Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnis: (straf)rechtlich geschützt

Fremde Briefe, E-Mails oder Pakete öffnen? Das kann nicht nur moralisch und beziehungstechnisch zweifelhaft sein, sondern ist auch rechtlich keine gute Idee. Sogar innerhalb der eigenen Familie kann das verboten sein und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Wer sich mit anderen über Kommunikationsmedien wie z. B. Briefe, E-Mails, SMS oder Chats austauscht, muss und will sich darauf verlassen können, dass dieser Austausch privat bleibt. Der Gesetzgeber hat zahlreiche Regelungen erlassen, um die nicht öffentliche Kommunikation zu schützen. So hat er unter anderem im Grundgesetz das Brief-, Post- und Kommunikationsgeheimnis festgeschrieben.

Unterschiede zwischen Brief-, Post-, Fernmelde- und Kommunikationsgeheimnis

Was unterscheidet die verschiedenen zu wahrenden Geheimnisse und wann und für welche Art der Kommunikation gelten sie?

Wann und wofür gilt das Briefgeheimnis? 

Postsendungen, die an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind, dürfen andere Personen weder öffnen noch lesen. Nur Briefe unterfallen dem Briefgeheimnis, Postkarten oder Pakete fallen unter den Oberbegriff des Postgeheimnisses. In Deutschland werden das Post- und das Briefgeheimnis als so schützenswert angesehen, dass sie sogar im Grundgesetz verankert sind (Art. 10 GG). Das Öffnen fremder verschlossener Post ist keine Bagatelle. Liegt kein besonderer Grund dafür vor, ist es sogar eine Straftat, die eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann (§ 202 StGB).

Wichtig: Der Grundrechtsschutz des Briefgeheimnisses umfasst nur den Versendungsvorgang als solchen, d. h. von der Aufgabe des Briefes bis zur Ankunft des Briefes beim Empfänger. Ist der Brief beim Empfänger angekommen und legt dieser den geöffneten Brief beiseite, ist eine Verletzung des durch Art. 10 GG geschützten Briefgeheimnisses durch Dritte nicht mehr möglich, kann aber noch strafrechtlich nach § 202 Abs. 2 StGB relevant sein, wenn der Brief in einem verschlossenen Behältnis aufbewahrt wird.

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Welchen Schutzbereich umfasst das Fernmelde- bzw. Kommunikationsgeheimnis?

Nicht nur Briefe, Pakete und Postkarten sind geschützt vor dem Zugriff Unbefugter, sondern auch die private elektronische Kommunikation mit modernen Kommunikationsmitteln wie z. B. E-Mail, Chat oder Mobiltelefon (Art. 10 Grundgesetz). Erkennbar private Nachrichten, die über Smartphones verschickt werden, dürfen deswegen auch nicht ohne Einverständnis des Absenders weitergeleitet werden. Früher wurde dieses Schutzrecht Fernmeldegeheimnis genannt, heute spricht man von Kommunikationsgeheimnis.

„Computergrundrecht“ ergänzt das Kommunikationsgeheimnis

Auch das Kommunikationsgeheimnis schützt lediglich den Übermittlungsweg, also die zeitliche Phase von der Absendung einer Nachricht bis zur Ankunft der Nachricht auf dem Server des Empfängers. Speichert der Empfänger die Nachricht auf seinem Rechner oder einem sonstigen Speichermedium, ist der Schutzbereich des Art. 10 GG nicht mehr einschlägig. In diesem Fall gilt allerdings das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vom BVerfG anerkannte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (Computergrundrecht).

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Weder der Staat noch Privatpersonen oder Unternehmen, wie z. B. Diensteanbieter oder Arbeitgeber, sind befugt, private Nachrichten abzuhören, zu lesen oder weiterzuleiten – es sei denn, es existiert dafür eine gesetzlich geregelte Ausnahme.

§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) dient der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen auf dem Gebiet der Telekommunikation und § 88 TKG insbesondere der Wahrung des Fernmeldegeheimnisses. Darüber hinaus enthalten die §§ 91-107 TKG zu beachtenden Datenschutzvorschriften.

