Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten i.S. des § 64 Abs. 3 Satz 2; richtige Klageart bei Klagen gegen die Ablehnung des Kindergelds
Leitsatz (amtlich)
1. Zahlen geschiedene Eltern ihrem Kind, das in einem selbständigen Haushalt lebt, jeweils eine Unterhaltsrente, hat Anspruch auf Kindergeld, wer die höhere Unterhaltsrente leistet. Hat derjenige, der das Kindergeld bisher erhalten hat, den Betrag an das Kind als Unterhalt weitergeleitet, so bleibt das Kindergeld für die Feststellung der höheren Unterhaltsrente außer Betracht.
2. Begehrt der Berechtigte mit der Klage, den die Zahlung von Kindergeld ablehnenden Bescheid der Familienkasse aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld auf unbestimmte Zeit zu zahlen, handelt es sich um eine Verpflichtungsklage. Ist die Ablehnung des Kindergelds rechtswidrig, ist der Ablehnungsbescheid aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, über den Kindergeldantrag erneut zu entscheiden.
Normenkette
AO 1977 § 173; EStG § 64 Abs. 3 S. 2, § 66 Abs. 2, § 70 Abs. 1-3; BGB §§ 1612, 1612b; FGO § 76 Abs. 1, §§ 96, 100 Abs. 1-2, § 101
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und die Beigeladene sind die Eltern des am 3. Mai 1979 geborenen Sohnes R. Sie sind geschieden.
Im Anschluss an den Zivildienst vom 2. November 1998 bis 10. Oktober 1999 nahm R ein Studium auf; er unterhielt am Studienort eine eigene Wohnung. Von Oktober 1999 an zahlte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) der Beigeladenen Kindergeld.
Mit Schreiben vom 6. Januar 2000 bat der Kläger um Prüfung, ob ihm das Kindergeld für R zustehe. Er gab an, R erhalte monatlich 1 125 DM: 250 DM Kindergeld, 525 DM von ihm und 350 DM von der Beigeladenen.
Nachdem die Beigeladene gegenüber der Familienkasse erklärt hatte, dass sie nach Absprache mit ihrem früheren Ehemann 600 DM bei Inanspruchnahme des Kindergeldes an R gezahlt habe, lehnte die Familienkasse den Antrag des Klägers auf Zahlung von Kindergeld ab Oktober 1999 für R ab, weil R nicht in den Haushalt des Klägers aufgenommen worden sei und von einer anderen Berechtigten eine höhere Unterhaltsleistung erhalte. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, unter dem Begriff "Unterhaltsrente" in § 64 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei der Barunterhalt in Form der laufend wiederkehrenden und gleichmäßigen Geldleistung zu verstehen. Unerheblich sei, woher die Mittel für diese Geldleistung stammten, und zwar auch dann, wenn sie aus dem erhaltenen Kindergeld herrührten. Mit dem monatlichen Betrag von 600 DM zahle die Beigeladene die höhere Unterhaltsrente. Das Urteil des FG ist unter dem Az. 8 K 403/00 in juris abrufbar.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des ablehnenden Bescheides der Familienkasse in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Familienkasse zu verpflichten, ihm das Kindergeld für seinen Sohn R ab Oktober 1999 zu zahlen.
Die Familienkasse und die Beigeladene beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist teilweise begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Verpflichtung der Familienkasse, über den Kindergeldantrag des Klägers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zur Feststellung des Empfängervorrangs i.S. des § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG erneut zu entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 101 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Hinsichtlich des weiter gehenden Verpflichtungsbegehrens, Kindergeld für den Kläger ab 1. Oktober 1999 festzusetzen, wird die Klage abgewiesen und die Revision zurückgewiesen.
1. Das FG hat die Klage des Klägers auf Festsetzung des Kindergeldes ab 1. Oktober 1999 zu Unrecht deshalb abgewiesen, weil die Beigeladene dem Sohn monatlich eine höhere Unterhaltsrente gewährt habe als der Kläger.
a) Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld nach § 64 Abs. 3 EStG derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt. Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll. Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so bestimmt das Vormundschaftsgericht auf Antrag den Berechtigten.
b) Aus dem Wortlaut des § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG ergibt sich nicht eindeutig, ob das von einem Elternteil an das Kind weitergeleitete Kindergeld bei diesem als Teil der Unterhaltsrente berücksichtigt werden kann.
Nach Auffassung des FG Münster (Urteil vom 14. Dezember 2001 5 K 5688/00 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2002, 417) ist es für die Feststellung, wer die höhere Unterhaltsrente zahlt, unerheblich, woher die Mittel stammen, die der jeweilige Kindergeldberechtigte als Unterhaltsrente zahlt. Das gelte auch, wenn die Mittel aus ―zu Recht oder zu Unrecht― erhaltenem Kindergeld stammten.
