Sexuelle Belästigung: Konsequenzen für Beamte auf Probe

Sexuelle Belästigung von Kolleginnen und private Posts sexistischer Kurzvideos auf TikTok durch einen Kommissaranwärter können zu ernsthaften Konsequenzen bis hin zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe führen.


Das OVG Nordrhein-Westfalen hat in zwei aktuellen Entscheidungen klare Grenzen für sexualisiertes Fehlverhalten von Beamten auf Probe im Dienst und in ihrer Freizeit aufgezeigt.


Beamter auf Probe belästigte Kollegin sexuell im Dienst

Im ersten Fall hatte ein Beamter auf Probe einer Kollegin unaufgefordert seine Vorlieben geschildert und ihr die Nachahmung nahegelegt. Bei den Schilderungen blieb es nicht. Er gab seiner Kollegin unaufgefordert einen Kuss und berührte sie gegen ihren Willen. Die sofortige Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe durch die vorgesetzte Dienststelle ließ nicht lange auf sich warten.

Verstoß gegen beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflichten

Der hiergegen von dem Betroffenen eingereichte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz blieb sowohl erstinstanzlich auch zweitinstanzlich ohne Erfolg. Die Gerichte befanden, der Beamte habe sich einer sexuellen Belästigung gemäß § 184i Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflichten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG. Hiernach habe der Beamte sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes an der Achtung und dem Vertrauen auszurichten, das der Beamtenstatus erfordert.

Rechtsfolgen des Fehlverhaltens eines Beamten

Verstößt ein Beamter auf Lebenszeit gegen die Wohlverhaltenspflicht in schwerwiegender Weise, so kann dies nach Einleitung eines disziplinarrechtlichen Verfahrens die Kürzung seiner Dienstbezüge zur Folge haben. Für das Beamtenverhältnis auf Probe sind die Folgen schwerwiegender. § 34 Abs. 1 Nr. 1 BBG sieht für diese Fälle die Option der Entlassung des Beamten auf Probe vor.

Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen

Die Voraussetzungen für die sofortige Entlassung des Beamten auf Probe sahen beide Instanzgerichte im konkreten Fall ohne weiteres gegeben. Dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz blieb daher der Erfolg versagt.


(OVG NRW, Beschluss v. 4.3.2022, 1 B 174/22).


Kommissaranwärter postete sexistische Kurzvideos

In dem weiteren vom OVG entschiedenen Fall hatte ein Kommissaranwärter auf der Internetplattform TikTok frauenfeindliche, diskriminierende und sexistische Kurzvideos gepostet. Der Vorfall machte schnell unter den noch in der Ausbildung befindlichen Dienstanwärtern die Runde und verursachte erhebliche Unruhe in der gesamten Behörde.

Polizeivollzugsbeamtinnen verweigerten gemeinsamen Dienst

Nach Bekanntwerden des Vorfalls weigerten sich zwei Polizeivollzugsbeamtinnen, weiterhin gemeinsam mit dem Kommissaranwärter zum Dienst eingeteilt zu werden. Darauf erteilte die vorgesetzte Dienstbehörde dem Kommissaranwärter das Verbot, weiterhin seine Dienstgeschäfte auszuüben und ordnete die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung an.

Kommissaranwärter beantragte einstweiligen Rechtsschutz

Hiergegen beantragte der Kommissaranwärter einstweiligen Rechtsschutz beim VG. Dieses sah die Voraussetzungen für ein Verbot der Dienstgeschäfte gemäß § 39 BeamtStG gegeben. Dem Kommissaranwärter sei ein erheblicher Verstoß gegen seine dienstliche Wohlverhaltenspflicht vorzuwerfen. Er habe den Dienstfrieden in schwerwiegender Weise gestört.

Schaden an öffentlichem Ansehen und inneren Zusammenhalt

Die gegen die Entscheidung des VG eingelegte Beschwerde wies das OVG NRW zurück. Der Kommissaranwärter habe im Internet frauenverachtende und sexistische Beiträge veröffentlicht und hierdurch dem öffentlichen Ansehen der Polizei erheblichen Schaden zugefügt wie auch den inneren Zusammenhalt und Frieden der Behörde nachhaltig gestört.

Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen

Für das Gesamtbild der Polizei - so das OVG - sei es äußerst schädlich, wenn in der Öffentlichkeit die Frage aufkomme, inwieweit die in den Videos zum Ausdruck kommende Haltung gegenüber Frauen intern bei der Polizei verbreitet und üblich ist. Offensichtlich habe der Beamte eine öffentlichkeitswirksame Verbreitung seiner Videobeiträge auch beabsichtigt, denn eine möglichst weite Verbreitung sei ja gerade der Sinn eines Posts auf der Internetplattform TikTok. Auch in diesem Fall blieb der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg.


(OVG NRW, Beschluss v. 22.2.2022, 6 B 1984/21)


Hintergrund

An die Entlassung eines Beamten auf Probe stellt das Gesetz weniger hohe Anforderungen als an die Entlassung eines Beamten auf Lebenszeit, die gemäß §§ 30 ff BBG, 23 ff BeamtStG nur in streng geregelten Ausnahmefällen möglich ist. Gemäß § 34 Abs. 1 BBG können Beamtinnen und Beamte auf Probe u.a. dann entlassen werden, wenn sie sich in einer Weise verhalten, die bei einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte.

Verbot der Dienstgeschäfte gegen Beamte auf Lebenszeit möglich

Beamten auf Lebenszeit kann gemäß § 39 BeamtStG in Fällen schwerer Verfehlungen die Führung ihrer Dienstgeschäfte verboten werden. Gemäß § 39 Satz 2 BeamtStG erlischt das Verbot allerdings, wenn nicht innerhalb von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren bzw. ein auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren gemäß §§ 21 ff BeamtStG eingeleitet wird.