Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuervergünstigung nach dem GrEStEigWoG; Anforderungen an begünstigtes Wohnen
Leitsatz (NV)
1. Die zur Erlangung der Steuervergünstigung erforderliche wohnliche Nutzung muß grundsätzlich die gesamte Wohnung umfassen. Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs (bürgerlich-rechtlich) eine Eigentumswohnung, die eine wirtschaftliche Einheit darstellt, so reicht das Bewohnen eines tatsächlichen abgegrenzten Teils der Eigentumswohnung nicht aus. In einem derartigen Fall kommt auch keine anteilige Steuervergünstigung in Betracht.
2. Eine bürgerlich-rechtlich und grunderwerbsteuerrechtlich eine Einheit bildende Eigentumswohnung kann auch dann nicht als Zweifamilienhaus im Sinne des GrEStEigWoG angesehen werden, wenn sie tatsächlich zwei Wohnungen umfaßt.
Normenkette
GrEStEigWoG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 29. September 1981 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer in einem Aufteilungsplan bezeichneten Wohnung mit einer Wohnfläche von ca. 132 qm. Der Veräußerer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits nach §8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WoEigG) die Aufteilung in Wohnungseigentum erklärt, die Wohnungsgrundbuchblätter waren jedoch noch nicht angelegt. Der Kaufpreis betrug zunächst ... DM, wurde jedoch in der Folge auf ... DM ermäßigt.
Für diesen Erwerb beantragte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach §1 Abs. 1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG). Durch Verfügung vom 13. Juli 1987 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den Erwerb nach §1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStEigWoG vorläufig von der Besteuerung frei.
Am 6. Januar 1987 erklärte der Kläger, er habe die Wohnung ab 14. August 1985 ununterbrochen bewohnt. Eine Überprüfung durch das FA ergab, daß die Wohnung auch in der Zeit der erklärten Eigennutzung (teilweise) vermietet war. Es setzte daher durch Bescheid vom 3. Juli 1987 Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte gemäß §3 Abs. 1 GrEStEigWoG.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Mit dem Einspruch machte der Kläger im wesentlichen geltend, daß die Wohnung zwar seit dem Erwerb an mehrere Mietparteien vermietet gewesen sei. Nach dem Auszug einer der Mieterinnen im Sommer 1985 habe er deren Räume übernommen und sich auch dort angemeldet. Die übrigen Räume der Wohnung seien von anderen Mietern bewohnt worden. Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Grunderwerbsteuer herab. Es berücksichtigte damit die inzwischen eingetretene Herabsetzung der Gegenleistung. Im übrigen aber wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der dagegen gerichteten Klage strebte der Kläger in erster Linie eine ersatzlose Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 3. Juli 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung an. Lediglich hilfsweise wurde eine Herabsetzung der Grunderwerbsteuer begehrt. Die erworbene Wohnung sei über zwei völlig getrennte Eingänge und Treppenaufgänge zugänglich. Sie bestehe aus zwei getrennten Dielen, einem Bad mit WC sowie einem gesonderten Gäste-WC, einer Küche und vier Wohnräumen. Die Wohnung weise die Besonderheit auf, daß durch Zumauerung einer Wohnungstür faktisch zwei völlig getrennte und selbständig nutzbare Wohnungen entstanden seien. Durch die völlig getrennte Nutzbarkeit der Räumlichkeiten habe die Eigentumswohnung den Charakter eines Zweifamilienhauses gehabt. Nach dem Auszug der einen Mieterin im Sommer 1985 habe er einen der beiden Wohnungsteile selbst bezogen. Dieser weise eine Wohnfläche von 54 qm auf. Zumindest im Verhältnis dieser Wohnfläche zur Gesamtwohnfläche der Wohnung sei die Steuerbefreiung zu gewähren. Das beklagte FA machte geltend, daß die vom Kläger behauptete Nutzung des Wohnungsteils nicht nachgewiesen sei.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Der materiell-endgültigen Steuerbefreiung stehe entgegen, daß der Kläger schon nach seiner Darstellung nur einen Teil der erworbenen Wohnung bewohnt habe. Dies reiche nicht aus. Auch habe der Kläger nach seiner eigenen Darstellung wohl auch aus tatsächlichen Gründen nicht die Voraussetzungen für das Bewohnen des von ihm genutzten Wohnungsteils erfüllt. Wegen der dargestellten, dem Erfolg der Klage entgegenstehenden Rechtsgründe könne die beantragte Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin unterbleiben.