Dagegen ist das FG Berlin (Urteil vom 9. März 2000 4 K 4412/97, EFG 2000, 748) der Meinung, von den Zahlungen müssten das Kindergeld und der gewährte erhöhte Ortszuschlag abgezogen werden, da es sich insoweit nur um weitergeleitete Zuwendungen, nicht um eigene Unterhaltsleistungen handele. Allerdings kam es in dem entschiedenen Fall auf diese Rechtsauffassung nicht an, da die Zahlung des obsiegenden Anspruchsberechtigten auch bei Berücksichtigung des von der Kindesmutter weitergeleiteten Kindergeldes höher war.
c) Nach Auffassung des Senats muss das an das Kind weitergeleitete Kindergeld bei der Feststellung der höheren Unterhaltsrente i.S. des § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG außer Betracht bleiben.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks. 13/1558, S. 165 zu § 3 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes n.F., der § 64 Abs. 3 EStG entspricht), soll § 64 Abs. 3 EStG sicherstellen, dass derjenige das Kindergeld erhält, der durch den Kindesunterhalt am meisten belastet ist. Diesem Normzweck widerspräche es, bei dem Vergleich der Zahlungen der Unterhaltspflichtigen allein auf den tatsächlich dem Kind zugeflossenen Betrag abzustellen. Vielmehr kommt es darauf an, wer durch die Unterhaltsrente finanziell höher belastet ist.
Ob und wie sich das Kindergeld auf die Höhe der geschuldeten Unterhaltsrente auswirkt, richtet sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Unterhalt volljährigen Kindern durch eine monatlich im Voraus zu zahlende Geldrente zu gewähren. Sind beide Elternteile zum Barunterhalt verpflichtet, wird nach § 1612b Abs. 1 und 2 BGB bei dem Elternteil, dem Kindergeld nicht ausgezahlt wird, auf den geschuldeten Unterhalt das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte angerechnet; gegen den das Kindergeld beziehenden Elternteil erhöht sich der Unterhaltsanspruch des Kindes um die Hälfte des auf das Kind entfallenden Kindergeldes.
Unterhaltsrechtlich wirkt sich danach das Kindergeld ―von der Ausnahme in § 1612b Abs. 5 BGB abgesehen― für beide Elternteile in gleicher Höhe (je zur Hälfte) auf ihre Unterhaltspflicht aus; es wirkt faktisch bei beiden Elternteilen als durchlaufender Posten. Das bedeutet, für die Beurteilung, wer durch die Unterhaltsrente höher belastet ist, ist das Kindergeld bei demjenigen, dem es ausgezahlt wird, zur Hälfte aus der Zahlung heraus-, bei dem anderen der Zahlung hinzuzurechnen. Vereinfachend ist die Unterhaltszahlung des Kindergeldempfängers für den Belastungsvergleich um das Kindergeld zu kürzen.
Im Streitfall hat daher der Kläger die höhere Unterhaltsrente geleistet. Denn unter Abrechnung des ausgezahlten Kindergeldes hat er zu dem Zeitpunkt, als er den Antrag auf Gewährung des Kindergeldes gestellt hat, 525 DM, die Beigeladene aber nur 350 DM (600 DM minus 250 DM Kindergeld) gezahlt.
Eine andere Auslegung könnte zu dem mit dem Normzweck nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen, dass derjenige, der das Kindergeld bisher erhalten und an das Kind weitergeleitet hat, den Auszahlungsanspruch behält, auch wenn er aus seinen selbst erwirtschafteten Einnahmen weniger zahlt als der andere. Welchem der Berechtigten das Kindergeld auszuzahlen ist, darf aber nicht davon abhängen, an welchen Berechtigten bisher Kindergeld gezahlt worden ist.
d) Ohne Bedeutung für die Entscheidung ist, ob der Kläger der Auszahlung des Kindergeldes an die Beigeladene zugestimmt hatte. Denn die Entscheidung, an welchen der mehreren Berechtigten das Kindergeld gezahlt wird, richtet sich nach den in § 64 Abs. 2 und 3 EStG für das Konkurrenzverhältnis getroffenen Regelungen und kann nur dann einvernehmlich zwischen mehreren Berechtigten getroffen werden, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Eine einvernehmliche Bestimmung, an wen das Kindergeld gezahlt werden soll, ist bei fehlender Aufnahme in den Haushalt eines Berechtigten in § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG aber nur für den Fall vorgesehen, dass von den Berechtigten gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Dezember 2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934).
e) Der Einwand der Familienkasse, bei einem Massenverfahren wie der Kindergeldzahlung dürfe die Verwaltung mit der Feststellung, wer die höhere Unterhaltsrente zahle, nicht überfordert werden, ist nach Auffassung des Senats nicht stichhaltig. In Fällen, in denen mehrere Berechtigte unter Berufung auf die höhere Unterhaltszahlung das Kindergeld beanspruchen, muss die Familienkasse ohnehin feststellen, in welcher Höhe die Berechtigten jeweils Unterhalt leisten. Nach DA 64.5 der Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes ―Stand August 2004― (DA-FamEStG) werden in diesen Fällen die Verfahren bei einer Familienkasse zusammengeführt, so dass ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann, wer bislang das Kindergeld erhalten hat und bei wem es von den tatsächlichen Unterhaltszahlungen abzurechnen ist.
