Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat das Dienstverhältnis eines auf Zeit berufenen Wahlbeamten durch den Ablauf der Zeit, für die er gewählt war, sein Ende gefunden, sind dem Beamten gewährte übergangsgelder nicht steuerbefreit, da die für die Steuerbefreiung geforderte Voraussetzung einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis nicht gegeben ist.
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 9, § 3/10
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte das Amt eines Wahlbeamten auf Zeit versehen. Nach Ablauf der Amtsdauer wurde er nicht wieder gewählt. Er hat nach seinem Ausscheiden aus dem Amt ein übergangsgeld nach § 9 des Landesgesetzes über die Versorgung der in den Jahren 1954 und 1955 aus dem Amt scheidenden kommunalen Landräte, Bürgermeister und hauptamtlichen Beigeordneten vom 1. März 1954 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1954 S. 28) auf die Dauer von zwei Jahren bezogen. Das übergangsgeld betrug im ersten Jahr 100 v. H. und im zweiten Jahr 75 v. H. der Bezüge. Der Streit geht darum, ob die Bezüge der Einkommensteuer unterliegen. Der Bf. folgert die Steuerfreiheit aus § 3 Ziff. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzamt hat sie verneint, weil das Beamtenverhältnis durch den Ablauf der Zeit, für die der Bf. gewählt war, nicht aber durch einen als Entlassung zu kennzeichnenden Verwaltungsakt sein Ende gefunden hat.
Der Bf. hatte beim Finanzamt beantragt, ihm die Lohnsteuer zu erstatten, die die Stadt, einer ihr vom Finanzamt erteilten Auskunft folgend, von den für die Zeit vom 25. März 1954 bis 28. Februar 1955 gezahlten übergangsgeldern im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn einbehalten und abgeführt hatte. Gegen die Ablehnung dieses Antrags hat der Bf. erfolglos Sprungberufung eingelegt. Unter Hinweis auf das Urteil des Senats IV 365/51 U vom 24. Oktober 1951 (Slg. Bd. 56 S. 373, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 146) hat das Finanzgericht die Auffassung des Finanzamts gebilligt.
Mit der Rechtsbeschwerde wird unrichtige Anwendung des § 3 Ziff. 9 EStG gerügt und dazu vorgebracht, aus den Bestimmungen des Bundesbeamtengesetzes (BBG) vom 14. Juli 1953 sei zu folgern, daß bei Beamten auf Zeit das durch den Zeitablauf bedingte Ausscheiden einer Entlassung gleichzusetzen sei. Der Beamte auf Zeit sei im § 5 Abs. 4 BBG erwähnt; es seien also auf ihn die Grundsätze dieses Gesetzes anzuwenden. Nach § 6 Abs. 2 BBG ende das Beamtenverhältnis, von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen der Ziff. 2 und 3 abgesehen, nur durch Entlassung. Das Landesgesetz vom 1. März 1954 wolle der besonderen Lage der nach 1945 in leitende Stellungen der Kommunalverwaltung eingesetzten Beamten Rechnung tragen, indem es ihnen, wenn sie nicht wiedergewählt werden, den übergang in eine neue Tätigkeit durch ein übergangsgeld erleichtere. Es handle sich also nicht um eine dauernde Versorgung dieser Beamten, sondern um die Gewährung einer übergangshilfe, die die gleiche Bedeutung habe wie die übergangsgelder, die einem auf Lebenszeit tätigen Beamten bei seiner Entlassung unter den Voraussetzungen des § 154 BBG zuständen. Aus den besonderen Verhältnissen der in Betracht kommenden Beamten heraus sei das Gesetz vom 1. März 1954 zu einer Zeit geschaffen worden, als die Fassung des § 3 Ziff. 9 EStG schon vorlag. Nach § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) müsse bei der Auslegung der steuerlichen Vorschriften die Entwicklung der Verhältnisse beachtet werden. Dem werde das Urteil des Senats vom 24. Oktober 1951, das die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift bei den auf bestimmte Dauer befristeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen verneine, nicht gerecht. Bei richtiger Anwendung der Auslegungsvorschrift des § 1 Abs. 2 StAnpG ergebe sich die in Anspruch genommene Steuerbefreiung aus § 3 Ziff. 9 EStG.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde vermag nicht zum Erfolge zu führen.