Auf die Beschwerde des Klägers hat das FG durch Beschluß die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage einer räumlichen Trennung der Wohnung bei Anwendung des §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG sei höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Mit der Revision macht der Kläger Verstöße gegen Verfahrensrecht und materielles Recht geltend. Er beantragt, die Vorentscheidung, den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufzuheben. Hilfsweise beantragt er, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Grunderwerbsteuer auf ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
1. Soweit die Revision Verfahrensmängel rügt, hat diese Rüge schon deswegen keinen Erfolg, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des §120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Nach dieser Vorschrift muß die Revisionsbegründung, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Dies erfordert eine genaue Angabe der Tatsachen, aus denen sich der gerügte Verfahrensverstoß schlüssig ergeben soll. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht.
Sinngemäß macht der Kläger geltend, das FG habe dadurch gegen §76 FGO verstoßen, daß es zu Unrecht einen gestellten Beweisantrag übergangen habe. Das Übergehen eines Beweisantrags gehört zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, §115 Rdnr. 27). Zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge eines Verstoßes gegen §76 FGO durch Übergehen eines Beweisantrags gehört daher die Darlegung, daß das Übergehen des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt wurde bzw. wieso eine derartige Rüge nicht möglich oder zumutbar war. Hierzu ist in der Revisionsbegründung nichts vorgetragen. Im übrigen fehlt eine substantiierte Darlegung, welche konkreten Tatsachen die unterlassene Beweisaufnahme ergeben und wieso diese -- ausgehend von der Rechtsauffassung des FG -- zu einer anderen Entscheidung des FG hätten führen können.
2. Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides bejaht. Die Voraussetzungen für eine materiell-endgültige Steuerbefreiung nach §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG liegen im Streitfall nicht vor.
Der Kaufvertrag vom 29. September 1981 ist gerichtet auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist mithin eine Eigentumswohnung i. S. von §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG. Der Umstand, daß die vom Verkäufer abgegebene Teilungserklärung im Zeitpunkt des Erwerbs des Klägers noch nicht vollzogen war, steht dem nicht entgegen. Es ist vielmehr ausreichend, wenn bereits der Grundstücksverkäufer die Miteigentumsanteile durch Teilungserklärung mit dem Sondereigentum an bestimmten Wohnungen verbunden hat und lediglich noch der grundbuchamtliche Vollzug der Teilungserklärung aussteht (Senatsurteil vom 27. Mai 1992 II R 78/89, BFH/NV 1993, 432).
Der Kläger hat jedoch den zur Erlangung der Steuervergünstigung erforderlichen begünstigten Zweck nicht erfüllt. Nach §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG ist es zur Erlangung der Steuervergünstigung erforderlich, daß der Erwerber, sein Ehegatte oder einer seiner Verwandten in gerader Linie die Eigentumswohnung binnen fünf Jahre mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnen und diese zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient. Eine Wohnung wird dann im Sinne dieser Vorschrift bewohnt, wenn der Inhaber in ihr sein Heim hat. Dies setzt voraus, daß die Wohnung mit dem für die ständige Haushaltsführung erforderlichen Hausrat ausgestattet und eingerichtet ist. Das Bewohnen durch den Eigentümer steht nicht nur im Gegensatz zur Vermietung an Dritte, sondern auch im Gegensatz zum bloßen Leerstehenlassen einer Wohnung. Eine leerstehende oder für die Haushaltsführung unzureichend ausgestattete und eingerichtete Wohnung kann nicht bewohnt werden, weil sie nicht ständig als Heim für den Inhaber zur Verfügung steht (Senatsurteil vom 11. Februar 1981 II R 131/80, BFHE 132, 490, BStBl II 1981, 330). Das bedeutet aber auch, daß die wohnliche Nutzung grundsätzlich die gesamte Wohnung umfassen muß (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. März 1986 II S 2/86, BFH/NV 1987, 533, und vom 26. Oktober 1988 II B 102/88, BFH/NV 1989, 803, sowie Senatsurteil in BFH/NV 1993, 432). Zumindest letztere Voraussetzungen hat der Kläger nicht erfüllt.
