EM in Deutschland: „Public Viewing“ bis in die Nacht
Großzügigkeit beim Lärmschutz während der Fußballwelt- und Europameisterschaften hat Tradition in Deutschland. Auch in früheren Jahren waren öffentliche Fernsehübertragungen bei Fußballwelt- und Europameisterschaften bis in den späten Abend erlaubt. Die vom Bundeskabinett jetzt beschlossene „Public-Viewing-Verordnung“ ermöglicht es den Kommunen, den nächtlichen Lärmschutz auch während der diesjährigen EM zu lockern.
Lockerung der Lärmschutzbestimmungen im öffentlichen Interesse
Von den 51 Spielen der kommenden EM in Deutschland beginnen 26 Spiele erst um 21:00 Uhr. Gehen solche Spiele in die Verlängerung oder ins Elfmeterschießen, können sie bis in die Nacht dauern. Die Einhaltung der üblichen Lärmschutzstandards dürfte im Rahmen von „Public Viewing“ also kaum möglich sein. Deshalb sieht das Bundeskabinett die Notwendigkeit einer temporären Lockerung der Lärmschutzbestimmungen im Interesse eines nicht unbedeutenden Teils der deutschen Öffentlichkeit.
Rechtsgrundlage
Die „Public-Viewing-Verordnung“ beruht auf § 6 der Sportanlagenlärmschutzverordnung, die es den zuständigen Behörden ermöglicht, für internationale und nationale Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzbestimmungen des § 5 Abs. 5 der Sportanlagenlärmschutzverordnung zuzulassen. Die Überschreitung der dort definierten Immissionsrichtwerte und Lärmhöchstwerte darf in Ausnahmefällen aus Gründen des öffentlichen Interesses genehmigt werden. Die Genehmigungsoption betrifft nicht nur die unmittelbaren, von einer Veranstaltung verursachten Lärmemissionen, sondern auch Geräuschimmissionen durch Zu- und Abgangsverkehr und durch die Zuschauer.
Geltungsbereich der Verordnung
Die jetzt beschlossene „Public-Viewing-Verordnung“ gilt für sämtliche Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG, die für öffentliche Fernsehdarbietungen im Freien geeignet sind. Das sind Freizeitparks, Freiluftgaststätten, Festplätze, Sportplätze, Marktplätze und ähnliche Anlagen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Verordnung gilt nicht für den privaten Bereich und regelt damit nicht den Lärmschutz beim privaten Betrieb von Fernsehgeräten auf Terrassen und Balkonen oder in Gärten.
Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen in jedem Einzelfall
Die Verordnung betont den Ausnahmecharakter der Lockerung des Lärmschutzes. Die kommunalen Behörden müssen in jedem Einzelfall zwischen dem öffentlichen Interesse an der Fernsehübertragung und dem Schutz betroffener Anwohner abwägen und dann entscheiden, ob sie im konkreten Fall „Public Viewing“ zulassen oder nicht. Dabei haben sie folgende Kriterien zu berücksichtigen:
- Adäquanz zur Akzeptanz des jeweiligen öffentlichen Fernsehangebots,
- das Publikumsinteresse an dem jeweiligen Spiel,
- die Bedeutung des Spiels für den Turnierverlauf,
- den Abstand des konkreten Veranstaltungsorts zur Wohnbebauung,
- die Sensibilität des Umfelds (Krankenhäuser, Seniorenheime),
- die möglichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Lärmminderung,
- die Nutzung natürlicher oder künstlicher Hindernisse für die Geräuschminderung sowie
- Umfang, Anzahl und zeitliche Abfolge der zugelassenen Ausnahmen vom nächtlichen Lärmschutz.
Lärmschutzeinschränkungen gelten nur für Liveübertragungen
Die beschlossene Verordnung gilt ausschließlich für Direktübertragungen von Veranstaltungen der Fußballeuropameisterschaft 2024. Darunter fallen auch Liveübertragungen von Rahmenprogrammen in den Stadien. Für die Übertragung von kommentierenden Sendungen oder Wiederholungen bleiben demgegenüber die allgemeinen Bestimmungen zum Lärmschutz gültig. Schließlich bestimmt die Verordnung, dass abweichende Vorschriften der Länder zum Lärm- und Immissionsschutz der „Public-Viewing-Verordnung“ vorgehen.
Geltungsdauer und Inkrafttreten
Die Verordnung bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats. Sie tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft und gilt bis zum 31.7.2024.
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