Strafanträge sind jetzt digital möglich
Nach einer Reihe von Schritten zur Digitalisierung der Justiz sollen die nunmehr in Kraft getretenen Neuerungen im Strafverfahrensrecht und bei verschiedenen Schriftformerfordernissen die Kommunikation innerhalb der Justiz und die Kommunikation der Justiz mit den Rechtssuchenden deutlich vereinfachen. Insbesondere die Möglichkeit der Strafantragstellung per E-Mail wirft in diesem Zusammenhang spezifische Probleme auf.
Strafantrag per Smartphone
Mit der zum 7.7.2024 in Kraft getretene Neufassung des § 158 StPO ist das bisher geltende Erfordernis der persönlichen Unterschrift unter einen Strafantrag bzw. der qualifizierten elektronischen Signatur gem. § 32a StPO entfallen. Mit der Neufassung des § 158 Abs. 2 StPO ist künftig lediglich erforderlich, dass bei Antragsdelikten die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person sichergestellt sein müssen. Damit kommt es auf die bisher für einen Strafantrag geltenden Formalitäten nicht mehr an. Strafanträge können nun per einfacher E-Mail auch mit dem Smartphone gestellt werden. Ferner können Strafanträge auch online über ein Formular, z. B. bei einer Internetwache, eingereicht werden.
Identitätsfeststellung birgt Probleme
Allerdings stellt sich bei einem Strafantrag per E-Mail die Frage, auf welche Weise dort die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person sichergestellt werden sollen. Dieses Erfordernis dürfte bei einer einfachen E-Mail ohne weitere Anhaltspunkte kaum erfüllt sein. Die Gesetzesbegründung verweist auf weitere Umstände, die zu einer eindeutigen Identifikation des Absenders führen sollen. Näher definiert werden diese weiteren Umstände nicht.
Erhöhter Ermittlungsaufwand für die Polizeibehörden
Denkbar ist im Falle eines Strafantrags per E-Mail, dass die Polizeibehörde sich durch eine Rückmail oder einen Anruf von der Identität des Absenders überzeugt und dessen ernsthaften Verfolgungswillen feststellt. Dies müsste ggf. aber relativ kurzfristig erfolgen, da sich an der 3-Monatsfrist für einen Strafantrag gem. § 77b StGB nichts geändert hat. Unternimmt die Polizei zunächst nichts, droht also ggf. Fristablauf. Insbesondere für rechtliche Laien enthält der Strafantrag per E-Mail also Fallstricke und ist nicht unproblematisch. Zu der Frage, ob eine Klärung der Identität auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist noch zulässig ist, verhält sich das Gesetz nicht.
Reform eröffnet Spielräume für Strafverteidiger
Für Strafverteidiger folgen aus der eher schwammigen Formulierung des Gesetzes neue Ansätze für eine erfolgreiche Verteidigung. Da der Strafantrag bei Antragsdelikten conditio sine qua non für die Strafverfolgung ist, dürften Verteidiger in künftigen Prozessen bei Antragsdelikten verstärkt hinterfragen, ob die Identität des Antragstellers und dessen ernsthafter Verfolgungswille innerhalb der Antragsfrist hinreichend sicher festgestellt worden sind. Dies dürfte in der Praxis zu einer umfangreichen Rechtsprechung zu diesen unbestimmten Rechtsbegriffen führen.
Digitale Strafanzeigen in allen Bundesländern bereits möglich
Die einfache Strafanzeige kann bereits seit längerer Zeit elektronisch formlos gestellt werden, da alle Bundesländer inzwischen Online-Wachen eingerichtet haben, bei denen Strafanzeigen problemlos per Smartphone eingereicht werden können. Einen förmlichen Strafantrag sollten juristische Laien, die sichergehen wollen, vorzugsweise über einen Anwalt oder einen Rechtsbeistand einreichen. Ob die Reform damit ihr Ziel einer Vereinfachung der Kommunikation mit der Justiz erreicht, bleibt abzuwarten.
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.943
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
2.041
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.654
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.5782
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
1.381
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.380
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.340
-
Patronatserklärungen: Wirkung, Varianten und praktische Bedeutung
1.333
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.169
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.110
-
Cyber Resillience Report zeigt Anstieg der Ransomware-Attacken und höhere Zahlungsbereitschaft
14.11.2024
-
Risikoreicher Gehweg: Fußgänger stürzt auf Gehweg über Kante – haftet die Stadt?
18.10.2024
-
Bundeslagebild Cybercrime zeigt deutlichen Anstieg der Cyberkriminalität
30.08.2024
-
Strafanträge sind jetzt digital möglich
16.08.2024
-
Neues Selbstbestimmungsgesetz soll kurzfristig in Kraft treten
22.04.2024
-
EM in Deutschland: „Public Viewing“ bis in die Nacht
11.04.2024
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
19.03.2024
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
05.03.2024
-
Wichtige Grundsätze des BGH zum Zeugnisverweigerungsrecht
07.02.2024
-
Reform des BND-Gesetzes spätestens zum 1. Januar 2024
25.09.2023