Gesamte Wohnung in diesem Sinne ist im Streitfall das vom Kläger erworbene Wohnungseigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne. Entgegen seiner Auffassung ist dieses im Hinblick auf die begehrte Steuervergünstigung als Einheit anzusehen. Dies folgt bereits daraus, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs (notariell beurkundeter Kaufvertrag) die ungeteilte Eigentumswohnung ist. Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß insofern keine zwei getrennten wirtschaftlichen Einheiten vorliegen. An diesen grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenstand des Erwerbsvorgangs hat auch die Vergünstigung des §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG anzuknüpfen. Auch der Freistellungsantrag des Klägers bezog sich dementsprechend auf die erworbene Eigentumswohnung als solche. Die Verpflichtung zur (mindestens einjährigen) wohnlichen Nutzung der gesamten Wohnung bezieht sich daher notwendigerweise auf die den Gegenstand des Erwerbsvorgangs im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn darstellende Eigentumswohnung als solche.
Das vom Kläger behauptete Bewohnen des tatsächlich abgegrenzten kleineren Teils der Eigentumswohnung führt daher nicht zur Begünstigung seines Erwerbsvorgangs nach §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG. Bewohnt der Erwerber bzw. eine sonst begünstigte Person -- wie im Streitfall -- nur einen tatsächlich abgegrenzten kleineren Teil der Wohnung, so liegt keine wohnliche Nutzung der gesamten Wohnung durch den Erwerber bzw. eine andere begünstigte Person vor.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt auch eine anteilige, d. h. auf die bewohnte Teilfläche begrenzte Gewährung der Steuervergünstigung nicht in Betracht. Dies würde dem Grundsatz, daß sich die wohnliche Nutzung auf das gesamte Objekt beziehen muß, widersprechen. Solange bürgerlich-rechtlich und grunderwerbsteuerrechtlich der Erwerb einer Eigentumswohnung vorliegt, kann eine anteilige flächenmäßige Begünstigung nicht in Betracht kommen. Soweit das FG Köln (Urteil vom 11. Mai 1983 XI 268/81 GE, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG 1984, 134 --) eine andere Auffassung vertritt, kann sich der Senat dem nicht anschließen.
Zutreffend hat das FG auch ausgeführt, daß eine Anwendung der Steuervergünstigung für den Erwerb von Zweifamilienhäusern (§1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG) nicht in Betracht kommt. Das GrEStEigWoG unterscheidet ausdrücklich zwischen Ein- und Zweifamilienhäusern einerseits und Eigentumswohnungen andererseits. Eine bürgerlich-rechtlich und grunderwerbsteuerrechtlich eine Einheit bildende Eigentumswohnung kann daher auch dann nicht als Zweifamilienhaus im Sinne dieses Gesetzes angesehen werden, wenn sie tatsächlich zwei Wohnungen umfaßt. Schon deswegen kann daher der Erwerb des Klägers nicht nach §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG begünstigt sein.
Da bereits die vom Kläger behauptete Nutzung des Objekts nicht die Voraussetzungen des §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG erfüllen kann, ist die Versagung der Steuervergünstigung schon deswegen rechtmäßig.
Fundstellen
Haufe-Index 66858 |
BFH/NV 1998, 495 |