Nach § 3 Ziff. 9 EStG sind steuerbefreit übergangsgelder und übergangsbeihilfen auf Grund gesetzlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis. Die Bestimmung ist durch das Gesetz zur änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KStändG) vom 29. April 1950 als notwendige Ergänzung zu § 3 Ziff. 8 EStG für die öffentlich Bediensteten eingeführt worden. Damit sind die übergangsgelder und übergangsbeihilfen, die im öffentlichen Dienst gezahlt werden, den nach Ziffer 8 steuerbefreiten Entschädigungen auf Grund arbeitsrechtlicher Bestimmungen wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis gleichgestellt worden (vgl. Begründung zu dem Gesetz vom 29. April 1950 und Herrmann-Heuer, Komm. zum EStG Anm. 11 zu § 3). In beiden Bestimmungen findet sich gleichermaßen die Voraussetzung, daß die begünstigten Bezüge wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis gewährt werden. Die Anwendung von Ziffer 8 setzt also voraus, daß die Entschädigung in unmittelbarer Beziehung zu dem sozialen Kündigungsschutz steht. Dies ist, wie in dem Urteil des Senats IV 205/51 U vom 17. Juli 1952, Slg. Bd. 56 S. 560, BStBl 1952 III S. 217, ausgeführt, nicht der Fall, wenn das Dienstverhältnis durch Kündigung des Arbeitnehmers oder durch dessen freiwilliges Ausscheiden beendet wird. Ebenso fehlt es an dem erforderlichen Zusammenhang mit dem sozialen Kündigungsschutz, wenn ein Arbeitsvertrag ohne Kündigung insbesondere durch Ablauf der vereinbarten Zeit, sein Ende gefunden hat. So hat der Senat in dem von den Beteiligten angezogenen Urteil vom 24. Oktober 1951 zum Ausdruck gebracht, daß bei Beendigung eines auf bestimmte Zeit vereinbarten Dienstverhältnisses für eine anläßlich des Ausscheidens dem Arbeitnehmer gezahlte Entschädigung die Steuerfreiheit nicht gegeben ist (so auch Blümich-Falk, Anm. 7 zu § 3 EStG auf S. 111 der 7. Aufl. unter Hinweis auf Abschn. 12 Abs. 9 der Lohnsteuer-Richtlinien). Den Zusammenhang zwischen den Ziffern 8 und 9 des § 3 EStG hat der Senat auch in seinem Urteil IV 26/54 U vom 28. Juli 1955 (Slg. Bd. 61 S. 256, BStBl 1955 III S. 296) hervorgehoben, in dem ausgeführt ist, daß nur diejenigen übergangsgelder und übergangsbeihilfen die Steuerfreiheit genießen sollten, die ihrer Art nach den Entschädigungen auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis entsprechen. Das übergangsgeld, das der Bf. auf Grund des Gesetzes vom 1. März 1954 des Landes Baden-Württemberg bezogen hat, ist seiner Art nach nicht mit einer Entschädigung auf Grund arbeitsrechtlicher Bestimmungen wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis zu vergleichen. Denn die Verwendung des Bf. als Beamter hat durch den Ablauf der bestimmten Zeit, für die er gewählt war, ihr Ende gefunden, ohne daß ein Verwaltungsakt erforderlich gewesen wäre. Es kann daher dem Bf. nicht gefolgt werden, wenn er aus der Systematik des BBG, die sich in dieser Beziehung nicht von dem hier einschlägigen Beamtengesetz für das Land Württemberg-Baden vom 19. November 1946 (Regierungsblatt der Militärregierung 1946 S. 249) unterscheidet, schließt, daß der Zeitablauf einer Entlassung gleichzusetzen sei. Beide Gesetze erwähnen den Beamten auf Zeit nur insofern, als sie zum Ausdruck bringen, daß die gesetzlichen Vorschriften, nach denen Personen auf eine bestimmte Zeitdauer in das Beamtenverhältnis berufen werden können, unberührt bleiben (§ 5 Abs. 4 BBG, Art. 16 des Landesgesetzes). Hieraus kann nicht gefolgert werden, daß mangels einer - auch nicht erforderlichen - Regelung der Beendigung eines Beamtenverhältnisses auf Zeit der Zeitablauf bei solchen Beamtenverhältnissen der Entlassung der auf Lebenszeit berufenen Beamten gleichzustellen wäre.
Zuzugeben ist dem Bf., daß die Gründe, die für die Einführung der auf eine Zeitdauer von zwei Jahren begrenzten übergangsgelder durch das Gesetz vom 1. März 1954 maßgebend waren, offenbar denen gleichen, die zur Festsetzung der von der Verwaltung als steuerbefreit betrachteten übergangsgelder nach § 154 BBG (unter Hinweis auf Abschnitt 12b der Lohnsteuer-Richtlinien 1954) geführt haben. In beiden Fällen sollen die für eine begrenzte Zeit gewährten übergangsgelder dem ausgeschiedenen Beamten die Zeit bis zur Schaffung einer neuen Existenzgrundlage überbrücken helfen. Daß im Falle des Bf. das übergangsgeld günstiger bemessen ist als in dem Vergleichsfall des § 154 BBG, mag der Verschiedenheit der Tatbestände entsprechen, die den Anspruch bedingen. Der vom Bf. angestellte Vergleich der beiden Fälle gesetzlich bestimmter übergangsgelder vermag aber ohnehin seiner Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil es, wie dargelegt, in seinem Falle an der Voraussetzung einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis fehlt, an die § 3 Ziff. 9 EStG im Anschluß an Ziffer 8 die Steuerfreiheit der übergangsgelder geknüpft hat. Von dieser vom Gesetzgeber ausdrücklich geforderten Voraussetzung kann auch nicht in Anwendung der Auslegungsvorschrift des § 1 Abs. 2 StAnpG abgesehen werden. Soweit etwa in den in Abschnitt 12 b der Lohnsteuer-Richtlinien 1954 angesprochenen Fällen übergangsbeihilfen an nach Ablauf der Zeit, für die sie angestellt waren, ausscheidende Beamte gezahlt werden sollten, wäre die Steuerfreiheit von Rechts wegen nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 408534 |
BStBl III 1956, 292 |
BFHE 1957, 250 |
BFHE 63, 250 |
StRK, EStG:3 R 18 |