Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer: Kürzung des besonderen Versorgungsfreibetrags für Ehegatten durch Einmalzahlung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Kürzung des besonderen Versorgungsfreibetrags nach § 17 Abs.1 Satz 2 ErbStG sind alle von der Erbschaftsteuer nicht erfaßten Versorgungsleistungen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob diese in lebenslänglichen Leistungen, in Leistungen auf eine bestimmte Zeit oder in einem einzigen Betrag bestehen.
Normenkette
BewG 1974 § 14; ErbStG 1974 § 17 Abs. 1 S. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleinerbin ihres am 8. Dezember 1989 verstorbenen Ehemannes. Ausgehend von einem Erwerb in Höhe von 2 419 500 DM setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) durch (Änderungs-)Bescheid vom 24. Juni 1993 gegen die Klägerin unter Berücksichtigung eines Ermäßigungsbetrags nach § 27 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung von 69 896 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 220 444 DM fest. Dabei gewährte das FA keinen Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Es vertrat hierzu die Auffassung, daß dieser Freibetrag um den Kapitalwert der von der Klägerin bezogenen Witwenrente in Höhe von 218 662 DM sowie um die Versicherungssumme aus einer betrieblichen Direktversicherung in Höhe von 71 815 DM zu kürzen sei. Diese Versicherung hatte die frühere Arbeitgeberin des Erblassers, an der dieser auch als Gesellschafter beteiligt war, bei der X-Versicherungs AG abgeschlossen. Diese sollte der betrieblichen Altersversorgung dienen. Im Hinblick darauf hat das FA den Bezug der Lebensversicherung durch die Klägerin als nicht steuerbar angesehen.
Gegen die Anrechnung der Versicherungssumme aus der betrieblichen Direktversicherung auf den Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 1 ErbStG wandte sich die Klägerin mit Einspruch und Klage. Sie machte geltend, nach dem klaren Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG komme eine Anrechnung nur für laufende Bezüge, nicht jedoch für Einmalzahlungen in Betracht. Im übrigen handle es sich bei der ausgezahlten Versicherungssumme nicht um Versorgungsbezüge, weil die Ansprüche dem Begünstigten unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag zustünden.
Das Finanzgericht (FG) hat dem Klagebegehren entsprochen und die Auffassung vertreten, eine Anrechnung von Einmalzahlungen auf den Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG scheide aus. Dies folge zwingend aus der Verweisung auf § 14 des Bewertungsgesetzes (BewG). Regelungsgegenstand des § 17 Abs. 1 ErbStG seien ausschließlich wiederkehrende (lebenslängliche) Nutzungen und Leistungen. Für eine extensive Auslegung sei kein Raum, auch wenn es sachgerecht erscheine, auch Einmalzahlungen, die der Versorgung dienen sollten, in die Anrechnung einzubeziehen. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 128 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA. Dieses rügt fehlerhafte Anwendung von § 17 Abs. 1 ErbStG. Unter Hinweis auf die Erlaßregelung vom 20. Dezember 1974/10. März 1976 (BStBl I 1976, 145 ff.) vertritt es die Auffassung, auch Einmalzahlungen von Versorgungsbezügen unterlägen der Anrechnung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Es sei nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber Versorgungsbezüge, die in einem Einmalbetrag gezahlt würden, habe besserstellen wollen als laufend zu zahlende Renten. Es bestehe keine Veranlassung, die Direktversicherung, die zweifellos der Hinterbliebenenversorgung diene, nur deshalb erbschaftsteuerrechtlich günstiger zu behandeln als die übrigen Versorgungsbezüge, weil sie in einem Einmalbetrag gezahlt würde und deshalb begrifflich keinen Kapitalwert habe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 25. März 1994 4 K 2063/93 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Der Senat vermag sich der Rechtsauffassung des FG nicht anzuschließen, die Leistungen an die Klägerin aus der betrieblichen Direktversicherung seien wegen ihres Charakters als Einmalzahlung bei der Kürzung des Versorgungsfreibetrags nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht zu berücksichtigen.