Was oder wen schützt das Postgeheimnis? 

Das Postgeheimnis schützt alle personenbezogenen Daten auf ihrem Weg vom Absender zum Adressaten. Es betrifft daher im Wesentlichen die Mitarbeiter der Paket- und Briefbeförderungsdienstleister. Dem Postgeheimnis unterfallen sowohl Adressaten und Absenderdaten als auch der Inhalt der Postsendung, unabhängig davon, ob die Daten frei zugänglich sind. Wer die personenbezogenen Daten, die anlässlich der Beförderung der Post anfallen, unbefugt liest oder gar verwendet, verstößt gegen das Postgeheimnis, das wie das Briefgeheimnis in Art. 10 GG geregelt ist.

Kommunikationsgeheimnis steht unter einfachem Gesetzesvorbehalt

Art. 10 GG, und damit das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis stehen unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen Beschränkungen aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden. Allerdings ist der Gesetzgeber hierbei nicht vollkommen frei. Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist absolut geschützt und der staatlichen Überwachung nicht zugänglich.

Staatliche Eingriffe müssen gut begründet sein

Staatliche Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis bedürfen einer sorgfältigen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Grundsätze des Datenschutzes (BVerfG, Urteil v. 2.3.2010, 1 BvR 265/08). Dies gilt auch für das durch Art. 1, 2 GG geschützte Computergrundrecht, in das ebenfalls durch ein einfaches Gesetz eingegriffen werden darf. Zulässig sind Eingriffe bis hin zur heimlichen Infiltration eines informationstechnischen Systems immer nur dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut (Leib, Leben, Freiheit, freiheitlich-demokratische Grundordnung) vorliegen (BVerfG, Urteil v. 27.2.2008, 1 BvR 370/07).

Das ist erlaubt – das ist verboten  

Der Gesetzgeber und auch die Gerichte haben genauer definiert, was orientiert am Brief- und Kommunikationsgeheimnis verboten und was erlaubt ist. 

Was dürfen der Verfassungsschutz und die Strafverfolgungsbehörden?

Der Verfassungsschutz und die Strafverfolgungsbehörden dürfen Briefe, andere verschlossene Schriftstücke und Pakete öffnen, jedoch nur dann, wenn die dafür erforderlichen, allesamt gesetzlich geregelten und meist sehr strengen Voraussetzungen erfüllt sind. Das kann z. B. der Fall sein, wenn die Öffnung der Post eines Beschuldigten in einem Strafverfahren zur Aufklärung eines Verbrechens unumgänglich ist, § 99 StPO. Die Hürden sind hoch. In der Regel muss darüber sogar ein Richter entscheiden. Gleiches gilt, wenn seitens des Staates Telefongespräche abgehört oder private Chat- oder Messenger-Dienste-Accounts ausgelesen werden sollen, § 100a StPO. Im Bereich der Gefahrenabwehr enthalten die Polizeiaufgabengesetze der Länder Regeln zu den präventiv erlaubten Maßnahmen. Am weitesten gehen die Befugnisse der bayerischen Polizei gemäß Art. 30 ff PAG.

Was darf der Arbeitgeber nicht?

Der Arbeitgeber darf Briefe an Arbeitnehmer, die in der Adresse mit „persönlich“ oder „vertraulich“ gekennzeichnet sind, nicht öffnen.

Was dürfen Ehepartner und Verwandte nicht?

Ehepartner dürfen die Post und die Online-Kommunikation des anderen nicht ohne Weiteres öffnen und lesen, erst recht dann nicht, wenn sie getrennt leben. Das hat der Bundesgerichtshof für das Postgeheimnis bereits im Jahr 1990 entschieden (BGH, Urteil v. 20.2.1990, VI ZR 241/89). Ein Verstoß dagegen verletzt das Persönlichkeitsrecht des (Ex-)Partners, es sei denn, dessen Einwilligung in das Öffnen bzw. Lesen der Post ergibt sich aus den Umständen. Bei einer intakten Ehe kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass nicht als persönlich gekennzeichnete Post geöffnet werden darf, da dies im Rahmen von alltäglichen Angelegenheiten vom mutmaßlichen Willen des Ehepartners gedeckt sein dürfte.