2. Da die Familienkasse und das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen sind, sind sowohl das Urteil des FG als auch die Entscheidungen der Familienkasse auf die Revision des Klägers aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Familienkasse muss unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Antrag des Klägers auf Kindergeld entscheiden.
a) Der Senat kann das Kindergeld nicht nach § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO selbst festsetzen. Denn eine Klage gegen einen das Kindergeld ablehnenden Bescheid, mit der die Festsetzung von Kindergeld ab einem bestimmten Zeitpunkt begehrt wird, ist keine Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage, sondern eine Verpflichtungsklage.
Eine Abänderungsklage hat der Senat im Fall der Klage gegen die Ablehnung einer Investitionszulage aus materiellen Gründen angenommen, dagegen eine Verpflichtungsklage, wenn das Finanzamt (FA) die Gewährung der Zulage aus formellen Gründen abgelehnt hat, ohne sachlich zu entscheiden (Senatsurteil vom 20. Dezember 2000 III R 17/97, BFH/NV 2001, 914, m.w.N.). Die Unterscheidung beruht auf der Erwägung, dass nur eine Sachentscheidung einen "sonstigen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt" i.S. des § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO darstellt. Lehnt das FA die Zulage aus materiellen Gründen ab, kann und muss das FG den erforderlichen Sachverhalt ermitteln und den zutreffenden Betrag selbst anstelle des FA festsetzen. Lehnt dagegen das FA die Zulage aus formellen Gründen ab, fehlt eine abänderbare Sachentscheidung. Nicht das FG, sondern nur das FA kann die Zulage festsetzen (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1973 VIII R 149/71, BFHE 111, 392, BStBl II 1974, 321).
Bei der Übertragung dieser Grundsätze auf die Ablehnung einer Festsetzung von Kindergeld ist zu berücksichtigen, dass diese Festsetzung im Regelfall keinen bestimmten Zeitraum umfasst. Die Familienkasse setzt das Kindergeld dem Grunde und der Höhe nach fest (§ 70 Abs. 1 Satz 1 EStG). Aufgrund dieser Festsetzung wird das Kindergeld monatlich gezahlt, solange die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes vorliegen. Ändern sich die für den Anspruch auf Kindergeld maßgeblichen Verhältnisse, wird die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben oder geändert (§ 70 Abs. 2 EStG). Es handelt sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, unter Hinweis auf BTDrucks 13/3084, S. 21). Auf Klagen gegen die Ablehnung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung ist § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Familienkasse das Kindergeld nicht nur für bestimmte Monate, sondern insgesamt abgelehnt hat. Die Sach- und Rechtslage in den Monaten nach ihrer letzten Entscheidung konnte die Behörde naturgemäß noch nicht prüfen. Rechtfertigt der Grund, auf den die Familienkasse die Ablehnung des Kindergelds gestützt hat, die Entscheidung nicht und hebt das FG sie deshalb auf, ist über den wieder offenen Antrag auf Kindergeldfestsetzung erneut zu entscheiden.
b) Der Senat kann die Familienkasse auch nicht ―dem Antrag des Klägers entsprechend― nach § 101 Satz 1 FGO verpflichten, das Kindergeld ab Oktober 1999 festzusetzen.
aa) Gemäß § 101 Satz 1 FGO spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Spruchreife bedeutet, dass nach der für den Streitfall maßgeblichen Sach- und Rechtslage der Anspruch auf den Erlass des begehrten Verwaltungsakts besteht.
