Entscheidungsstichwort (Thema)
AfaA als Werbungskosten und Versicherungsentschädigungen als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (NV)
1. AfaA sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG aufgrund einer außergewöhnlichen technischen Abnutzung eines Wirtschaftsguts zulässig, wenn dieses durch einen Brand ganz oder teilweise zerstört worden ist.
2. AfaA sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem der gesetzliche Tatbestand von § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG infolge der außergewöhnlichen technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung erfüllt ist, spätestens aber in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Steuerpflichtige die außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung entdeckt hat.
3. Dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum des Schadenseintritts zustehende AfaA dürfen ihm nicht mit der Begründung versagt werden, er habe infolge einer zu erwartenden Versicherungsentschädigung keinen Wertverzehr erlitten.
4. Eine Versicherungsentschädigung gehört insoweit zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, als sie Werbungskosten ersetzen soll. Entsprechendes gilt für eine Versicherungsleistung, die einen Vermieter für entgangene Mieteinnahmen entschädigen soll.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 24 Nr. 1 Buchst. a; HGB § 246 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Das vermietete Einfamilienhaus der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 1980 durch Brand teilweise zerstört. Hierdurch erlitt das Gebäude - bezogen auf den Restwert - eine Minderung von 23683 DM. Die Kläger erhielten von ihrem Feuerversicherer im Streitjahr eine Entschädigung für entgangene Mieteinnahmen von 676 DM, der Restbetrag der Versicherungsentschädigung floß ihnen im Folgejahr zu.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Klägern Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) auf die Anschaffungskosten ihres Einfamilienhauses. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 278 veröffentlichten Urteil ab. Die Kläger hätten infolge der zu erwartenden Versicherungsentschädigung keinen Wertverzehr erlitten.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr.1 FGO).
1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft die geltend gemachten AfaA von 23683 DM nicht als Werbungskosten abgezogen hat.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG sind AfaA zulässig. Eine außergewöhnliche technische Abnutzung eines Wirtschaftsgutes ist gegeben, wenn dieses - wie im vorliegenden Fall das Einfamilienhaus der Kläger - durch einen Brand teilweise zerstört worden ist. Die AfaA sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem der gesetzliche Tatbestand von § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG infolge der außergewöhnlichen technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung erfüllt ist - wie im vorliegenden Fall mit der teilweisen Zerstörung des Hauses der Kläger im Streitjahr -, spätestens aber in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Steuerpflichtige die außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung entdeckt hat. Schon der Reichsfinanzhof (RFH) hatte in seinem Urteil vom 12. März 1930 VI A 1039/29 (RStBl 1930, 270) AfaA grundsätzlich dem Veranlagungszeitraum zugerechnet, in dem die Entwertung eines Wirtschaftsgutes eingetreten war. Eine spätere Geltendmachung hatte er nur dann zugelassen, wenn die Entwertung - anders als im Streitfall - erst in einem späteren Veranlagungszeitraum entdeckt worden war, so daß dem Steuerpflichtigen eine frühere Inanspruchnahme der AfaA nicht möglich war.
b) Die den Klägern im Streitjahr als dem Jahr des Schadenseintritts zustehende AfaA durfte das FG ihnen nicht mit der Begründung versagen, sie hätten infolge der zu erwartenden Versicherungsentschädigung hinsichtlich des Gebäudes keinen Wertverzehr erlitten. Diese Rechtsauffassung ist, wie der BMF in seiner Stellungnahme mit Recht hervorhebt, mit dem Gesetz nicht vereinbar.
Eine Verrechnung der AfaA mit einem Anspruch auf eine Versicherungsentschädigung verbietet sich schon deswegen, weil § 7 Abs. 1 EStG für die Absetzungen auf die Abnutzung des einzelnen Wirtschaftsgutes abstellt. Der Anspruch auf die Versicherungsentschädigung bildet demgegenüber ein gesondertes Wirtschaftsgut. Jedes Wirtschaftsgut ist im betrieblichen Bereich nach dem Grundsatz der Einzelbewertung für sich anzusetzen (§ 246 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr.3 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Für die Absetzungen bei den Überschußeinkünften kann nichts anderes gelten. Denn die AfaA sind für den Bereich der Überschußeinkünfte nach den gleichen Grundsätzen zu bestimmen, wie sie für die Gewinneinkünfte gelten. § 7 EStG unterscheidet nicht nach Einkunftsarten (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, zu C.III.1. c, dd).
Zudem dienen die AfaA ebenso wie die Absetzungen für Abnutzung (AfA) dem Zweck, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts zu verteilen. Eine AfaA wird in § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG zugelassen, wenn infolge einer außergewöhnlichen Abnutzung eine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach dem bisherigen Verfahren nicht mehr gerechtfertigt ist. Eine zu erwartende oder zugeflossene Versicherungsentschädigung hat - wie der BMF mit Recht in seine
r Stellungnahme ausführt - hierauf keinen Einfluß. Die Versicherungsentschdigung mindert - mangels eines Veranlassungszusammenhangs mit dem Vorgang der Anschaffung oder Herstellung - nicht nachträglich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
2. Die Sache ist spruchreif.
Die Kläger können die von ihnen geltend gemachten AfaA in der unstreitigen Höhe von 23683 DM im Streitjahr nach den vorstehenden Grundsätzen als zusätzliche Werbungskosten abziehen. Dennoch aber ist ihrer Klage nicht vollen Umfangs stattzugeben. Denn es ist eine bisher bei der Einkommensteuerveranlagung durch das FA noch nicht berücksichtigte Versicherungsentschädigung von 676 DM als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen. Diese den Klägern im Streitjahr unstreitig zugeflossene Versicherungsleistung diente dem Zweck, ihnen entgangene Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu ersetzen.
Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 4. September 1990 IX B 10/90 (BFH/NV 1991, 164) entschieden, daß eine Versicherungsentschädigung insoweit zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gehört, als sie Werbungskosten ersetzen soll. Entsprechendes gilt nach § 24 Nr.1 Buchst. a EStG für eine Versicherungsleistung, die einen Vermieter für entgangene Mieteinnahmen entschädigen soll. Auch dieser Vorteil ist durch die Vermietungstätigkeit veranlaßt. Er stellt zwar keine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung dar, er stammt vielmehr von einem Dritten aufgrund eines Versicherungsvertrages. Der Vermieter erhält ihn jedoch aufgrund des versicherten Risikos anstelle entgangener Mieteinnahmen.
Fundstellen
Haufe-Index 418871 |
BFH/NV 1993, 472 |