar für 1980 460 DM, 1981 1798 DM, 1982 5625 DM, 1983 8608 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat für 1984 einen steuerfreien Umsatz von 30000 DM aus einer Nebentätigkeit als Versicherungsvertreter und steuerpflichtige Umsätze von 100000 DM aus dem Architekturbüro geschätzt.
Gegen den Umsatzsteuerbescheid 1984 legte der Kläger Einspruch ein, der jedoch nicht begründet und vom FA zurückgewiesen wurde. Die Klage wurde aufgrund falscher Fristberechnung durch eine Angestellte der Prozeßbevollmächtigten verspätet erhoben. Nach der im Klageverfahren abgegebenen Steuererklärung hatte der Kläger einen Umsatz von 400 DM erzielt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Anfechtungsklage ab, weil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne; die Prozeßbevollmächtigte habe die Wiedereinsetzungsfrist nicht eingehalten. Die hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Umsatzsteuerbescheides sei unbegründet. Die Steuerfestsetzung leide nicht offenkundig an einem besonders schwerwiegenden Fehler i.S. von § 125 der Abgabenordnung (AO 1977).
Mit der vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung von Bundesrecht geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat die Anfechtungsklage gegen den Umsatzsteuerbescheid zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Klage ist verspätet erhoben worden. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) konnte nicht gewährt werden, weil die Prozeßbevollmächtigte des Klägers auch den fristgebundenen Wiedereinsetzungsantrag verspätet angebracht hat, der Antrag zudem nicht den an seinen Inhalt zu stellenden Anforderungen genügte. Der Senat hat hierzu Ausführungen in seiner Entscheidung über die Revision des Klägers und seiner Ehefrau in der Einkommensteuersache IV R 34/90 gemacht; auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.
2. Ebenfalls zu Recht hat das FG die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Umsatzsteuerbescheids als unbegründet abgewiesen. Wie in der Einkommensteuersache, erweist sich auch hier die Schätzung des Umsatzes aus dem Architekturbüro als fehlerhaft, weil nach den in den Vorjahren gegebenen Verhältnissen ein Umsatz von 130000 DM nicht wahrscheinlich war. Dies gilt zumal dann, wenn der Kläger entsprechend der Annahme des FA nebenher als Versicherungsvertreter tätig war; hierzu hatte er nur Anlaß, wenn er im Architekturbüro nicht hinreichend beschäftigt war. Doch handelt es sich auch vorliegend bei diesem Schätzungsfehler nicht um einen besonders schwerwiegenden Fehler i.S. von § 125 Abs. 1 AO 1977, der zur Nichtigkeit des Umsatzsteuerbescheids führen würde. Der Senat hat hierzu eingehende Überlegungen in der Einkommensteuersache IV R 34/90 angestellt, die uneingeschränkt auch für den Umsatzsteuerbescheid gelten. Auf sie wird daher Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 418754 |
BFH/NV 1994, 70 |