Ob Eltern die Post, E-Mails und SMS ihrer Kinder lesen dürfen, ist umstritten. Hier ist das Persönlichkeitsrecht des Kindes mit dem Erziehungsrecht der Eltern und deren Pflicht und Recht zur elterlichen Sorge abzuwägen. Wenn das Kindeswohl gefährdet ist, kann sich daraus die Befugnis der Erziehungsberechtigten ergeben, den Briefwechsel oder die Online-Kommunikation ihrer noch minderjährigen Kinder zu kontrollieren.

Grobe Faustregel: Je älter die Kinder sind, desto mehr schränkt sich dieses Recht ein.

Nach dem OLG Hamm darf ein Vormund die Post seines Mündels lesen, wenn dies der Schutzzweck der Vormundschaft im Einzelfall gebietet. Der Vormund darf den Briefverkehr des Mündels dann in angemessener Weise kontrollieren, wenn der Schutz des Mündels oder Dritter dies unabweislich gebietet (OLG Hamm, Urteil v. 16.4.1985, 15 W 46/85).

Was darf der Betreuer?

Ist ein Betreuer bestellt, darf er das an den Betreuten adressierte, verschlossene Schriftstück nur öffnen, wenn ihm das Öffnen der Post besonders übertragen ist und wenn der Brief erkennbar Aufgaben im Rahmen der Betreuung betrifft.

Briefgeheimnis verletzt? Die Folgen

Wer unbefugt verschlossene Schriftstücke, so z. B. Briefe, aber auch Tagebücher oder Notizen, öffnet, die erkennbar nicht für ihn bestimmt sind, macht sich wegen Verletzung des Briefgeheimnisses strafbar. Zeigt der Betroffene ihn an, muss er mit einer Geldstrafe oder gar mit einer Freiheitsstrafe rechnen (§ 202 Strafgesetzbuch). Vollkommen irrelevant ist es für die Strafbarkeit, ob der Täter den Inhalt liest oder nicht. Es reicht bereits das Öffnen. Wer gegen das Briefgeheimnis verstößt, riskiert neben strafrechtlichen Folgen auch eine Inanspruchnahme auf Schadensersatz und Unterlassung.

Hintergrund: BVerfG zum Fernmelde/Kommunikationsgeheimnis

Zweck des Fernmeldegeheimnisses ist es, die Kommunizierenden vor den spezifischen Vertraulichkeitsrisiken der Fernkommunikation zu schützen. Der spezielle Schutz des Fernmeldegeheimnisses schafft einen Ausgleich für den technisch bedingten Verlust an Beherrschbarkeit der Privatsphäre, der durch die Nutzung von Anlagen Dritter zwangsläufig entsteht, und errichtet eine besondere Hürde gegen den vergleichsweise wenig aufwändigen Zugriff auf die dabei anfallenden Daten (vgl. BVerfGE 115, 166, 186).

Im Vergleich zur unmittelbaren Kommunikation resultieren bei der Fernkommunikation spezifische Vertraulichkeitsgefahren aus dem eingesetzten Übertragungsweg und aus der Einschaltung eines Kommunikationsmittlers (BVerfGE 85, 386, 396; BVerfGE 106, 28, 36). Die Kommunizierenden sollen durch die notwendige Einschaltung des Mittelsmannes nicht schlechter gestellt werden, als sie bei unmittelbarer Kommunikation stünden (BVerfGE 107, 299, Abs. 48).

Ziel des Fernmeldegeheimnisses ist es, eine freie und unbefangene Telekommunikation zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 113, 348, 364 f.). Das Grundrecht soll die Bedingungen einer freien Telekommunikation aufrechterhalten (BVerfGE 107, 299, Abs. 47).


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