Nach der Rechtsprechung und überwiegenden Meinung kommt es bei der Entscheidung, ob Anspruch auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes besteht, grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des FG an (BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 VII R 28/91, BFH/NV 1993, 440, m.w.N.). Das gilt insbesondere bei der Prüfung eines Anspruchs auf Festsetzung monatlich wiederkehrender Leistungen wie dem Kindergeld (§ 66 Abs. 2 EStG), für die die gesetzlichen Voraussetzungen für jeden Monat neu erfüllt sein müssen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes sind ―abgesehen von der Bezugsberechtigung nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG― für keinen Monat des Antragszeitraums festgestellt.
bb) Gleichwohl ist die Sache nicht zur Herbeiführung der Spruchreife an das FG zurückzuverweisen.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist das FG nicht in jedem Fall verpflichtet, die Sache zur Spruchreife zu bringen. Aufgabe der Gerichte ist es, das bisher Geschehene bzw. das Unterlassen auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht jedoch, grundsätzlich der Verwaltung zustehende Funktionen auszuüben. Insbesondere darf danach das FG nicht von der Verwaltung bisher noch nicht geprüfte Sachverhalte aufgreifen und durch eigene Ermittlungen klären. Es hat nur die Pflicht, den Sachverhalt bis zur Entscheidungsreife für den Erlass eines Bescheidungsurteils aufzuklären (BFH-Urteile vom 8. Dezember 1983 IV R 170/81, BFHE 139, 553, BStBl II 1984, 200; vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707, unter 2. der Gründe; vom 20. April 2004 VIII R 13/03, BFH/NV 2004, 1253, m.w.N.; Kühn/ Hofmann, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Nebengesetze, 17. Aufl., § 101 FGO Anm. 3; Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, § 101 FGO Rz. 19; von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 101 Rz. 4, 5).
Die Verpflichtung des Gerichts nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, gebietet eine Aufklärung, die eine Entscheidung über das Klagebegehren ermöglicht. Zwar zielt dieses Klagebegehren nach dem Wortlaut des Klagantrags auf die Verpflichtung der Familienkasse, das Kindergeld ab Oktober 1999 festzusetzen. Im Kern geht es dem Kläger aber darum, die Verpflichtung der Behörde zu erreichen, diese Kindergeldfestsetzung nicht mit dem Argument zu versagen, er, der Kläger, zahle nicht die höhere Unterhaltsrente i.S. des § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG. Mehr hat die Familienkasse nicht entschieden. Im Hinblick auf die durch die Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes) ist die Aufgabe des FG darauf beschränkt, die Entscheidungen der Verwaltung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Mit einer eigenen Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Festsetzung des Kindergeldes ab 1. Oktober 1999 würde das FG die Aufgaben der Familienkasse wahrnehmen. Die nach einer solchen Prüfung ausgesprochene Verpflichtung der Behörde zur Festsetzung oder Ablehnung wäre nicht die Korrektur oder Bestätigung einer rechtswidrigen behördlichen Entscheidung, sondern eine erstmalige Entscheidung, bei der der Bewertungs- und Handlungsspielraum der Verwaltung entfällt. Dem Kläger würde eine außergerichtliche Instanz genommen (BFH-Urteil in BFHE 139, 553, BStBl II 1984, 200).
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zum Wohngeldrecht entschieden, dass das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des insgesamt geltend gemachten Wohngeldanspruchs in eigener Verantwortung festzustellen und die Streitsache spruchreif zu machen habe (BVerwG-Urteile vom 2. Mai 1984 8 C 94/82, BVerwGE 69, 198, und vom 8. Juli 1994 8 C 4/93, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1996, 175). Der Senat folgt dieser Rechtsauffassung, die in beiden Entscheidungen nicht entscheidungserheblich war, für das Kindergeldrecht nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Zwar ist der Kläger insoweit teilweise unterlegen, als nicht das beantragte Verpflichtungsurteil, sondern ein Bescheidungsurteil ergangen ist. Da der Kläger eine gebundene Entscheidung mit seiner Klage verfolgt und die Entscheidung, ob Spruchreife herbeigeführt wird oder nicht, beim Gericht liegt, ist das teilweise Unterliegen nicht dem Kläger zuzurechnen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 101 FGO Rz. 9). Deshalb ist es entsprechend dem Rechtsgedanken des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO nicht gerechtfertigt, ihn mit Kosten zu belasten.
Die Fälle, in denen der BFH bei Bescheidungs- statt Verpflichtungsurteilen die Kosten gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO geteilt hat, unterscheiden sich vom Streitfall darin, dass der Behörde ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt war (BFH-Urteile vom 1. Februar 1977 VII R 62/75, BFHE 121, 371, 378, BStBl II 1977, 370, 373; vom 25. April 1978 VII R 24/74, BFHE 125, 129, 138). In solchen Fällen ist das FG kraft Gesetzes gehindert, nach Aufhebung der Behördenentscheidung die Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes auszusprechen.
Der Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen, weil sie keinen Antrag gestellt hat (§ 135 Abs. 3 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1418410 |
BFH/NV 2005, 2118 |
BStBl II 2006, 184 |
BFHE 2006, 265 |
BFHE 210, 265 |
BB 2005, 2230 |
DB 2005, 2280 |
DStRE 2005, 1336 |
HFR 2006, 48 |