a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist der dem überlebenden Ehegatten zustehende besondere Versorgungsfreibetrag von 250 000 DM bei denjenigen Ehegatten, denen aus Anlaß des Todes ihres Ehegatten nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge zustehen, um den nach § 14 BewG zu ermittelnden Kapitalwert dieser Versorgungsbezüge zu kürzen. Die Regelung in § 17 Abs. 1 ErbStG soll ihrem Sinn und Zweck nach --jedenfalls in Höhe des Freibetrags von 250 000 DM-- zu einer Gleichbehandlung der der Hinterbliebenenversorgung dienenden Vermögenspositionen führen, die der überlebende Ehegatte aus Anlaß des Todes seines Ehepartners erwirbt. Eine solche Regelung war erforderlich, weil die auf Gesetz beruhenden Versorgungsleistungen an überlebende Ehegatten keinen Erwerb von Todes wegen darstellen, insbesondere nicht unter die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG fallen. Deshalb sollen nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur die Ehegatten in den Genuß des Versorgungsfreibetrags gelangen, denen aus Anlaß des Todes des Erblassers keine auf Gesetz beruhende und damit nicht steuerpflichtige Versorgungsleistungen zustehen. Dieser Gleichstellungsgedanke erfordert es, alle von der Erbschaftsteuer nicht erfaßten Versorgungsleistungen bei der Kürzung des besonderen Versorgungsfreibetrags unabhängig davon zu berücksichtigen, ob diese in lebenslänglichen Leistungen, in Leistungen auf eine bestimmte Zeit oder in einem einzigen Betrag bestehen (wie hier: gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20. Dezember 1974/10. März 1976, BStBl I 1976, 145 Tz. 7.1 a.E.; Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 17 Rdnr. 16).
Die am Wortlaut orientierte Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG durch das FG überzeugt nicht. Der Hinweis auf § 14 BewG zwingt nicht zu der Annahme, der Gesetzgeber habe die Kürzung des Versorgungsfreibetrags nur bei lebenslänglich zu leistenden Versorgungsbezügen kürzen wollen. Vielmehr handelt es sich nur um einen technischen Hinweis, der die Höhe des Kürzungsbetrags betrifft, nicht jedoch den Kreis der zur Kürzung führenden Versorgungsbezüge einschränken sollte.
Das auf anderen rechtlichen Gesichtspunkten beruhende Urteil des FG ist aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif.
Das FG hat zwar keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob es sich bei der der Klägerin zugeflossenen Leistung aus der betrieblichen Direktversicherung um einen Vermögensvorteil handelt, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegt (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, wonach Hinterbliebenenbezüge erbschaftsteuerpflichtig sind, soweit der Erblasser herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH war). Gleichwohl kann aber der Senat im Streitfall durcherkennen, weil die Klage der Klägerin unabhängig von der Frage, ob es sich bei den Leistungen aus der betrieblichen Direktversicherung um einen steuerfreien oder um einen steuerpflichtigen Vermögensvorteil handelt, keinen Erfolg haben kann.
a) Handelt es sich um einen nicht der Steuer unterliegenden Vermögensvorteil, führt dieser nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zur Kürzung und damit --wegen der anderen Versorgungsrente-- zum Wegfall des besonderen Versorgungsfreibetrags. Es handelt sich insoweit um Versorgungsbezüge, die der Klägerin aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes zustanden. Daß die Auszahlung in einer Einmalzahlung erfolgte, steht nach der in diesem Urteil unter Ziff. 1 vertretenen Auffassung der Kürzung des Versorgungsfreibetrags nicht entgegen. Unter der Voraussetzung, daß es sich um nicht steuerpflichtige Versorgungsbezüge handelt, ist die Steuerfestsetzung des FA daher nicht zu beanstanden.
b) Sollte es sich im Streitfall bei der Leistung aus der betrieblichen Direktversicherung um einen nach § 3 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG steuerpflichtigen Vermögensvorteil handeln, kann ebenfalls eine Rechtsverletzung zu Lasten der Klägerin nicht festgestellt werden. In diesem Fall würde sich zwar der steuerpflichtige Erwerb der Klägerin um 71 815 DM erhöhen, andererseits eine Kürzung des besonderen Versorgungsfreibetrags nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht in Betracht kommen, so daß der Klägerin ein Freibetragsrest von 31 338 DM zustände. Der steuerpflichtige Erwerb der Klägerin erhöhte sich in diesem Fall von 2 419 500 DM um 40 477 DM auf 2 459 977 DM. Da das FA in dem angefochtenen Bescheid von einem steuerpflichtigen Erwerb der Klägerin in Höhe von 2 419 500 DM ausgegangen ist, kann auch für diesen Fall eine Verletzung von Rechten der Klägerin durch die Steuerfestsetzung nicht vorliegen.
Die Klage ist deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 66283 |
BFH/NV 1997, 427 |
BStBl II 1997, 623 |
BFHE 183, 242 |
BFHE 1998, 243 |
BB 1997, 1781-1782 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1997, 2059-1060 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1399-1400 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 769 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 794-795 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 830-831 (Leitsatz und Gründe) |
StE 1997, 545 (Leitsatz) |